Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 493/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_493/2008

Urteil vom 7. Juli 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiber Maillard.

Parteien
W.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Stefan Semela, Mellingerstrasse
2a, 5400 Baden,

gegen

Ausgleichskasse Schwyz, Rubiswilstrasse 8, 6438 Ibach,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Alters- und Hinterlassenenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz vom
17. April 2008.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 9. August 2007 verpflichtete die Ausgleichskasse Schwyz
W.________, einziges Mitglied des Verwaltungsrates der im März 2007 in Konkurs
gefallenen Firma X.________ AG, zur Bezahlung von Schadenersatz für in den
Jahren 2000 bis 2006 entgangene bundes- und kantonalrechtliche
Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von Fr. 158'137.65 (einschliesslich
Verwaltungskosten, Mahngebühren und Verzugszinsen). Die dagegen erhobene
Einsprache wies die Ausgleichskasse mit Einspracheentscheid vom 23. November
2007 ab.

B.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz wies die hiegegen erhobene Beschwerde
mit Entscheid vom 17. April 2008 ab.

C.
W.________ lässt Beschwerde führen mit dem Antrag, der vorinstanzliche
Entscheid sowie der Einspracheentscheid seien aufzuheben und es sei die
Schadenersatzforderung im Gesamtbetrag von Fr. 142'199.95 abzuweisen; eventuell
sei die Sache an das kantonale Gericht zur Neubeurteilung und zur Feststellung
des Haftungsumfangs zurückzuweisen. Weiter wird um Gewährung der aufschiebenden
Wirkung ersucht.

Erwägungen:

1.
1.1 Die II. sozialrechtliche Abteilung ist zuständig zum Entscheid über die
streitige Schadenersatzpflicht nach Art. 52 AHVG (Art. 82 lit. a BGG sowie Art.
35 lit. a des Reglements für das Bundesgericht vom 20. November 2006 [BGerR]).
Nach Art. 34 lit. e BGerR fallen die kantonalen Sozialversicherungen
(insbesondere Familien- und Kinderzulagen) zwar in die Zuständigkeit der I.
sozialrechtlichen Abteilung. Es ist indessen aus prozessökonomischen Gründen
sinnvoll, dass die II. Abteilung auch über die Schadenersatzpflicht
entscheidet, soweit sie entgangene Sozialversicherungsbeiträge nach kantonalem
Recht betrifft (Urteil 9C_465/2007 vom 20. Dezember 2007).

1.2 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter
anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). Das Bundesgericht
darf nicht über die Begehren der Parteien hinausgehen (Art. 107 Abs. 1 BGG).
Neue Begehren sind unzulässig (Art. 99 Abs. 2 BGG).

2.
Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer zur Leistung von
Schadenersatz einerseits nach Art. 52 AHVG für bundesrechtliche
Sozialversicherungsbeiträge sowie anderseits nach § 32 des Gesetzes vom 17.
April 2002 über die Familienzulagen (FZG/SZ, SRSZ 370.100) für Beiträge an die
kantonale Familienausgleichskasse verpflichtet ist, wobei er die Forderung
betreffend das Jahr 2006 im Betrag von Fr. 15'937.70 anerkennt. Das kantonale
Gericht hat die Voraussetzungen der Haftung nach Art. 52 AHVG und die dazu
ergangene einschlägige Rechtsprechung zutreffend dargelegt. Darauf wird
verwiesen (Art. 109 Abs. 3 BGG).

3.
3.1 Das kantonale Gericht hat mit in allen Teilen überzeugender Begründung, auf
die verwiesen wird, erwogen, dass der Beschwerdeführer als einziges Mitglied
des Verwaltungsrates für den der Ausgleichskasse infolge des Konkurses der
Firma entstandenen Schaden in vollem Umfang ersatzpflichtig ist. Was der
Beschwerdeführer dagegen vorbringen lässt, ist - soweit nicht bereits vom
kantonalen Gericht entkräftet - unbehelflich.

3.2 Aus dem Urteil H 8/07 vom 23. April 2007 kann er aus verschiedenen Gründen
nichts zu seinen Gunsten ableiten. Es trifft zwar zu, dass das Bundesgericht in
E. 7.1 jenes Urteils, welches in SVR 2007 AHV Nr. 9 S. 25 publiziert ist, den
Vorwurf schuldhafter Schadensverursachung zumindest bis zum Eintreffen von
AHV-Beitrags- oder Nachtragsverfügungen verneint hat, wenn sich über die
beitragsrechtliche Qualifikation der fraglichen Entgelte in guten Treuen
streiten lässt. Der Beschwerdeführer übersieht indessen, dass er nicht erst mit
Zustellung der Nachtragsverfügungen vom 21. Oktober 2005 an die Firma
X.________ AG, sondern - wie das kantonale Gericht in für das Bundesgericht
verbindlicher Weise (E. 1.2) festgestellt hat - bereits spätestens im Juli 2003
wissen musste, dass seine Rechtsauffassung nicht zutraf. Die Kantonale
Steuerverwaltung und Kantonale Verwaltung für die direkte Bundessteuer des
Kantons Schwyz teilte ihm mit Veranlagungsverfügung 2001 vom 22. Juli 2003 mit,
dass seine Einkünfte aus der Firma X.________ AG als unselbstständiges
Einkommen bewertet werden. Diese Veranlagung wurde nach den Feststellungen der
Vorinstanz nicht gültig angefochten. Wie das kantonale Gericht ebenfalls
richtig erwogen hat, konnte sich die Ausgleichskassen bei der Qualifikation der
gemeldeten Einkünfte auf die Steuermeldungen verlassen, zumal keine ernsthafte
Zweifel an der Richtigkeit der Steuermeldung bestanden (BGE 121 V 80 E. 2c S.
83, zur Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehenes Urteil 9C_538/2007
vom 28. April 2008 E. 3.3).

3.3 Steht fest, dass der Beschwerdeführer bereits Ende Juli 2003 um die
Qualifikation seiner Tätigkeit als unselbstständig wusste, ist auch seiner
weiteren Argumentation der Boden entzogen, ab 21. Oktober 2005 habe die Firma
keine Substanz mehr gehabt, um Rückstellungen bilden zu können, wäre er doch
verpflichtet gewesen, bereits ab Ende Juli 2003 Mittel für die
Eventualverbindlichkeiten bereitzustellen. Dass die Firma fast vier Jahre vor
Konkurseröffnung keine Rückstellungen hätte bilden können, bringt der
Beschwerdeführer nicht vor. Der Vollständigkeit halber ist zu ergänzen, dass
das Bundesgericht im Urteil H 8/07 die vor den Nachtragsverfügungen
entstandenen Forderungen nicht etwa aus der Schadenersatzpflicht entliess, wie
der Beschwerdeführer offenbar annimmt, sondern das Datum der Nachtragsverfügung
als Beginn der Rückstellungspflicht - und zwar für die gesamte Forderung -
betrachtete (SVR 2007 AHV Nr. 9 S. 25 E. 7.2).

3.4 Soweit sich der Beschwerdeführer auf den Vertrauensschutz (vgl. dazu BGE
133 V 249 E. 5 S. 253) beruft, scheitert dies - ergänzend zu der wiederum
zutreffenden Begründung des kantonalen Gerichts - bereits am Umstand, dass die
Behörde, auf deren Handeln er sich beruft (Steuerbehörde des Kantons Zürich),
nicht identisch mit derjenigen ist, die die Veranlagungsverfügung 2001 vom 22.
Juli 2003 erlassen hat. Dass die Steuerbehörden des Kantons Schwyz ihn zunächst
als Selbstständigerwerbenden und danach als Unselbstständigerwerbenden
qualifiziert hätten, was unter Umständen unter dem Gesichtspunkt des
Vertrauensschutz beachtlich sein könnte, bringt er nicht vor.

3.5 Die derogatorische Kraft des Bundesrechts (Art. 49 Abs. 1 BV) steht der
unterschiedlichen Beurteilung des gleichen Sachverhalts durch zwei Behörden
verschiedener Kantone nicht entgegen, regelt doch diese Verfassungsbestimmung
vielmehr einen Normenkonflikt zwischen Bundes- und kantonalem Recht (siehe dazu
Alexander Ruch, St. Galler Kommentar zur BV, 2. Aufl., Rz. 8 zu Art. 49).

3.6 Besondere Umstände, welche im Sinne der Rechtsprechung zu den
Entlastungsgründen (BGE 108 V 183 E. 2 S. 188, bestätigt in BGE 121 V 243 E. 4b
S. 244; ZAK 1992 S. 248 E. 4b, 1985 S. 577 E. 3a) zur Verneinung der
Schadenersatzpflicht führen können, liegen ebenfalls nicht vor. Was der
Beschwerdeführer unter diesem Titel vorbringen lässt, wurde bereits an anderer
Stelle gewürdigt. Soweit er darauf verweist, dass er nicht vorsätzlich
gehandelt habe, übersieht er, dass ihm solches gar nicht vorgeworfen wird. Die
Unterlassung von Rückstellungen über mehrere Jahre hinweg ist jedoch als grobe
Fahrlässigkeit zu qualifizieren (SVR 2007 AHV Nr. 9 S. 25 E. 7.2).

4.
Die offensichtlich unbegründete Beschwerde wird im vereinfachten Verfahren nach
Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG erledigt.

5.
Mit dem Entscheid in der Hauptsache ist das Gesuch um Erteilung der
aufschiebenden Wirkung gegenstandslos.

6.
Die Gerichtskosten werden dem Beschwerdeführer als unterliegender Partei
auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 5000.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 7. Juli 2008
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer i.V. Amstutz