Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 285/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_285/2008

Urteil vom 18. August 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Seiler,
Gerichtsschreiberin Dormann.

Parteien
C.________, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Bernhard Zollinger, Rämistrasse 5, 8001 Zürich,

gegen

IV-Stelle Schwyz, Rubiswilstrasse 8, 6438 Ibach, Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz vom
19. Februar 2008.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 17. Dezember 2002 sprach die IV-Stelle Schwyz der 1963
geborenen C.________ ab 1. Juli 2001 eine halbe Rente der Invalidenversicherung
zu. Das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz bestätigte mit Entscheid vom 26.
August 2003 die Rentenzusprache bei einem Invaliditätsgrad von 62 %. Die
dagegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde wies das Eidgenössische
Versicherungsgericht mit Urteil vom 24. Juni 2004 ab.

Im September 2004 leitete die Verwaltung von Amtes wegen ein Revisionsverfahren
ein, traf entsprechende Abklärungen und führte das Vorbescheidverfahren durch.
Mit Verfügung vom 22. August 2007 sprach sie C.________ ab 1. Januar 2004 eine
Dreiviertelrente zu und hob diese auf den 30. September 2007 auf mit der
Begründung, der Gesundheitszustand der Versicherten habe sich verbessert.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz
mit Entscheid vom 19. Februar 2008 ab.

C.
C.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, der Entscheid vom 19. Februar 2008 sei aufzuheben und ihr sei
eine ganze Rente zuzusprechen; eventualiter sei die Sache zur weiteren
medizinischen Abklärung zurückzuweisen; subeventualiter sei ein Obergutachten
einzuholen. Ferner lässt sie um unentgeltliche Rechtspflege ersuchen.

Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde, während das kantonale
Gericht und das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung
verzichten.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung
der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig
ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105
Abs. 2 BGG).

Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es
ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an
die Erwägungen der Vorinstanz gebunden. Es kann eine Beschwerde aus einem
anderen als dem angerufenen Grund gutheissen oder mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (Urteil 9C_294/
2007 vom 10. Oktober 2007 E. 2 mit Hinweis; vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S.
140).

2.
2.1 Ändert sich der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines
Rentenbezügers erheblich, so wird die Rente von Amtes wegen oder auf Gesuch hin
für die Zukunft entsprechend erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben (Art. 17 Abs.
1 ATSG). Anlass zur Rentenrevision gibt jede wesentliche Änderung in den
tatsächlichen Verhältnissen seit Zusprechung der Rente, die geeignet ist, den
Invaliditätsgrad und damit den Anspruch zu beeinflussen. Insbesondere ist die
Rente bei einer wesentlichen Änderung des Gesundheitszustandes oder der
erwerblichen Auswirkungen des an sich gleich gebliebenen Gesundheitszustandes
revidierbar (BGE 130 V 343 E. 3.5 S. 349 mit Hinweisen). Dagegen stellt die
blosse unterschiedliche Beurteilung der Auswirkungen eines im Wesentlichen
unverändert gebliebenen Gesundheitszustandes auf die Arbeitsfähigkeit für sich
allein genommen keinen Revisionsgrund im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG dar
(Urteil 9C_552/2007 vom 17. Januar 2008 E. 3.1.2 mit Hinweisen).

Zeitlicher Referenzpunkt für die Prüfung einer anspruchserheblichen Änderung
bildet die letzte (der versicherten Person eröffnete) rechtskräftige Verfügung,
welche auf einer materiellen Prüfung des Rentenanspruchs mit rechtskonformer
Sachverhaltsabklärung, Beweiswürdigung und (bei Anhaltspunkten für eine
Änderung in den erwerblichen Auswirkungen des Gesundheitszustands) Durchführung
eines Einkommensvergleichs beruht (BGE 133 V 108 E. 5.4 S. 114).

2.2 Innerhalb eines Jahres seit Inkrafttreten der 4. IV-Revision am 1. Januar
2004 waren einzig Renten, die auf einem Invaliditätsgrad von weniger als 40 %
beruhten sowie bestimmte ganze Renten voraussetzungslos einer Revision zu
unterziehen (lit. d Abs. 3 und lit. f der Schlussbestimmungen zur Änderung des
IVG vom 21. März 2003; vgl. auch Urteil 9C_552/2007 vom 17. Januar 2008 E.
3.2).

3.
3.1 Nach Auffassung der Vorinstanz ist in Würdigung aller seit 2. Februar 2001
erstatteten ärztlichen Berichte auf das von der IV-Stelle eingeholte
interdisziplinäre Gutachten der Dres. med. L.________ sowie U.________ und
O.________ vom 6. Februar 2007 (IV-Gutachten) abzustellen. Darauf gestützt habe
die Verwaltung zu Recht einen rentenausschliessenden Invaliditätsgrad von 32 %
angenommen. Im angefochtenen Entscheid gibt es jedoch keinerlei Ausführungen
zum Prozessthema der Rentenrevision und deren Voraussetzungen.

Der vorinstanzliche Entscheid verletzt in zweifacher Hinsicht Bundesrecht:
Einerseits verkennt das kantonale Gericht, dass die revisionsweise Anpassung
der Invalidenrente nach Art. 17 ATSG Tatsachenänderungen (insbesondere des
Gesundheitszustandes oder dessen erwerblicher Auswirkungen) im massgeblichen
Vergleichszeitraum voraussetzt (E. 2.1). Andererseits hat die Vorinstanz dazu
keinerlei Feststellungen getroffen, die für das Bundesgericht verbindlich wären
(E. 1). Der angefochtene Entscheid enthält eine Neubeurteilung der
invaliditätsmässigen Voraussetzungen, was indessen für eine revisionsweise
(Art. 17 Abs. 1 ATSG) Herabsetzung der Invalidenrente nicht genügt (vgl. Urteil
9C_114/2008 vom 30. April 2008 E. 2.1). Ausserdem liegt kein
übergangsrechtlicher Ausnahmetatbestand für eine voraussetzungslose
Rentenrevision (E. 2.2) vor. Hingegen hat die Vorinstanz zu Recht die
wiedererwägungsweise Anpassung der Rente (Art. 53 Abs. 2 ATSG) nicht geprüft,
eine solche ist nach materieller Beurteilung des Rentenanspruchs durch ein
Gericht nicht zulässig.

3.2 Die ursprüngliche Rentenzusprache erfolgte gestützt auf die diversen
Berichte der Klinik B.________ sowie denjenigen des sozialpsychiatrischen
Dienstes (SPD) vom 5. November 2001 (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I
644/03 vom 24. Juni 2004 E. 2.2). Für den revisionsrechtlich relevanten
Zeitraum vom 17. Dezember 2002 bis 22. August 2007 liegen mehrere medizinische
Berichte bei den Akten. Die Dres. med. S.________ und K.________ attestierten
in ihren Berichten vom 31. Juli 2006 resp. 6. November 2005 eine
Verschlechterung des Gesundheitszustandes, während der SPD im Bericht vom 13.
März 2006 eine seit Jahren "weitgehend stabile Symptomatik" feststellte und
Frau Dr. med. M.________ im Bericht vom 27. September 2004 den
Gesundheitszustand als stationär bezeichnete. Die übrigen Berichte enthalten
keine Beurteilung der Entwicklung des Gesundheitszustandes. Der regionale
ärztliche Dienst (RAD) ist der Auffassung, im IV-Gutachten sei eine
Verbesserung des Gesundheitszustandes seit Januar 2007 ausgewiesen; eine
entsprechende Begründung fehlt jedoch. In Bezug auf die Frage nach einer
Änderung der Befunde seit 2001 hielten die Dres. med. U.________ und O.________
im IV-Gutachten lediglich fest, ihre Feststellungen (leichte depressive
Episode, Symptomausweitung im Sinne von psychologischen Faktoren oder
Verhaltensfaktoren bei andernorts klassifizierten Krankheiten sowie eine
Akzentuierung der Persönlichkeit mit histrionischen Zügen) entsprächen einer
anderen diagnostischen Einschätzung als im psychiatrischen Gutachten des SPD
vom 5. Januar (recte: November) 2001. Eine andere diagnostische Beurteilung
weitgehend unveränderter Befunde und die daraus resultierende geringere
Arbeitsunfähigkeit bedeuten jedoch keine Veränderung des Gesundheitszustandes
(E. 2.1).

3.3 Angesichts der widersprüchlichen Aktenlage lassen sich die fehlenden
vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen nicht ergänzen (E. 1). Die Frage
nach einer wesentlichen Änderung des Gesundheitszustandes seit der
ursprünglichen Rentenzusprache am 17. Dezember 2002 ist aufgrund einer
medizinischen Beurteilung zu prüfen. Allenfalls sind andere Voraussetzungen
einer revisionsweisen Rentenanpassung (vgl. BGE 130 V 343 E. 3.5 S. 349)
abzuklären. Die Sache ist daher zur Ergänzung des Sachverhalts und zum
Neuentscheid an die Verwaltung zurückzuweisen.

4.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdegegnerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und der Beschwerdeführerin eine
Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG). Deren Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege ist demzufolge gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz vom 19. Februar 2008 und die Verfügung
der IV-Stelle Schwyz vom 22. August 2007 werden aufgehoben. Die Sache wird an
die IV-Stelle Schwyz zurückgewiesen, damit sie, nach erfolgter Abklärung im
Sinne der Erwägungen, über den Anspruch auf eine Rente der
Invalidenversicherung neu verfüge. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2500.- zu entschädigen.

4.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz
zurückgewiesen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, der
Ausgleichskasse des Kantons Schwyz und dem Bundesamt für Sozialversicherungen
schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 18. August 2008
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Meyer Dormann