Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 449/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_449/2008

Urteil vom 18. November 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Kernen, Seiler,
Gerichtsschreiber Schmutz.

Parteien
D.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Dr. Marco Biaggi, St. Jakobs-Strasse
11, 4002 Basel,

gegen

IV-Stelle Basel-Stadt, Lange Gasse 7, 4052 Basel,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom
5. März 2008.

Sachverhalt:

A.
Der 1972 geborene D.________, gelernter Autoservicemann und
Carrosseriespengler, meldete sich am 3. Dezember 2004 wegen Rückenbeschwerden
bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug (Berufsberatung, Umschulung)
an. Die IV-Stelle Basel-Stadt teilte ihm am 30. Mai 2006 mit, sie gewähre ihm
Berufsberatung und Abklärung der beruflichen Eingliederungsmöglichkeiten. Mit
Mitteilung vom 27. Juli 2006 sprach sie D.________ eine Umschulung in Form des
Bürofachdiploms VSH zu und vergütete ihm die Kosten des bereits absolvierten
Kurses. Mit Vorbescheid vom 22. November 2006 kündigte sie an, es kämen keine
weiteren Umschulungsmassnahmen in Betracht. D.________ wandte ein, eine
angemessene berufliche Eingliederung sei noch nicht erfolgt; auf den besuchten
Bürofachkurs aufbauend, könne er noch die einjährige Ausbildung zum Technischen
Kaufmann absolvieren. Am 21. Juni 2007 verfügte die IV-Stelle jedoch im Sinne
des Vorbescheides.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde mit dem Antrag auf Rückweisung der Sache zum
Neuentscheid wies das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt ab, weil es den
Anspruch auf Umschulung zum Technischen Kaufmann wegen fehlender persönlicher
Eignung im Zusammenhang mit dem schulischen Wissensstand verneinte (Entscheid
vom 5. März 2008).

C.
D.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Rechtsbegehren, die Sache sei zur Neubeurteilung an das kantonale
Gericht zurückzuweisen; ferner beantragt er unentgeltliche Rechtspflege.

Die Vorinstanz beantragt Abweisung der Beschwerde; IV-Stelle und Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichten auf Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung
der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig
ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105
Abs. 2 BGG; vgl. BGE 132 V 393 zur auch unter der Herrschaft des BGG gültigen
Abgrenzung von Tat- und Rechtsfragen im Bereich der Invaliditätsbemessung [Art.
16 ATSG] für die Ermittlung des Invaliditätsgrades nach Art. 28 Abs. 2 IVG).

2.
2.1 Der Beschwerdeführer bringt vor, die Vorinstanz habe sich weder
grundsätzlich zu den invaliditätsmässigen Voraussetzungen einer Umschulung noch
zum Anspruch auf verschiedene in Betracht fallende Massnahmen geäussert; sie
habe den Streitgegenstand zu Unrecht auf die Prüfung der Umschulung zum
Technischen Kaufmann eingegrenzt und damit das rechtliche Gehör (Art. 29 Abs. 2
BV) verletzt.

2.2 Zwar nicht aus dem angefochtenen Entscheid, jedoch aus der Verfügung vom
21. Juni 2007 geht hervor, dass die Beschwerdegegnerin die allgemeinen
invaliditätsmässigen Grundlagen zur Gewährung weiterer Umschulungsmassnahmen
bestreitet. Sie begründete dies damit, die von ihr bisher gewährte
Berufsausbildung vermittle dem Beschwerdeführer annähernd gleichwertige
Erwerbsaussichten; weitergehende berufliche Eingliederungsmassnahmen drängten
sich nicht auf, da er schon jetzt in der Lage sei, in einer zumutbaren
Verweisungstätigkeit höhere Einkünfte zu generieren als die bisher effektiv
erzielten. Damit verneinte sie das Vorliegen einer leistungsspezifischen
Invalidität für weitere Massnahmen nach Art. 17 IVG, was in ergänzender
Feststellung zum diesbezüglich unvollständigen kantonalen Gerichtsentscheid
(Art. 105 Abs. 2 BGG) im Lichte der Aktenlage zu bestätigen ist. Der
Beschwerdeführer bringt nichts vor, was zu einer abweichenden Beurteilung
Anlass gäbe. Hält der kantonale Entscheid somit im Ergebnis Stand, ist es
unerheblich, dass die Vorinstanz den Anspruch auf Umschulung zum Technischen
Kaufmann mit der Begründung verneint hat, der Beschwerdeführer sei dazu wegen
fehlender schulischer Grundlage persönlich nicht geeignet. Die Rüge einer
Verletzung des rechtlichen Gehörs ist daher unbegründet. Nicht präjudiziert ist
durch diesen Verfahrensausgang die Arbeitsvermittlung.

3.
Die unentgeltliche Rechtspflege kann gewährt werden (Art. 64 BGG), da die
Bedürftigkeit aktenkundig ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu
bezeichnen und die Vertretung notwendig war (BGE 125 V 201 E. 4a S. 202 und 371
E. 5b S. 372; vgl. auch Urteil 8C_524/2007 vom 10. Juni 2008, E. 7). Der
Beschwerdeführer wird der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben, wenn er später
dazu in der Lage ist (Art. 64 Abs. 4 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.

4.
Advokat Dr. Marco Biaggi, Basel, wird als unentgeltlicher Anwalt des
Beschwerdeführers bestellt, und es wird ihm für das bundesgerichtliche
Verfahren aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2000.- ausgerichtet.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt,
der Ausgleichskasse Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherungen
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 18. November 2008

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Schmutz