Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 538/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_538/2008

Urteil vom 19. Januar 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Kernen, Seiler,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

Parteien
K.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Procap, Schweizerischer
Invaliden-Verband, Froburgstrasse 4, 4600 Olten,

gegen

IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 15. Mai 2008.

Sachverhalt:

A.
K.________, geboren 1949, ist gelernter Sanitärinstallateur. Im Jahre 1969
gründete er zusammen mit seinem Bruder ein eigenes Heizungssanitärgeschäft.
Seit Oktober 1996 ist er in der damals neu gegründeten Firma X.________ als
Montageleiter tätig. Bei einem Skiunfall am 15. Februar 2002 verletzte er sich
insbesondere am rechten Knie. Am 12. Mai 2003 unterzog er sich einer
Arthroskopie am rechten Kniegelenk mit subtotaler Ausräumung des medialen
Hinterhorns und Teilmeniskektomie des lateralen Meniskus (Operationsbericht des
Dr. med. L.________, Spital Y.________). Am 9. Juli 2003 wurde (wiederum im
Spital Y.________) eine Arthroskopie des ebenfalls schmerzhaften linken Knies
mit arthroskopischer partieller medialer Meniskektomie und Osteophytenabtragung
durchgeführt und im Dezember 2003 unterzog sich der Versicherte einer
Korrektur-Osteotomie der proximalen Tibia links, zudem stellten die Ärzte eine
beginnende medial betonte Gonarthrose rechts fest (vgl. Bericht des Dr. med.
M.________, Allgemeine Medizin FMH, vom 31. März 2005). Unter Hinweis auf die
Knieoperationen meldete er sich am 4. März 2005 bei der Invalidenversicherung
zum Leistungsbezug (Rente) an. Im April 2005 fand eine diagnostische
Arthroskopie des rechten Kniegelenks statt, anlässlich welcher eine
fortgeschrittene Gonarthrose diagnostiziert wurde (Kurzaustrittsbericht des Dr.
med. L.________ vom 14. April 2005). Am 19. Dezember 2005 stürzte K.________
auf die rechte Schulter, ohne dass die dabei erlittene Verletzung eine
dauerhafte Arbeitsunfähigkeit bewirkte (Bericht des Dr. med. H.________,
Allgemeine Medizin FMH, vom 9. April 2006). Nach erwerblichen und medizinischen
Abklärungen sowie Beizug der Akten der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) veranlasste die IV-Stelle des Kantons St.
Gallen einen Abklärungsbericht Selbstständigerwerbende vom 17. Juli 2006 und
richtete eine interne Anfrage an ihren Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD; Dr.
med. O.________; Antwort vom 5. September 2006). Mit vom 2. November 2006
datierter Verfügung wies sie das Leistungsbegehren nach durchgeführtem
Vorbescheidverfahren mangels rentenbegründendem Invaliditätsgrad von 33 % ab.

B.
Die hiegegen von K.________, vertreten durch Procap Schweizerischer
Invaliden-Verband, Olten (im Folgenden: Procap), erhobene Beschwerde wies das
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 15. Mai 2008 ab.

C.
K.________ lässt, wiederum vertreten durch Procap, Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und unter Aufhebung des
angefochtenen Entscheides die Zusprechung einer Invalidenrente ab Dezember 2004
nebst Zins von 5 %, eventualiter die Rückweisung der Sache zur weiteren
Abklärung an die IV-Stelle, beantragen.

Vorinstanz und IV-Stelle schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt
für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
Im angefochtenen Entscheid werden die Bestimmungen und Grundsätze betreffend
die Invaliditätsbemessung nach dem ausserordentlichen Bemessungsverfahren (BGE
128 V 29 S. 30 E. 1 mit Hinweisen), die Voraussetzungen und den Umfang des
Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG) sowie die im Sozialversicherungsrecht
geltende Schadenminderungspflicht (BGE 130 V 97 E. 3.2 S. 99, 129 V 460 E. 4.2
S. 463) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3.
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf eine Invalidenrente.

3.1 Die Vorinstanz erwog, gestützt auf die Umsatzzahlen der Firma X.________ in
den Jahren 1999 bis 2006 liessen sich die erwerblichen Auswirkungen der
gesundheitlichen Limitierungen nicht zuverlässig ermitteln. Obwohl der
Versicherte praktisch durchgehend zu mindestens 50 % arbeitsunfähig geschrieben
gewesen sei, fehle es an einem namhaften, anhaltenden Umsatzeinbruch. Die
aktenkundigen Umsatzschwankungen liessen sich nicht überwiegend wahrscheinlich
auf die eingeschränkte Leistungsfähigkeit zurückführen. Die Invalidität sei
daher in Anwendung der ausserordentlichen Bemessungsmethode anhand eines
Betätigungsvergleichs zu bestimmen. In Nachachtung der Schadenminderungspflicht
sei es dem Beschwerdeführer als Chef eines Sanitär- und
Heizungsinstallationsbetriebes - auch unter Berücksichtigung seiner primär
handwerklichen Fähigkeiten - zumutbar, eigenen körperlich stark belastenden
Einsatz weitestgehend zu vermeiden, um eine bessere Verwertung seiner
Restarbeitsfähigkeit zu erlangen, indem er körperlich schwere Arbeiten an die
Mitarbeiter abgebe und von diesen leichtere Arbeiten übernehme. Im Übrigen habe
er offenbar schon seit einer Rückenoperation im Jahre 1992 keine "sonderlich
schwere" körperliche Arbeit mehr verrichtet. Durch die Arbeitsumverteilung
resultiere eine Erwerbseinbusse von deutlich weniger als 40 %.

3.2 Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Anwendbarkeit der
aus-serordentlichen Bemessungsmethode, und auch nicht die dem kantonalen
Entscheid zu Grunde liegende prozentuale Aufteilung der verschiedenen
Tätigkeiten (Betriebsführung/administrative Arbeiten/Kontrollen/Planen/
Besprechung mit Architekten: 10 %; Werkstattarbeiten: 10 %; Baustellenarbeiten/
Transporte/Montageleitung: 80 %). Er rügt aber die vorinstanzliche Auslegung
des Begriffs der Zumutbarkeit. Zwar treffe es zu, dass er sowohl in der
Werkstatt als auch auf der Baustelle zu ungefähr je 50 % eingeschränkt sei.
Indes sei eine Delegation der für ihn ungünstigen Arbeiten in der Praxis nicht
möglich. In aller Regel arbeiteten die Mitarbeiter alleine auf
unterschiedlichen Baustellen und an verschiedenen Aufträgen. Zudem seien nicht
immer genügend leichte Arbeiten vorhanden. Faktisch sei er immer wieder
gezwungen, seine Grenzen zu überschreiten, was längere Erholungspausen
erforderlich mache. Hieraus erklärten sich auch die 24 (produktiven) Stunden
wöchentlicher Arbeitszeit. Schliesslich lasse sich die konstruierte
Umverteilung der Arbeit auch deshalb nicht verwirklichen, weil die Firma
X.________ im August 2006 einen Mitarbeiter verloren habe, der aus
wirtschaftlichen Gründen nicht mehr habe ersetzt werden können. Der
Invaliditätsgrad sei auf 45 % festzusetzen.

4.
Wie die Vorinstanz zutreffend erwog, haben Versicherte nach dem im
Sozialversicherungsrecht geltenden Schadenminderungsprinzip (E. 2 hievor; vgl.
auch BGE 113 V 22 E. 4a S. 28 mit Hinweisen) allenfalls betriebliche
Umstrukturierungen vorzunehmen, um so eine bessere Verwertung der
Restarbeitsfähigkeit zu erreichen. Ob sich aus arbeitsorganisatorischen und
anderen praktischen Gründen (beispielsweise der Struktur der anfallenden
Arbeiten) eine Umverteilung der Arbeit überhaupt realisieren lässt, ist
Tatfrage. Das Bundesgericht kann die diesbezüglichen Feststellungen im
angefochtenen Entscheid daher nur daraufhin überprüfen, ob sie offensichtlich
unrichtig oder willkürlich sind oder sonstwie gegen Bundesrecht verstossen (E.
1 hievor). Dies trifft nicht zu. Zunächst hatte der Beschwerdeführer anlässlich
der Abklärung an Ort und Stelle selbst erklärt, bei der Ausführung der
Baustellenarbeiten, der Durchführung von Transporten und bei den
Montageleitertätigkeiten würden, weil er immer wieder aussetzen müsse, seine
Arbeiter die Tätigkeiten jeweils für ihn beenden (die Überwachung und Anleitung
sei ihm möglich). Soweit die Vorinstanz feststellte, es sei dem Versicherten in
Wahrnehmung seiner Schadenminderungspflicht zumutbar, sich auf leichtere
Arbeiten zu fokussieren (wobei bereits eine relativ geringfügige Umverteilung
der körperlich belastenden Arbeit in der Grössenordnung von etwas mehr als 5 %
einen rentenausschliessenden Invaliditätsgrad ergäbe), verfiel sie bereits aus
diesem Grund nicht in Willkür. Darüber hinaus gilt es zu beachten, dass der
Beschwerdeführer nach den unbestritten gebliebenen tatsächlichen Feststellungen
der Vorinstanz schon seit einer Rückenoperation im Jahre 1992 (er hatte sich
damals im Zivilschutz einen Lendenwirbel gebrochen) keine (sonderlich) schweren
Arbeiten mehr verrichten konnte und eine entsprechende Arbeitsorganisation
somit bereits seit der Gründung der Firma notwendig war.

Offensichtlich unrichtig sind die Feststellungen im angefochtenen Entscheid
schliesslich auch nicht deshalb, weil bei handwerklichen Kleinbetrieben wie der
Firma X.________ der Betriebserfolg in der Regel massgeblich vom Einsatz und
den Fähigkeiten ihres Chefs abhängt (vgl. Urteil I 729/79 vom 4. August 1980,
in: ZAK 1981 S. 46 E. 2b), so dass der Wegfall oder die Reduktion dessen
produktiver Mitarbeit in aller Regel erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen
nach sich zieht (vgl. Urteil I 342/95 vom 12. Juli 1996 E. 3c). Der Umsatz der
Firma X.________ konnte in den Jahren 2001 bis 2006 indes gehalten bzw.
zeitweilig sogar leicht gesteigert werden und hat sich jedenfalls nicht
anhaltend verschlechtert (vgl. Abklärungsbericht Selbstständigerwerbende vom
10. Juli 2006; Jahresabschluss per 31. Dezember 2006). Auch unter diesem Aspekt
ist die vorinstanzliche Feststellung, wonach eine adäquate Arbeitsorganisation
möglich bzw. bereits erfolgt ist, letztinstanzlich bindend.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen, der Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 19. Januar 2009

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Meyer Bollinger Hammerle