Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 388/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_388/2008

Urteil vom 29. September 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Kernen,
Gerichtsschreiber Ettlin.

Parteien
H.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch B.________,

gegen

Winterthur-Columna Stiftung für die berufliche Vorsorge Winterthur, Paulstrasse
9, 8400 Winterthur,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn
vom 31. März 2008.

Sachverhalt:

A.
Der 1955 geborene H.________, zuerst selbstständiger Reiseberater, dann als
Geschäftsführer des eigenen Reiseunternehmens tätig, erlitt am 3. April 1992
einen Hirninfarkt. Am 12. April 2001 meldete er sich wegen dessen Folgen zum
Leistungsbezug bei der Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle des Kantons
Solothurn stellte einen Invaliditätsgrad von 60% seit 3. April 1993 fest und
sprach H.________ mit Verfügung vom 28. März 2002 zufolge verspäteter Anmeldung
ab 1. April 2000 eine halbe Invalidenrente zu. Mit Wirkung ab 1. Juni 2002
verfügte sie auf der Basis eines Invaliditätsgrades von 80% eine ganze
Invalidenrente (Verfügung vom 6. November 2002).

Gemäss Schreiben vom 18. November 2005 sowie gestützt auf das Urteil des Eidg.
Versicherungsgerichtes vom 6. Juni 2005 (B 2/04) sprach die Winterthur-Columna
Stiftung für die berufliche Vorsorge, Winterthur (nachfolgend: Columna),
H.________ ab 13. Februar 2003 eine Rente aus beruflicher Vorsorge bei einem
Invaliditätsgrad von 100% zu. Der Leistungsbemessung legte die Columna als
massgebenden versicherbaren Lohn den Betrag von Fr. 60'000.- zugrunde und
lehnte es ab, die Rentenleistungen entsprechend dem am 20. Februar 2001 ihr vom
Arbeitgeber gemeldeten Jahreslohn für 2001 von Fr. 120'000.- festzusetzen.

B.
H.________ erhob am 17. Januar 2006 Klage gegen die Columna mit dem Antrag, es
sei ihm eine jährliche Invalidenrente in der Höhe von Fr. 60'000.-
zuzusprechen. Er machte geltend, der Rentenbemessung sei ein versicherter Lohn
von Fr. 120'000.- zugrunde zu legen. Das Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn wies die Klage ab (Entscheid vom 31. März 2008).

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt H.________
beantragen, es sei die Columna, unter Aufhebung des vorinstanzlichen
Entscheides, zu verpflichten, eine jährliche Invalidenrente von Fr. 60'000.-
"ab wann rechtens", zuzüglich Verzugszinsen von 5%, auszuzahlen.

Die Columna schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichtet auf eine Stellungnahme.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG)
kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG).
Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Artikel 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des
Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt
seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Es
kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen
oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG).

2.
Die Vorinstanz hat die reglementarische Bestimmung zur Bemessung der
Mindestinvalidenrente bei Vollinvalidität nach Massgabe von Altersguthaben und
Umwandlungssatz richtig dargelegt (Ziffer 21.3 des Reglements). Korrekt kann
dem angefochtenen Entscheid entnommen werden, wie sich das Altersguthaben
zusammensetzt und nach welchen Grundsätzen der versicherte Lohn bei Eintritt
der Vollinvalidität zu ermitteln ist (Ziffern 14.1 und 17 des Reglements).
Darauf kann verwiesen werden. Zu ergänzen ist, dass gemäss Ziffer 21.3 des
Reglements die jährliche Vollinvalidenrente im Vorsorgeplan festgelegt ist. Der
Vorsorgeplan vom 26. Februar 2001 sieht vor, dass die Invalidenrente mindestens
50% des versicherten Lohnes (AHV-pflichtiger Lohn) beträgt.

3.
3.1 Streitig ist einzig die Höhe des versicherten Verdienstes. Im Bereich der
weitergehenden beruflichen Vorsorge werden die Rechtsbeziehungen zwischen
versichertem Arbeitnehmer und privater Vorsorgeeinrichtung durch den
Vorsorgevertrag geregelt (BGE 134 V 223 E. 3.1 S. 227; Hans-Ulrich Stauffer,
Berufliche Vorsorge, Zürich 2005, N. 321). Reglement oder Statuten stellen den
vorformulierten Inhalt des Vorsorgevertrages dar, vergleichbar Allgemeinen
Vertrags- oder Versicherungsbedingungen, denen sich der Versicherte in der
Regel konkludent, durch Antritt des Arbeitsverhältnisses und unwidersprochen
gebliebener Entgegennahme von Versicherungsausweis und Vorsorgereglement,
unterzieht (BGE 132 V 149 E. 5 S. 150, 129 V 147 E. 3.1 mit Hinweisen; Isabelle
Vetter-Schreiber, Berufliche Vorsorge, Zürich 2005, S. 156). Die
Vertragsparteien sind an den durch Statuten und Reglement vorgegebenen
Vertragsinhalt gebunden, zumal auch im Bereich der weiter gehenden beruflichen
Vorsorge die Grundsätze der Gleichbehandlung der Destinatäre, der
Angemessenheit, Kollektivität und Planmässigkeit gelten (BGE 132 V 149 E. 5.2.5
S. 154; Hans-Ulrich Stauffer, a.a.O., N. 324). Zudem sind auch im Rahmen der
erweiterten beruflichen Vorsorge Vertragsvereinbarungen nur im Rahmen der
zwingend zu beachtenden gesetzlichen Bestimmungen zulässig; so sieht Art. 49
Abs. 2 Ziffer 1 BVG vor, dass die Vorschriften über die Definition und
Grundsätze der beruflichen Vorsorge sowie des versicherbaren Lohnes oder des
versicherbaren Einkommens auch im überobligatorischen Bereich gelten.

3.2 Der Beschwerdeführer trägt vor, für das Jahr 2001 mit der Columna einen
Jahreslohn von Fr. 120'000.- vereinbart zu haben. Auf dieser Grundlage sei ein
angepasster Versicherungsausweis ausgestellt worden. Die vertragliche
Vereinbarung sei von der Columna einzuhalten; denn diese habe die Möglichkeit
gehabt, im Rahmen der Geltendmachung der Anzeigepflichtverletzung nach Art. 6
VVG vom Vertrag zurückzutreten.

4.
4.1 Der Versicherte war als unselbständig Erwerbender im Zeitpunkt des
Eintritts des Versicherungsfalles der Invalidität bei der Columna
berufsvorsorgeversichert (vgl. Urteil B 2/04 vom 6. Juni 2005 E. 2.2). Die Höhe
des versicherten Verdienstes richtet sich bei unselbständig Erwerbenden im
Rahmen der obligatorischen beruflichen Vorsorge nach dem Gesetz (Art. 8 Abs. 1
BVG in Verbindung mit Art. 7 Abs. 2 BVG) und entspricht dem massgebenden Lohn
im Sinne des AHVG, abzüglich den Koordinationsabzug (Art. 7 Abs. 2 BVG; SVR
2007 BVG Nr. 43 S. 154). Im hier zu beurteilenden Vorsorgeverhältnis definiert
Ziffer 13 des Reglements - in Verbindung mit dem Vorsorgeplan vom 26. Februar
2001 - den nach AHVG massgebenden Lohn als versicherten Lohn. Ziffer 12.1 Satz
1 des Reglements sieht zudem vor, dass als Jahreslohn der letztbekannte
AHV-Lohn unter Berücksichtigung der für das laufende Jahr bereits vereinbarten
Änderungen gelte. Gemäss Ziffer 12.2 wird der Jahreslohn durch den Arbeitgeber
festgelegt und der Stiftung jeweils per 1. Januar bzw. bei der Aufnahme
gemeldet.
Nach der Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts zur Ermittlung des
versicherten Verdienstes in der Arbeitslosenversicherung, wo Art. 23 Abs. 1
AVIG (ebenfalls) auf den im Sinne der AHV-Gesetzgebung massgebenden Lohn
verweist, kann nicht unbesehen auf den vertraglich vereinbarten Lohn abgestellt
werden, weshalb grundsätzlich von den tatsächlichen Lohnbezügen und nicht von
(höheren) vertraglichen Abmachungen auszugehen ist (BGE 129 V 189 E. 3a/aa S.
190, SVR 2007 BVG Nr. 43 S. 154). Von dieser Regelung abzuweichen rechtfertigt
sich nur dort, wo ein Missbrauch im Sinne der Vereinbarung fiktiver Löhne,
welche in Wirklichkeit nicht zur Auszahlung gelangt sind, praktisch
ausgeschlossen werden kann (BGE 128 V 189 E. 3 a/aa S. 190). So kann namentlich
auf den vertraglich festgesetzten Lohn abgestellt werden, wenn dieser in einem
langdauernden Arbeitsverhältnis nie bestritten war. Ob subjektiv die Absicht
einer Gesetzesumgehung bestand oder zumindest eine solche in Kauf genommen
wurde, ist nicht von Bedeutung. Entscheidend ist die unter objektivem
Gesichtswinkel zu bejahende Missbrauchsgefahr (Urteil des Eidg.
Versicherungsgerichts C 161/04 vom 29. Juli 2005 E. 3.1). Der versicherten
Person obliegt die Beweislast dafür, dass die Löhne tatsächlich bezahlt worden
sind (Urteil C 5/06 vom 28. März 2006 E. 2 und 3). Diese Grundsätze können
analog auch für die Bestimmung des versicherten Lohnes im Rahmen der
beruflichen Vorsorge herangezogen werden, insoweit es auch dort nicht angehen
kann, dass fiktive Löhne versichert werden (SVR 2007 BVG Nr. 43 S. 154; Urteil
des Eidg. Versicherungsgerichts B 11/01 vom 4. April 2002 E. 4).

4.2 Die Vorinstanz stellte fest, ein Einkommen von Fr. 120'000.- für das Jahr
2001 sei nicht mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit erstellt
und eine Lohnerhöhung innert Jahresfrist von Fr. 60'000.- auf Fr. 120'000.- sei
nicht erwiesen. Ein Einkommen in dieser Höhe sei weder mit der AHV abgerechnet
worden, noch lägen Belege einer Auszahlung vor. Dem entgegnet der
Beschwerdeführer, es müsse nicht bewiesen werden, ob der Lohn in der genannten
Höhe bezogen worden sei, vielmehr sei bloss die Vereinbarung eines höheren
Lohnes glaubhaft zu machen.
4.2.1 Ob das kantonale Gericht das Beweisthema korrekt bestimmt hat, ist als
Rechtsfrage vom Bundesgericht frei zu überprüfen (Art. 95 lit. a BGG). Mit
Blick auf die Rechtsprechung, wonach zur Ermittlung des versicherten
Verdienstes nicht der vertraglich vereinbarte, hingegen der tatsächlich
ausbezahlte Lohn massgeblich ist, kann der Ansicht des Beschwerdeführers nicht
gefolgt werden, die Auszahlung eines höheren Lohnes sei nicht zu beweisen,
hingegen bloss die vertragliche Abmachung eines höheren Lohnes glaubhaft zu
machen. Die Vereinbarung eines Lohnes, der nie zur Ausrichtung gelangt ist,
vermag keinen verbesserten Versicherungsschutz zu begründen, auch wenn der
Nachweis der vertraglichen Vereinbarung gelänge, es sei denn, die Bezugnahme
auf den tatsächlich geleisteten Lohn entfalle, weil ein Missbrauch im Sinne der
Vereinbarung fiktiver Löhne praktisch ausgeschlossen werden kann (E. 4.1
hievor). Allerdings wäre diesfalls die vertragliche Vereinbarung eines höheren
Lohnes über den Beweisgrad der Glaubhaftmachung hinaus nachzuweisen.
4.2.2 Unter Berücksichtigung der für das Bundesgericht verbindlich getroffenen
Feststellungen der Vorinstanz (Art. 105 Abs. 1 BGG) kann objektiv die
Missbrauchsgefahr gerade nicht ausgeschlossen werden. Die Vorinstanz legte die
Umstände dar, welche sie zum Ergebnis führten, das Verhalten des
Beschwerdeführers lasse nur den Schluss zu, dass es ihm mit der Anmeldung eines
im Vergleich zum Vorjahr doppelt so hohen Lohnes darum gegangen sei, sich für
die drohende Invalidität, unabhängig vom tatsächlichen Lohn, möglichst hohe
Leistungen zu sichern. Bei dieser Sachlage prüfte das kantonale Gericht
korrekt, ob die Auszahlung des behaupteten Lohnes bewiesen sei. Will der
Versicherte einen höheren versicherten Verdienst durchsetzen, so hat er dessen
Erhalt zu beweisen und die Vereinbarung eines höheren Lohnes allein genügt
nicht (E. 4.1 hievor). Indem er es jedoch ausdrücklich ablehnt, den Nachweis
für die Auszahlung eines Monatslohnes zu erbringen, welcher einem Jahreslohn
von Fr. 120'000.- entspricht, bleibt es bei der vorinstanzlichen Feststellung,
wonach es sich beim Betrag von Fr. 120'000.- um eine fiktive Lohnsumme handelt.
Es braucht daher der Frage nicht nachgegangen zu werden, ob dem gemeldeten Lohn
von Fr. 120'000.- eine Lohnvereinbarung zugrunde liegt.
4.2.3 Dem steht der Wortlaut von Ziffer 12.1 des Reglements nicht entgegen,
welcher für die Berücksichtigung eines geänderten Jahreslohnes lediglich von
der "vereinbarten Änderung" spricht und keinen Bezug auf tatsächlich
ausbezahlte Löhne nimmt. Die vereinbarte Lohnänderung kann sich bloss auf den
in der Bestimmung ebenfalls erwähnten AHV-Lohn beziehen, womit das der
AHV-Beitragspflicht unterliegende Entgelt gemeint ist. Indes ist ein im Rahmen
einer unselbständigen Tätigkeit erzieltes Einkommen nur dann beitragspflichtig,
wenn es (abgesehen von hier nicht interessierenden Ausnahmen; vgl. bspw. Art. 7
AHVG) tatsächlich zur Auszahlung gelangt (Art. 14 Abs. 1 AHVG, Art. 6 Abs. 1
AHVV).

5.
Das kantonale Gericht verneinte rechtskonform die Bezahlung eines im Vergleich
zum Vorjahr doppelt so hohen Jahreslohnes im Sinne der Ziffer 12.1 des
Reglements durch den Arbeitgeber (vgl. SVR 2007 BVG Nr. 43 S. 154). Sodann
bestätigte das Gericht korrekt die Rentenberechnung auf der Basis des
Jahreslohnes von Fr. 60'000.- als mit Bundesrecht in Einklang stehend.

6.
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem unterliegenden
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 65 Abs. 4 lit. a, Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine
Parteientschädigung wird nicht zugesprochen (BGE 128 V 124 E. 5b S. 133 f.;
Urteil 2A.576/2002 vom 4. November 2003 E. 5).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 29. September 2008

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Ettlin