Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 435/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_435/2008

Urteil vom 21. Oktober 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Kernen,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

Parteien
Bundesamt für Sozialversicherungen, Effingerstrasse 20, 3003 Bern,
Beschwerdeführer,

gegen

Bank X.________, Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Advokatin Franziska Bur Bürgin, Aeschenvorstadt 4, 4051 Basel,

1. Ausgleichskasse Arbeitgeber Basel,
Viaduktstrasse 42, 4051 Basel,
2. B.________,
3. K.________,
4. N.________.

Gegenstand
Alters- und Hinterlassenenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt
vom 2. April 2008.

Sachverhalt:

A.
B.________, K.________ und N.________ waren bei der Bank X.________ angestellt.
Infolge Übernahme der Bank X.________ durch die Bank Q.________ und der damit
einhergehenden Umstrukturierung wurden die drei erwähnten Mitarbeiter auf den
1. Januar 2005 vorzeitig pensioniert. Um Kürzungen der von der
Personalvorsorgestiftung Y.________ erbrachten reglementarischen Altersrenten
aufgrund der vorzeitigen Pensionierung der im Jahre 2004 55, 58 und 62 Jahre
alten Versicherten zu vermeiden, übernahm die Wohlfahrtseinrichtung Z.________
die versicherungstechnischen Kosten (Deckungskapitalien). Gestützt auf die
Ergebnisse einer Arbeitgeberkontrolle betreffend die Jahre 2002 bis 2005
erliess die Ausgleichskasse des Basler Volkswirtschaftsbundes (heute
Ausgleichskasse Arbeitgeber Basel) am 23. Oktober 2006 eine Nachtragsverfügung,
mit welcher sie die Bank X.________ zur Nachzahlung paritätischer AHV/IV/
EO-Beiträge, von Beiträgen an die Familienausgleichskasse, Verwaltungskosten
und Zinsen im Gesamtbetrag von Fr. 236'367.45 auf den von der
Wohlfahrtseinrichtung Z.________ im Hinblick auf die vorzeitige Pensionierung
geleisteten Zahlungen verpflichtete. Auf Einsprache hin hielt die
Ausgleichskasse mit Entscheid vom 19. Februar 2007 an der verfügten
Beitragsforderung fest.

B.
In Gutheissung der von der Bank X.________ eingereichten Beschwerde hob das
Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt den Einspracheentscheid auf (Entscheid
vom 2. April 2008).

C.
Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) führt Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, unter Aufhebung des
vorinstanzlichen Entscheides sei die Sache zu neuer Beurteilung im Lichte von
Art. 8ter AHVV an das kantonale Gericht zurückzuweisen.
Während die Bank X.________ auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet
die Ausgleichskasse auf eine Vernehmlassung. Das Sozialversicherungsgericht
äussert sich in ablehnendem Sinne zur Beschwerde. Die als Mitbeteiligte
beigeladenen B.________, K.________ und N.________ lassen sich nicht vernehmen.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz die von der Wohlfahrtseinrichtung
Z.________ zugunsten der Mitbeteiligten übernommenen versicherungstechnischen
Kosten, welche zur Vermeidung von Rentenkürzungen im Zusammenhang mit den
vorzeitigen Pensionierungen aufgewendet wurden, zu Recht nicht als massgebenden
Lohn qualifiziert und deswegen den Einspracheentscheid der Ausgleichskasse
aufgehoben hat.

2.1 Das kantonale Gericht hat den Begriff des massgebenden Lohnes nach Art. 5
Abs. 2 AHVG zutreffend dargelegt. Zu dem für die Berechnung der Beiträge
massgebenden Lohn gehören, soweit sie nicht Unkostenentschädigungen darstellen,
u.a. insbesondere Leistungen des Arbeitgebers bei Beendigung des
Arbeitsverhältnisses, soweit sie nicht im Sinne von Art. 8ter vom massgebenden
Lohn ausgenommen sind (Art. 7 lit. q Satz 1 AHVV). Art. 8ter AHVV wiederum
zählt in Abs. 1 verschiedene Leistungen bis zur Höhe von acht Monatslöhnen auf,
welche vom massgebenden Lohn ausgenommen sind, worunter auch Leistungen im
Rahmen einer Vorruhestandsregelung des Arbeitgebers (lit. c) und
Entschädigungen bei Entlassungen im Falle von Betriebsschliessung oder
Betriebszusammenlegung (lit. d; vgl. dazu BGE 133 V 153). Die Vorinstanz hat
ferner festgehalten, beitragspflichtig seien nur Leistungen der
Arbeitgeberfirma, wogegen Zahlungen von mit dem Arbeitgeber nicht identischen
Vorsorgeeinrichtungen nicht unter die Beitragspflicht fielen.

2.2 Demgegenüber vertritt das BSV die Auffassung, zum massgebenden Lohn
gehörten auch Leistungen Dritter an Arbeitnehmer, die ihrer Natur nach als
Arbeitgeberleistungen zu betrachten sind. Bei den Vergütungen des
Wohlfahrtsfonds handle es sich um massgebenden Lohn. AHV-rechtliche
Arbeitgeberin für die Leistungen des Wohlfahrtsfonds sei die Bank X.________.
Ferner beruft sich das Bundesamt auf Art. 6 Abs. 2 lit. h AHVV, wonach für die
Ausnahme von der Beitragspflicht vorausgesetzt sei, dass eine Einrichtung der
beruflichen Vorsorge reglementarische Leistungen erbringt. Der patronale
Wohlfahrtsfonds richte keine reglementarischen Leistungen im Sinne dieser
Bestimmung aus. Vielmehr seien die entsprechenden Beiträge an die Pensionskasse
vom Stiftungsrat ad hoc festgesetzt worden. Auszugehen sei somit von
massgebendem Lohn, der der Bank X.________ als Arbeitgeberin anzurechnen sei.
Zu prüfen sei jedoch, ob die Leistungen des Wohlfahrtsfonds im Lichte von BGE
133 V 153 als Leistungen der Arbeitgeberin im Rahmen einer
Vorruhestandsregelung nach Art. 8ter Abs. 1 lit. c AHVV teilweise vom
massgebenden Lohn ausgenommen sind.

3.
3.1 Wie die Vorinstanz zutreffend bemerkt, gibt es keine Präjudizien, welche
die Beitragspflicht auf Leistungen bejahen, die von mit dem Arbeitgeber nicht
identischen Vorsorgeeinrichtungen erbracht wurden. Ebenso wenig finden sich in
Art. 7 lit. q und Art. 8ter Abs. 1 lit. c AHVV Hinweise darauf, dass sich die
Beitragspflicht auf Zahlungen von Vorsorgeeinrichtungen erstrecken soll.

3.2 Von entscheidender Bedeutung ist, dass sowohl der Begriff des massgebenden
Lohnes gemäss Art. 5 Abs. 2 AHVG (BGE 133 V 556 E. 4 S. 558, 131 V 444 E. 1.1
S. 446) als auch Art. 7 lit. q AHVV unmissverständlich an das Arbeitsverhältnis
anknüpfen. Art. 7 lit. q AHVV spricht gar ausdrücklich von Leistungen des
Arbeitgebers. Davon, dass Art. 7 lit. q und 8ter AHVV Leistungen des
Arbeitgebers betreffen, ging im Übrigen auch das BSV in seinen Erläuterungen zu
diesen neu gefassten Bestimmungen bei deren Inkrafttreten am 1. Januar 2001 aus
(AHI 2000 S. 254 f.). Somit lassen weder der Gesetzeswortlaut noch der
Verordnungstext Raum für die Annahme, beitragspflichtige Entgelte aus
unselbstständiger Erwerbstätigkeit lägen auch vor, wenn sie nicht von der
Arbeitgeberfirma, sondern von einer Drittperson, namentlich einer vom
Arbeitgeber zu unterscheidenden Vorsorgeeinrichtung, selbst in Gestalt eines
patronalen Wohlfahrtsfonds, erbracht werden.

3.3 Zu prüfen bleibt, ob die Beitragspflicht entsprechend den Vorbringen des
BSV aufgrund von Art. 6 Abs. 2 lit. h AHVV zu bejahen ist. Nach dieser
Verordnungsbestimmung gehören reglementarische Leistungen von Einrichtungen der
beruflichen Vorsorge nicht zum Erwerbseinkommen, wenn der Begünstigte bei
Eintritt des Vorsorgefalles die Leistungen persönlich beanspruchen kann. Eine
Beitragspflicht gestützt auf diese Bestimmung fällt im vorliegenden Fall selbst
dann ausser Betracht, wenn davon auszugehen wäre, dass zufolge der Rechtsnatur
der Wohlfahrtseinrichtung Z.________, die als patronaler Wohlfahrtsfonds
Leistungen ohne festen Plan nach Ermessen der Stiftungsverwaltung in besonderen
Fällen erbringt (BGE 117 V 214 E. 1b S. 216 f.), die Voraussetzung der
reglementarischen Leistungen nicht gegeben wäre. Wie es sich damit verhält,
braucht jedoch nicht abschliessend beurteilt zu werden. Denn die Tatsache, dass
Art. 6 Abs. 2 lit. h AHVV reglementarische Leistungen von
Vorsorgeeinrichtungen, die der Begünstigte bei Eintritt des Vorsorgefalles
persönlich beanspruchen kann, wozu namentlich Renten aus der obligatorischen
und der weitergehenden beruflichen Vorsorge zu zählen sind, vom Begriff des
Erwerbseinkommens ausnimmt, ist eine Selbstverständlichkeit und bedeutet nicht,
dass umgekehrt alle Leistungen einer Vorsorgeeinrichtung, eines Wohlfahrtsfonds
oder einer anderen vorsorgeähnlichen Einrichtung, die nicht unter Art. 6 Abs. 2
lit. h AHVV fallen, auch ohne entsprechende gesetzliche Grundlage als
massgebender Lohn der Beitragspflicht unterliegen, wie das BSV offenbar
annimmt. Eine rechtsgenügliche Grundlage für die Erfassung derartiger Zahlungen
als massgebender Lohn kann nicht mittels eines Umkehrschlusses gefunden werden,
sondern bedürfte einer positivrechtlichen gesetzlichen Regelung.

4.
Dem unterliegenden BSV sind gestützt auf Art. 66 Abs. 4 BGG keine
Gerichtskosten aufzuerlegen. Hingegen hat es der obsiegenden Beschwerdegegnerin
eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Das Bundesamt für Sozialversicherungen hat die Beschwerdegegnerin für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2500.- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 21. Oktober 2008
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Widmer