Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 385/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_385/2008

Urteil vom 7. Juli 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiber Nussbaumer.

Parteien
J.________, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Urs Rechsteiner, Feldeggstrasse 55, 8008
Zürich,

gegen

PK-SBV Pensionskasse Schweizerischer Baumeisterverband, Sumatrastrasse 15,
8006 Zürich, Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 27. März 2008.

Sachverhalt:

A.
J.________ war seit 3. April 1988 mit V.________ verheiratet, der als
Arbeitnehmer der X.________ AG bei der PK-SBV Pensionskasse Schweizerischer
Baumeisterverband vorsorgeversichert war. Am 7. Oktober 2003 reichte sie gegen
ihren Ehemann beim Bezirksgericht die Scheidungsklage ein. Am 27. Januar 2004
fand die Hauptverhandlung statt. Mit Urteil vom 3. März 2005 sprach das
Gemeindegericht in Y.________, Republik Serbien, die Scheidung aus und regelte
das Sorgerecht über den noch minderjährigen Sohn (geboren 1988). Mit Eingabe
vom 7. September 2005 beantragte J.________ beim Bezirksgericht, die
Rechtsbegehren ihrer Scheidungsklage in Bezug auf den Unterhaltsbeitrag, die
Teilung der Austrittsleistung der Vorsorgeeinrichtung und die Abgeltung der
güterrechtlichen Ansprüche seien im Sinne einer Ergänzungsklage zu entscheiden.
Am 2. Januar 2006 verstarb V.________. Daraufhin schrieb das Bezirksgericht das
Scheidungsverfahren mit Verfügung vom 16. Februar 2006 als gegenstandslos ab.

B.
Am 10. Januar 2007 leitete J.________ Klage gegen die Pensionskasse
Schweizerischer Baumeisterverband ein mit dem Antrag, diese sei zu
verpflichten, ihr die Hälfte der nach dem Freizügigkeitsgesetz für die Ehedauer
zu ermittelnden Austrittsleistung ihres früheren Ehemannes abzüglich der Hälfte
der während der Ehe geäufneten eigenen Austrittsleistung auf ihr
Freizügigkeitskonto zu überweisen. Mit Entscheid vom 27. März 2008 trat das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich auf die Klage nicht ein.

C.
J.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, in Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei die Sache an die
Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Pensionskasse Schweizerischer Baumeisterverband verweist auf ihre
Klageantwort in erstinstanzlichen Verfahren. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen (BSV) schliesst auf Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 130 III 136
E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der
allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG),
grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel
nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).

2.
2.1 Gemäss Art. 122 Abs. 1 ZGB hat jeder Ehegatte Anspruch auf die Hälfte der
nach dem Freizügigkeitsgesetz vom 17. Dezember 1993 (FZG; SR 831.42) für die
Ehedauer zu ermittelnden Austrittsleistung des andern Ehegatten, wenn ein
Ehegatte oder beide Ehegatten einer Einrichtung der beruflichen Vorsorge
angehören und bei keinem Ehegatten ein Vorsorgefall eingetreten ist. Stehen den
Ehegatten gegenseitig Ansprüche zu, so ist nur der Differenzbetrag zu teilen
(Abs. 2).
Haben sich die Ehegatten über die Teilung der Austrittsleistungen sowie die Art
der Durchführung der Teilung nicht geeinigt, so entscheidet das
Scheidungsgericht über das Verhältnis, in welchem die Austrittsleistungen zu
teilen sind (Art. 142 Abs. 1 ZGB). Sobald der Entscheid über das
Teilungsverhältnis rechtskräftig ist, überweist das Gericht die Streitsache von
Amtes wegen dem nach dem FZG zuständigen Gericht (Abs. 2).

2.2 Angesichts dieser Zuständigkeitsordnung zwischen Scheidungsgericht und
Berufsvorsorgegericht ging die Vorinstanz zu Recht davon aus, dass die
Durchführung einer Teilung der Austrittsleistung nach Art. 122 ZGB einen
Entscheid des Scheidungsgerichts voraussetzt, in welchem dieses das Verhältnis
der Teilung der Austrittsleistungen festgelegt hat (Art. 142 Abs. 1 ZGB; vgl.
Art. 25a Abs. 1 FZG). Dies gilt auch im Zusammenhang mit einer im Ausland
ausgesprochenen Ehescheidung (BGE 130 III 336). Hat ein ausländisches
Scheidungsurteil, das - wie hier - in der Schweiz anerkennungsfähig und vor
Eintritt des Vorsorgefalles rechtskräftig geworden ist (BGE 132 III 401), zum
Vorsorgeausgleich nichts festgelegt, so ist dieser Anspruch durch eine
Ergänzungsklage vor dem zuständigen schweizerischen Scheidungsgericht geltend
zu machen (Art. 15 Abs. 1 und Art. 64 Abs. 1 IPRG; BGE 131 III 289 E. 2.3 S.
290; Urteil 5C.173/2001 vom 19. Oktober 2001; Urteil B 45/00 vom 2. Februar
2004).
2.3
2.3.1 Die Beschwerdeführerin anerkennt diese Rechtslage im Grundsatz. Sie ist
jedoch der Auffassung, die Ergänzungsklage sei nicht mehr möglich, nachdem der
frühere Ehemann gestorben sei. Das mit dem Ergänzungsbegehren angegangene
Scheidungsgericht habe dies mit Recht abgelehnt, hätte es doch sonst dem
Grundsatz der Höchstpersönlichkeit der Scheidung widersprochen.
2.3.2 Höchstpersönlich ist die Scheidung im Scheidungspunkt. Anders verhält es
sich mit der Regelung des Vorsorgeausgleichs: Der Tod eines Ehegatten führt
hier nicht zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens, weil die
Vorsorgebedürfnisse beider Parteien bis zu ihrem Tod berücksichtigt werden
müssen (nicht publizierte E. 1.4 von BGE 131 III 1). Der Prozess ist allenfalls
mit den Erben weiterzuführen (vgl. E. 1.1 von BGE 131 III 1). Daraus folgt,
dass das Scheidungsgericht zu Unrecht das Verfahren in Bezug auf die
Vorsorgebegehren der Beschwerdeführerin mit Verfügung vom 16. Februar 2006 als
gegenstandslos abgeschrieben hat.
2.3.3 Der Abschreibungsbeschluss des Bezirksgerichts vom 16. Februar 2006 ist
zwar formell rechtskräftig geworden. Indessen entfalten Abschreibungsbeschlüsse
infolge Gegenstandslosigkeit keine materielle Rechtskraft hinsichtlich des
materiellrechtlichen Anspruchs, jedenfalls sofern sie nicht - was hier nicht
der Fall ist - auf Erfüllung während des Prozesses beruhen (Frank/Sträuli/
Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl., Zürich
1997, § 188 N 11a, § 191 N 18; Leuch/Marbach/Kellerhals/Sterchi, Die
Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 5. Aufl. Bern 2000, Art. 206 N 3.a;
Berger/Güngerich, Zivilprozessrecht, Bern 2008, S. 255 Rz. 884; Staehelin/
Staehelin/Grolimund, Zivilprozessrecht, Zürich 2008, S. 413 Rz. 10). Der
Abschreibungsbeschluss hindert somit nicht, dass die Beschwerdeführerin beim
örtlich zuständigen Scheidungsgericht gegen die Erben ihres ehemaligen
Ehemannes in der Form eines Ergänzungsurteils zum Scheidungsurteil einen
Teilungsentscheid im Sinne von Art. 122 und Art. 142 Abs. 1 ZGB erwirkt;
gestützt darauf kann in der Folge die Teilung durchgeführt werden. Es besteht
daher kein Anlass, lückenfüllend eine Zuständigkeit des
Sozialversicherungsgerichts zur Festlegung des Teilungsschlüssels anzunehmen.

3.
Die unterliegende Beschwerdeführerin trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1
BGG). Der Beschwerdegegnerin steht als Vorsorgeeinrichtung in einem
Leistungsstreit keine Parteientschädigung zu (Art. 68 Abs. 3 BGG; BGE 128 V 124
E. 5b S. 133 f., 126 V 143 E. 4a 150).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 7. Juli 2008

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Nussbaumer