Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 341/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_341/2008

Urteil vom 23. September 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

Parteien
M.________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Häfliger,
Schwanenplatz 7, 6000 Luzern,

gegen

IV-Stelle Nidwalden, Stansstaderstrasse 54, 6371 Stans,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Nidwalden
vom 12. März 2007.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 12. Juni 2002 sprach die IV-Stellen Nidwalden der 1964
geborenen M.________ ab 1. Juni 2001 bei einem Invaliditätsgrad von 78 % eine
ganze Invalidenrente zu. Im Verlaufe eines Anfang 2005 eingeleiteten
Revisionsverfahrens veranlasste die IV-Stelle eine Haushaltabklärung und holte
ein Gutachten des Psychiaters Dr. med. G.________ vom 20. Februar 2006 ein.
Gestützt auf diese Unterlagen sowie eine interne Stellungnahme des Dr. med.
B.________, Regionalärztlicher Dienst (RAD), vom 3. März 2006 hob die IV-Stelle
die bisher ausgerichtete ganze Invalidenrente am 30. März 2006 zufolge
Verbesserung des Gesundheitszustandes auf Ende des der Zustellung der Verfügung
folgenden Monats revisionsweise auf. Hieran hielt sie auf Einsprache hin mit
Entscheid vom 31. Juli 2006 fest.

B.
Die hiegegen eingereichte Beschwerde, mit welcher M.________ zur Hauptsache
beantragen liess, unter Aufhebung des Einspracheentscheides sei ihr ab 1. Mai
2006 weiterhin eine ganze Invalidenrente zuzusprechen, wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden mit Entscheid vom 12. März 2007 ab.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt M.________ das
vorinstanzlich gestellte Rechtsbegehren erneuern.
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu
Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz den Einspracheentscheid vom 31.
Juli 2006 zu Recht bestätigt hat, mit welchem die IV-Stelle die der
Beschwerdeführerin seit 1. Juni 2001 ausgerichtete ganze Invalidenrente auf
Ende April 2006 aufgehoben hat. Während der ursprünglichen Rentenverfügung vom
12. Juni 2002 ein Invaliditätsgrad von 78 % zu Grunde lag, basiert die
Revisionsverfügung auf einem nach wie vor nach der gemischten Methode mit
Anteilen von 60 % Erwerbstätigkeit und 40 % Arbeit im Haushalt ermittelten
Invaliditätsgrad von 4 %.

3.
3.1 Die Vorinstanz geht davon aus, dass die Beschwerdeführerin an einer
somatoformen Schmerzstörung leide, was denn auch von der Versicherten
letztinstanzlich nicht in Zweifel gezogen wird. Mit Bezug auf die Kognition bei
der Beurteilung somatoformer Schmerzstörungen oder eines vergleichbaren
pathogenetisch unklaren syndromalen Zustandes gilt Folgendes: Das Bundesgericht
prüft mit eingeschränkter Kognition, ob eine anhaltende somatoforme
Schmerzstörung vorliegt und bejahendenfalls sodann, ob eine psychische
Komorbidität oder weitere Umstände gegeben sind, welche die Schmerzbewältigung
behindern. Als Rechtsfrage frei überprüfbar ist demgegenüber, ob eine
festgestellte Komorbidität hinreichend erheblich ist und ob einzelne oder
mehrere der festgestellten weiteren Kriterien in genügender Intensität und
Konstanz vorliegen, um gesamthaft den Schluss auf eine nicht mit zumutbarer
Willensanstrengung überwindbare Schmerzstörung und somit auf eine
invalidisierende Gesundheitsschädigung zu gestatten (Urteil I 683/06 vom 29.
August 2007 = SVR 2008 IV Nr. 23 S. 72 E. 2.2).

3.2 Das kantonale Gericht erblickt den Revisionsgrund in einer wesentlich
verbesserten gesundheitlichen Situation. Zu dieser Erkenntnis gelangte es
aufgrund der neuen Haushaltsabklärung sowie der von der Verwaltung beigezogenen
neuen Arztberichte, insbesondere des Gutachtens des Psychiaters Dr. med.
G.________ vom 20. Februar 2006, der eine leichte bis mittelgradige depressive
Symptomatik diagnostizierte. Dies veranlasste den Arzt des RAD zur
Feststellung, ein solches Leiden, in dessen Diagnose sich im Übrigen die
Besserung der psychischen Symptomatik widerspiegle, lasse die Ausübung einer
Erwerbstätigkeit im Umfang von 70 % zu. In Würdigung dieser, aber auch der im
Beschwerdeverfahren aufgelegten zusätzlichen medizinischen Akten stellte die
Vorinstanz fest, dass im Zeitraum seit Erlass der Rentenverfügung bis zum
Einspracheentscheid betreffend Rentenrevision eine erhebliche Verbesserung im
Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin eingetreten sei, welche die Aufhebung
der Invalidenrente rechtfertigt. Insbesondere bestehe kein sozialer Rückzug
mehr und die Versicherte habe die Inaktivität überwunden. Im Bereich Haushalt
habe eine markante Verbesserung festgestellt werden können. Im psychiatrischen
Gutachten, wie auch in der Haushaltsabklärung, sei die Verbesserung der
depressiven Symptomatik klar ersichtlich.

3.3 Die Beschwerdeführerin macht im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG geltend, die
Vorinstanz habe den rechtserheblichen Sachverhalt offensichtlich unrichtig
festgestellt. Namentlich habe sie den Bericht des Psychiaters Dr. med.
W.________ vom 9. Mai 2006 ignoriert, der eine schwere chronifizierte
Schmerzstörung und eine Komorbidität im Sinne einer depressiven Entwicklung von
schwerem Umfang diagnostizierte.
Am 17. Oktober 2006 äusserte sich der RAD zu diesem Bericht. Er führte unter
Bezugnahme auf die Rechtsprechung zur somatoformen Schmerzstörung, die Angaben
im Haushaltsbericht sowie das Gutachten des Dr. med. G.________ aus, die
Diagnose einer depressiven Entwicklung schweren Grades erscheine wenig
wahrscheinlich. Die Vorinstanz schloss sich dieser Auffassung ausdrücklich an.
Dass sie sich dabei u. a. auf die Stellungnahme des RAD stützte, bei der es
sich um einen internen Bericht (Art. 49 Abs. 3 IVV) handelt, der die
vorhandenen Befunde aus medizinischer Sicht würdigt, ist nicht zu beanstanden,
kann diesem doch nicht jegliche Aussen- oder Beweiswirkung abgesprochen werden.
Vielmehr handelt es sich bei diesen Stellungnahmen um entscheidrelevante
Aktenstücke (Urteil I 173/07 vom 14. September 2007). Hingegen hat das
kantonale Gericht der Tatsache zu wenig Rechnung getragen, dass RAD-Arzt Dr.
med. B.________ im Gegensatz zu den Dres. med. G.________ und W.________ die in
ihren Berichten zu unterschiedlichen Schlüssen hinsichtlich der Einschränkung
der Arbeitsfähigkeit gelangten, nicht Facharzt für Psychiatrie ist. Nachdem
bezüglich der Frage, ob im massgebenden Beurteilungszeitraum von Juni 2002 bis
Juli 2006 eine revisionserhebliche Änderung im Gesundheitszustand der
Versicherten eingetreten ist, namentlich die Entwicklung des psychischen
Leidens wichtig ist, durfte die Vorinstanz den Prozess angesichts der
divergierenden Angaben der beiden Psychiater und der fehlenden Fachkenntnisse
des RAD nicht abschliessen, ohne vorgängig zusätzliche medizinische
Untersuchungen zu veranlassen. Da sie dies unterlassen hat, liegt eine
unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts vor, die eine
Rechtsverletzung nach Art. 95 lit. a BGG darstellt. Das Bundesgericht ist
deshalb an die Ausführungen tatsächlicher Natur im angefochtenen Entscheid
nicht gebunden. Da weitere Abklärungen in medizinischer, namentlich in
psychiatrischer, Hinsicht unabdingbar sind, ist die Sache zur Vornahme der
entsprechenden Aktenergänzungen an die IV-Stelle zurückzuweisen. Diese wird
abklären, ob im massgeblichen Zeitraum eine erhebliche Besserung des
Gesundheitszustandes der Versicherten mit Auswirkungen auf die Arbeits- und
Erwerbsfähigkeit in ihrem häuslichen und erwerblichen Aufgabenbereich
eingetreten ist, welche eine Aufhebung oder Herabsetzung der seit 1. Juni 2001
laufenden ganzen Invalidenrente gemäss Art. 17 ATSG rechtfertigt.

4.
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden
IV-Stelle aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Diese hat der Beschwerdeführerin
überdies eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Nidwalden vom 12. März 2007 sowie der
Einspracheentscheid vom 31. Juli 2006 aufgehoben werden und die Sache an die
IV-Stelle des Kantons Nidwalden zurückgewiesen wird, damit sie, nach erfolgter
Abklärung im Sinne der Erwägungen, über den Rentenanspruch neu verfüge.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der IV-Stelle des Kantons Nidwalden
auferlegt.

3.
Die IV-Stelle des Kantons Nidwalden hat die Beschwerdeführerin für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2500.- zu entschädigen.

4.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen
Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden zurückgewiesen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden,
Abteilung Versicherungsgericht, der Ausgleichskasse Nidwalden und dem Bundesamt
für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 23. September 2008

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Widmer