Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 543/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_543/2008

Urteil vom 29. August 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Kernen, Seiler,
Gerichtsschreiber Schmutz.

Parteien
G.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christof Steger,
Kriessernstrasse 40, 9450 Altstätten,

gegen

IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 28. Mai 2008.

Sachverhalt:

A.
Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen sprach G.________, geboren 1978,
Umschulung in Form einer Ausbildung zum Techniker TS Innenarchitektur zu
(Verfügung vom 28. März 2006) und legte für die Dauer der Ausbildung das
Taggeld auf Fr. 123.20 für drei Einzeltage pro Woche fest (Verfügung vom 4.
April 2006). Sie erhöhte es in der Folge auf Fr. 128.80 (Verfügung vom 11. Mai
2006). Die Verfügungen erwuchsen unangefochten in Rechtskraft. Auf ein am 12.
Juni 2007 gestelltes und am 24. August und 7. November 2007 bekräftigtes
Wiedererwägungsgesuch des Versicherten trat die IV-Stelle mit
Mitteilungsschreiben vom 21. November 2007 nicht ein.

B.
Mit Entscheid vom 28. Mai 2008 wies das Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen die von G.________ dagegen eingereichte Beschwerde ab, soweit darauf
einzutreten war.

C.
G.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, die Entscheide des Versicherungsgerichts und der IV-Stelle (vom
21. November 2007) seien aufzuheben; die Taggeldverfügungen vom 4. April 2006
und 11. Mai 2006 seien wiedererwägungsweise aufzuheben und die Taggeldansprüche
neu festzusetzen; eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.
Auf den Antrag einer wiedererwägungsweisen Aufhebung der Taggeldverfügungen vom
4. April 2006 und 11. Mai 2006 und Neufestsetzung von Taggeldansprüchen ist
nicht einzutreten; es kann hier einzig darum gehen, ob die Vorinstanz zu Recht
(Art. 95 lit. a BGG) befunden hat, die Verwaltung sei nicht auf das
Wiedererwägungsgesuch eingetreten und habe keinen neuen Sachentscheid
getroffen.

2.
Gemäss Art. 53 Abs. 2 ATSG kann der Versicherungsträger auf formell
rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese
zweifellos unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung
ist. Diese Bestimmung wurde in Anlehnung an die bis zum Inkrafttreten des ATSG
(am 1. Januar 2003) von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien (BGE 127 V
466 E. 2c S. 469 oben mit Hinweisen) erlassen. Dabei wird in Übereinstimmung
mit Lehre und Rechtsprechung das Zurückkommen auf formell rechtskräftige
Verfügungen oder Einspracheentscheide beim Fehlen von Revisionsgründen
weiterhin in das Ermessen des Versicherungsträgers gelegt (vgl. BBl 1991 II
262). Die bisherige Rechtsprechung, wonach die Verwaltung weder vom Betroffenen
noch vom Gericht zu einer Wiedererwägung verhalten werden kann und mithin kein
gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Wiedererwägung besteht (BGE 117 V 8 E.
2a S. 12 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 119 V 475 E. 1b/cc S. 479), wurde demnach
in Art. 53 Abs. 2 ATSG gesetzlich verankert (BGE 133 V 50 E. 4.1 S. 52 und E.
4.2.1 S. 54; Kieser, ATSG-Kommentar, N. 22 zu Art. 53).

3.
Entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers hat die IV-Stelle ein Eintreten
auf dessen Wiedererwägungsgesuch vom 12. Juni 2007 offenkundig nicht nur nach
dem Wortlaut, sondern auch nach dem tatsächlichen rechtlichen Bedeutungsgehalt
ihrer Schreiben vom 31. Juli 2007 und 21. November 2007 abgelehnt. Das
Nichteintreten erfolgte nach äusserst summarischer Prüfung. Diesbezüglich kann
vollumfänglich auf den vorinstanzlichen Entscheid verwiesen werden. Auch hat
die Beschwerdegegnerin ihr Nichteintreten entgegen der Darstellung des
Beschwerdeführers nicht damit begründet, dieser könne neben der Ausbildung an
drei Tagen seinen Lebensunterhalt verdienen. Sie hat angeführt, die Ausbildung
sei so angelegt, dass die Studenten nebenbei ihren Lebensunterhalt verdienen
könnten (Schreiben vom 31. Juli 2007); sie ist damit gar nicht auf die konkrete
Situation des Beschwerdeführers eingegangen.

4.
Weil die Verwaltung gemäss Rechtsprechung weder von den Betroffenen noch vom
Sozialversicherungsgericht zu einer Wiedererwägung verhalten werden kann,
besteht kein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf ein solches Rückkommen;
Verfügungen, mit denen das Eintreten auf ein Wiedererwägungsgesuch abgelehnt
wird, sind somit grundsätzlich nicht anfechtbar (BGE 117 V 12 E. 2a mit
Hinweisen; vgl. auch BGE 119 V 479 E. 1b/cc). Die Versicherten haben ihre
Rechte hinsichtlich der ursprünglichen Verfügung im dafür vorgesehenen
Rechtsmittelverfahren zu wahren. Nach dem Gesagten muss es mit dem
Nichteintreten vom 21. November 2007 sein Bewenden haben. Dabei kann offen
bleiben, ob die Vorinstanz, statt auf Beschwerdeabweisung zu erkennen,
richtigerweise einen Nichteintretensentscheid hätte erlassen müssen; denn die
Beantwortung dieser Frage würde im Ergebnis ohnehin keine Auswirkungen auf die
Rechtslage zeitigen (Urteile C 276/01 vom 31. Mai 2002 und I 374/03 vom 20.
August 2003).

5.
Die Beschwerde hatte keine Aussicht auf Erfolg, weshalb sie im vereinfachten
Verfahren nach Art. 109 BGG als offensichtlich unbegründet (Abs. 2 lit. a),
ohne Durchführung des Schriftenwechsels und unter Auferlegung der
Gerichtskosten auf den unterlegenen Beschwerdeführer (Art. 66 Abs. 1 BGG)
erledigt wird.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 29. August 2008

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Schmutz