Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 354/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_354/2008

Urteil vom 21. Januar 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Borella, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Kernen, Seiler,
Gerichtsschreiber Traub.

Parteien
L.________, Deutschland, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt G.________,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid
des Bundesverwaltungsgerichts
vom 13. Dezember 2007.

Sachverhalt:

A.
A.a L.________ liess beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich eine
Beschwerde gegen einen Einspracheentscheid der IV-Stelle des Kantons Zürich vom
19. August 2005 erheben. Nach Kenntnisnahme des Wohnsitzes von L.________ in
Deutschland führte das kantonale Gericht im Hinblick auf die Frage der
örtlichen Zuständigkeit einen Schriftenwechsel durch und trat auf die
Beschwerde nicht ein (Beschluss vom 25. April 2007). Nach Eintritt der
Rechtskraft des Beschlusses überwies das kantonale Gericht die Akten am 19.
Juli 2007 zuständigkeitshalber an das Bundesverwaltungsgericht. Dieses trat mit
Entscheid vom 13. Dezember 2007 seinerseits auf die Beschwerde nicht ein mit
der Begründung, im massgebenden Zeitpunkt der Überweisung sei die Zuständigkeit
des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich zur Beurteilung des hängigen
Verfahrens aufgrund von Art. 69 Abs. 1 lit. a IVG gegeben gewesen.
A.b Das Urteil wurde am 14. Dezember 2007 mit Gerichtsurkunde dem damaligen
Rechtsvertreter zugestellt, von diesem jedoch nicht in Empfang genommen. Der am
20. Februar 2008 bevollmächtigte neue Rechtsvertreter ersuchte mit Schreiben
vom 20. März 2008 beim Bundesverwaltungsgericht um Einsichtnahme in die
Prozessakten. Diese gingen am 1. April 2008 beim neuen Rechtsvertreter ein.

B.
Mit Eingabe vom 25. April 2008 (Datum des Poststempels) lässt L.________ gegen
den Nichteintretensentscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Dezember
2007 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Gesuch
um Wiederherstellung der Beschwerdefrist. In der Sache selbst liess er
beantragen, das Verfahren sei, nach Aufhebung des angefochtenen Entscheids, zur
materiellen Behandlung an das Bundesverwaltungsgericht zurückzuweisen.
Eventuell sei das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich anzuweisen, den
Beschluss vom 25. April 2007 aufzuheben und über die Beschwerde materiell zu
entscheiden.
Das Bundesverwaltungsgericht, die IV-Stelle des Kantons Zürich sowie das
Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde gegen den Nichteintretensentscheid des Bundesverwaltungsgerichts
vom 13. Dezember 2007 kann nur an die Hand genommen und die Frage der örtlichen
Zuständigkeit beurteilt werden, sofern der angefochtene Entscheid nicht durch
Ablauf der gesetzlichen Rechtsmittelfrist rechtskräftig geworden respektive
dieser Rechtszustand nicht durch Wiederherstellung der Frist zu beseitigen ist.

1.1 Die Beschwerdefrist gemäss Art. 100 Abs. 1 BGG ist am 1. Februar 2008
abgelaufen (30 Tage nach Ende des Fristenstillstandes gemäss Art. 46 Abs. 1
lit. c BGG), nachdem die Abholfrist (erster erfolgloser Zustellungsversuch im
Sinne von Art. 44 Abs. 2 BGG am 17. Dezember 2007) am 24. Dezember 2007 geendet
hatte (Zustellfiktion; vgl. Amstutz/Arnold, in: Basler Kommentar zum BGG, 2008,
N 35 zu Art. 44). Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
wurde am 25. April 2008 - und somit grundsätzlich verspätet - eingereicht.
Allerdings wird nach Art. 50 BGG (in Fällen von - wie hier der Fall - nicht
mangelhafter Eröffnung) die Frist wiederhergestellt, wenn eine Partei oder ihr
Vertreter unverschuldeterweise abgehalten worden ist, fristgerecht zu handeln,
sofern die Partei unter Angabe des Grundes innert 30 Tagen nach Wegfall des
Hindernisses darum ersucht und die versäumte Rechtshandlung nachholt.

1.2 Der Gesuchsteller macht ein Hindernis im Sinne von Art. 50 BGG geltend: Der
frühere Rechtsvertreter sei infolge schwerer Erkrankung nicht in der Lage
gewesen, das Urteil in Empfang zu nehmen. Er, der Gesuchsteller, bzw. sein
neuer Rechtsvertreter, habe erst am 1. April 2008 vom Urteil Kenntnis erhalten.
Fraglich und zu prüfen ist, ob die Erkrankung und Hospitalisation des früheren
Rechtsvertreters einen Wiederherstellungsgrund bildet. Ein Krankheitszustand
ist ein unverschuldetes, zur Wiederherstellung führendes Hindernis, wenn und
solange er jegliches auf die Fristwahrung gerichtetes Handeln verunmöglicht
(Urteil 6S.54/2006 vom 2. November 2006 E. 2.2.1 [in Anwendung des früheren,
soweit hier von Interesse gleichlautenden Art. 35 OG]; BGE 119 II 86; 112 V
255). Bei einer Hospitalisierung des Rechtsvertreters endet eine unverschuldete
Verhinderung und beginnt die Wiederherstellungsfrist von 30 Tagen (Art. 50 Abs.
1 BGG), sobald der Anwalt in die Lage kommt, entweder die versäumte
Prozesshandlung selbst nachzuholen oder damit einen geeigneten Substituten zu
beauftragen oder aber den Klienten auf die Notwendigkeit der Fristeinhaltung
aufmerksam zu machen (BGE 119 II 86; Urteil 2P.257/1999 vom 29. November 1999
E. 2e).
Nach einem ärztlichen Zeugnis des Spitals X.________ vom 3. Dezember 2007 war
der zunächst dort hospitalisierte frühere Rechtsvertreter vom 7. November bis
zum 4. Dezember 2007 vollständig arbeitsunfähig. Laut Attest der
Psychiatrischen Klinik Y.________ vom 6. Februar 2008, wo er seit dem 12.
Dezember 2007 in stationärer Behandlung war, verlängerte sich die
Arbeitsunfähigkeit von 100 Prozent bis zum 29. Februar 2008. Die
Arbeitsunfähigkeit wurde weder dem Bundesverwaltungsgericht, bei welchem die
strittige Angelegenheit hängig war, noch dem betroffenen Versicherten
mitgeteilt. Auch stellte der frühere Rechtsbeistand keine
Substitutionsvollmacht aus. Aus den Akten des bundesgerichtlichen Verfahrens
unter den gleichen Parteien (8C_372/2007; Urteil vom 28. Januar 2008) geht
hervor, dass sich der frühere Rechtsvertreter jedenfalls noch im Sommer 2007 in
einer Bürogemeinschaft befunden hat; ausserdem war er offenbar in der Lage, am
7. Februar 2008 das bundesgerichtliche Urteil vom 28. Januar 2008
entgegenzunehmen. Es ist nicht erkennbar, dass die Erkrankung, wenngleich sie
zu stationärer Hospitalisation und vollständiger Arbeitsunfähigkeit führte, die
nötigen Schritte während längerer Zeit objektiv oder subjektiv verunmöglicht
hätte (vgl. vorerwähntes Urteil 6S.54/2006 E. 2.2.1). Für entsprechende
Vorkehrungen bestand genügend Zeit, da der Hinderungsgrund nicht erst in einer
späten Phase der Rechtsmittelfrist eintrat (vgl. BGE 112 V 255 S. 256 unten).

1.3 Hinzu kommt Folgendes: Selbst wenn der krankheitsbedingte Ausfall des
früheren Rechtsvertreters - entgegen dem soeben Gesagten - als unverschuldetes
Hindernis anerkannt werden müsste, wäre dieses mit der Bevollmächtigung des
neuen Rechtsvertreters am 20. Februar 2008 weggefallen. Ab diesem Zeitpunkt
hätte die 30-tägige Frist gemäss Art. 50 Abs. 1 BGG zu laufen begonnen. Erfuhr
der neue Vertreter erst am 1. April 2008, dass das Bundesverwaltungsgericht
bereits ein Urteil gefällt hatte, so ist diese Verspätung darauf
zurückzuführen, dass er nach der Bevollmächtigung einen Monat zuwartete, bis er
am 20. März 2008 beim Bundesverwaltungsgericht Akteneinsicht verlangte. Unter
diesen Umständen wäre die Beschwerdeeingabe vom 25. April 2008 zufolge
vorherigen Ablaufs der Wiederherstellungsfrist ebenso verspätet erfolgt.

2.
Da die Voraussetzungen für eine Wiederherstellung der Beschwerdefrist nicht
gegeben sind, ist der angefochtene Entscheid rechtskräftig geworden, bevor die
Beschwerdeschrift am 25. April 2008 der Post übergeben worden ist. Das
Bundesgericht kann daher nicht über die Frage der örtlichen Zuständigkeit
befinden.

3.
Bei diesem Verfahrensausgang trägt der unterliegende Gesuchsteller und
Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Das Gesuch um Wiederherstellung der Beschwerdefrist wird abgewiesen.

2.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Gesuchsteller und Beschwerdeführer
auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesamt
für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 21. Januar 2009
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber:

Borella Traub