Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 267/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_267/2008, 9C_318/2008

Urteil vom 10. Dezember 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Ursprung, Kernen, Seiler,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

Parteien
9C_267/2008
B.________, Beschwerdeführerin 1,
vertreten durch Rechtsanwalt Michael Sigerist, Inseliquai 8, 6005 Luzern,

gegen

M.________,
R.________,
Beschwerdegegner,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Viktor Estermann, Sempacherstrasse 6, 6003
Luzern,

und

9C_318/2008
PKG Pensionskasse für Gewerbe, Handel und Industrie, 6004 Luzern,
Beschwerdeführerin 2,
vertreten durch Rechtsanwalt Raetus Cattelan, Zinggentorstrasse 4, 6006 Luzern,

gegen

M.________,
R.________,
Beschwerdegegner,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Viktor Estermann, Sempacherstrasse 6, 6003
Luzern.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge,

Beschwerden gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern
vom 28. Februar 2008.

Sachverhalt:

A.
Der 1943 geborene, geschiedene Z.________ verstarb am 19. August 2004. Mit
Schreiben vom 30. August 2004 ersuchte die Providentia, Schweizerische
Lebensversicherungs-Gesellschaft (im Folgenden: Providentia), bei welcher
Z.________ berufsvorsorgeversichert gewesen war, dessen geschiedene Witwe
V.________ um Beibringung von Unterlagen zur Abklärung der
Leistungsberechtigung. Am 7. Februar 2005 teilte die Providentia V.________
mit, eine BVG-Witwenrente werde nicht fällig; die eventuelle
Anspruchsberechtigung der beiden Söhne des Z.________ werde abgeklärt. In der
Folge zahlte die PKG Pensionskasse, Luzern, als Rechtsnachfolgerin der
Providentia (im Folgenden: PKG), das Todesfallkapital des Z.________ an
B.________ aus, welche mit Z.________ seit dem Jahre 1989 im Konkubinat gelebt
hatte. Nach ausführlicher Korrespondenz mit V.________ sowie mit den anwaltlich
vertretenen Söhnen des Z.________, R.________ und M.________, hielt die PKG an
der Begünstigung von B.________ fest.

B.
M.________ und R.________ erhoben Klage beim Verwaltungsgericht des Kantons
Luzern und beantragten, die PKG sei zu verpflichten, ihnen das Todesfallkapital
ihres verstorbenen Vaters (nebst Zins) auszubezahlen. Das Verwaltungsgericht
lud B.________ zum Verfahren bei, hiess die Klage mit Entscheid vom 28. Februar
2008 gut und verpflichtete die PKG, M.________ und R.________ das
Todesfallkapital (nebst Zins) auszubezahlen.

C.
Hiegegen erheben sowohl B.________ (Verfahren 9C_287/2008) als auch die PKG
(Verfahren 9C_318/2008) je Beschwerde. B.________ ersucht um Aufhebung des
angefochtenen Entscheides, Abweisung der Klage und Zusprechung des
Todesfallkapitals des Z.________; eventualiter um Rückweisung der Sache an die
Vorinstanz "zur Feststellung des Sachverhaltes und zur neuen Beurteilung". Die
PKG stellt im Wesentlichen dieselben Anträge.
M.________ und R.________ schliessen auf Abweisung der Beschwerden. Vorinstanz
und Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Den beiden Beschwerden 9C_267/2008 (der Beschwerdeführerin 1) und 9C_318/2008
(der Beschwerdeführerin 2) liegt der gleiche Sachverhalt zugrunde. Sie richten
sich gegen den gleichen vorinstanzlichen Entscheid und es stellen sich die
nämlichen Rechtsfragen. Es ist deshalb zweckmässig und aus prozessökonomischen
Gründen auch angezeigt, die Verfahren in einem einzigen Urteil zu erledigen
(BGE 128 V 124 E. 1 S. 126 mit Hinweisen).

2.
Die II. sozialrechtliche Abteilung des Bundesgerichts ist zuständig zum
Entscheid darüber, ob die Beschwerdeführerin 1 oder die Beschwerdegegner
Anspruch auf das Todesfallkapital ihres verstorbenen Lebenspartners bzw. Vaters
bei der PKG haben (Art. 82 lit. a und Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG, Art. 73 Abs. 1
BVG sowie Art. 35 lit. e des Reglements für das Bundesgericht vom 20. November
2006 [BGerR]; Urteil B 3/07 vom 21. September 2007 E. 2). Die
Beschwerdeführerin 1 hat das Kapital offenbar bereits ausbezahlt erhalten.
Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegner genügt indes die drohende Gefahr
einer Rückerstattung für die Beschwerdelegitimation (Art. 89 Abs. 1 BGG). Eine
allfällige Zusprechung der Leistung an die Beschwerdegegner würde bedeuten,
dass diese nicht der Beschwerdeführerin 1 zustand. Damit ist diese ungeachtet
der hiermit noch nicht entschiedenen Frage, ob die Vorsorgeeinrichtung die
Leistung zurückverlangen würde, in ihren schutzwürdigen Interessen
beeinträchtigt. Da auch die übrigen formellen Gültigkeitserfordernisse gegeben
sind, ist auf die Beschwerden einzutreten.

3.
3.1 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat. Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes
wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf
einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2
BGG) und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein kann (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG).

3.2 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente
noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden. Es kann eine Beschwerde aus
einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen oder mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (Urteil 9C_671/
2007 vom 25. März 2008, E. 2 mit Hinweisen).

4.
Der Versicherte ist am 19. August 2004 verstorben. Damit finden die bis 31.
Dezember 2004 anwendbar gewesenen Bestimmungen Anwendung (BGE 129 V 1 E. 1.2 S.
4). Im angefochtenen Entscheid wird zutreffend dargelegt, dass im
überobligatorischen Bereich der beruflichen Vorsorge gesetzliche Schranken
bezüglich der Begünstigten im Todesfall fehlen (Art. 49 Abs. 2 BVG), weshalb
die reglementarischen Bestimmungen der Vorsorgeeinrichtungen (hier: Ziff. 7.5
Vorsorgereglement der PKG Pensionskasse in der bis 31. Dezember 2004 gültig
gewesenen Form) massgeblich sind. Darauf wird verwiesen. Zu ergänzen ist, dass
die Auslegung des Vorsorgereglements als vorformulierter Inhalt des
Vorsorgevertrages in erster Linie nach dem wirklichen Parteiwillen und in
zweiter Linie nach dem Vertrauensprinzip zu erfolgen hat (BGE 122 V 142 E. 4c
S. 146).

5.
5.1 Ziff. 7.5 Vorsorgereglement der PKG legt die Rangordnung der Begünstigten
fest, falls kein Anspruch auf eine Ehegattenrente oder auf Leistungen für
geschiedene Ehegatten entsteht (wie dies hier zutrifft). Lit. c. von Ziff. 7.5
bestimmt, dass nach den Ehegatten (lit. a) und den erheblich unterstützten
minderjährigen oder erwerbsunfähigen Kindern (lit. b) an dritter Stelle das
Todesfallkapital dem Lebenspartner auszubezahlen ist, "mit dem die versicherte
Person unter gegenseitig vereinbarter Unterstützungspflicht nachweislich in den
letzten fünf Jahren bis zu ihrem Tode ununterbrochen eine Lebensgemeinschaft
geführt hat oder mit dem sie für den Unterhalt eines oder mehrerer gemeinsamer
Kinder aufkommen musste."

5.2 Die Vorinstanz erwog, die Begünstigung im Konkubinat setze gemäss der bis
31. Dezember 2004 gültig gewesenen Rechtslage "nach steuerlicher Massgabe" eine
Unterstützung in erheblichem Ausmass voraus. Dieser Rahmenbedingung könnten
sich Vorsorgeeinrichtungen bei der reglementarischen Umschreibung eines
Leistungsanspruches nicht entziehen. Für ein im Zweipersonenhaushalt lebendes
Konkubinatspaar sei davon auszugehen, dass der verstorbene Vorsorgenehmer in
jedem Fall für (etwas) mehr als die Hälfte des Unterhaltes der unterstützten
Person aufkommen müsse; mit anderen Worten sei eine klar dominierende Rolle des
einen gegenüber dem anderen Konkubinatspartner erforderlich. Eine auf
Gegenseitigkeit beruhende Verpflichtung reiche für eine Begünstigung nicht aus.
Ohne weitere Begründung kam sie zum Ergebnis, die Beschwerdeführerin 1 habe
demzufolge keinen Anspruch auf das Todesfallkapital.

5.3 Die Beschwerdeführerin 1 rügt, das kantonale Gericht habe den
Untersuchungsgrundsatz verletzt, indem es gänzlich davon abgesehen habe, zu
klären, ob sie von ihrem verstorbenen Lebenspartner in erheblichem Masse
unterstützt worden sei. Sodann sei die "Nichtfeststellung des rechtserheblichen
Sachverhaltes" offensichtlich unrichtig. Die Beschwerdeführerin 1 bringt - wie
bereits im kantonalen Beschwerdeverfahren - vor, der Verstorbene habe nach der
Trennung von seiner damaligen Ehefrau an massiven Problemen gelitten, die er
nur dank ihrer intensiven (finanziellen) Hilfe habe lösen können. In der Folge
habe er sich in vielfältiger Art und Weise hiefür revanchiert. So habe er von
seinem Gehalt in Höhe von Fr. 4'880.- monatlich Fr. 4'000.- in bar bezogen und
damit den weit überwiegenden Teil der gemeinsamen Lebenshaltungskosten bezahlt.
Die Unterstützung des Verstorbenen habe es ihr ermöglicht, ab Mai 1999 ihr
Arbeitspensum auf 70 % zu reduzieren; nach ihrer Pensionierung per Ende
September 2003 sei der Verstorbene weiterhin vollumfänglich erwerbstätig
geblieben. Zusätzlich habe er auch den Unterhalt der beiden (ausschliesslich)
in ihrem Eigentum stehenden Liegenschaften und die Umgebungsarbeiten
übernommen.

5.4 Die Beschwerdeführerin 2 bringt vor, im angefochtenen Entscheid werde der
Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt. Die Nichtbefragung der
Beschwerdeführerin 1 verstosse gegen Art. 8 ZGB. Zudem sei aArt. 15 Abs. 1 lit.
b FZG falsch angewendet sowie Art. 73 Abs. 3 BVG (Sachverhaltsfeststellung von
Amtes wegen) und Art. 9 BV (Willkürverbot) verletzt worden, indem die
Vorinstanz zum einen eine erhebliche Unterstützung nur bei einer klar
dominierenden Rolle des Unterstützenden annehme, zum anderen - in
widersprüchlicher Weise - die Übernahme von "etwas mehr als die Hälfte" am
Unterhalt genügen lasse.

6.
6.1 Soweit die Vorinstanz in ihrem äusserst knapp begründeten Entscheid erwägt,
eine gegenseitige Verpflichtung reiche nicht aus, um einen Leistungsanspruch zu
begründen, und ungeachtet der im Reglement verwendeten Formulierung, wonach
eine "gegenseitig vereinbarte Unterstützungspflicht" - zusammen mit der
fünfjährigen Lebensgemeinschaft - für eine Begünstigung ausreicht (E. 5.1
hievor), die vom Bundesgericht anhand anderslautender Reglementsbestimmungen
entwickelte Rechtsprechung zur erforderlichen Unterstützung in erheblichem
Ausmass für anwendbar erachtet (hiezu BGE 131 V 27 E. 5.1 S. 31), widerspricht
sie dem klaren Wortlaut des Reglements. Dieser lässt keinen Zweifel daran, dass
für eine Begünstigung einzig entscheidend ist, ob die Konkubinatspartner bereit
waren, sich bei Bedarf gegenseitig zu unterstützen. Angesichts des klaren und
eindeutigen Wortlautes von Ziff. 7.5 Vorsorgereglement der PKG braucht nicht
weiter geprüft zu werden, ob und allenfalls inwiefern die steuerrechtliche
Betrachtung bei der Auslegung einer unklaren Begünstigungsregelung zu
berücksichtigen ist. Entgegen der Ansicht des kantonalen Gerichts und eines
Teils der Lehre (so etwa Hans-Ulrich Stauffer, Zweite Säule und Konkubinat, in:
Plädoyer 4/1999 S. 20, der davon ausgeht, dass sich die Vorsorgeeinrichtungen
der steuerrechlichen Massgabe einer erheblichen Unterstützung nicht entziehen
könnten) waren die Vorsorgeeinrichtungen unter der bis 31. Dezember 2004 gültig
gewesenen Rechtslage frei, wie weit sie den Kreis der bei Auszahlung des
Todesfallkapitals potenziell begünstigten Personen fassen wollten. Sie können
sich ihren reglementarischen Begünstigungsregeln nicht entziehen mit dem
Argument, diese stünden ihrer Steuerbefreiung entgegen.

6.2 Indem die Vorinstanz auf zusätzliche Abklärungen zur Frage verzichtet hat,
ob zwischen dem Versicherten und der Beschwerdeführerin 1 eine Bereitschaft zur
gegenseitigen Unterstützung im Bedarfsfall bestanden hat, stellte sie den
Sachverhalt in der Tat unvollständig fest. Damit sind die Beschwerden der
Beschwerdeführerin 1 und der Beschwerdeführerin 2 je im Eventualstandpunkt
begründet. Die Sache ist an das kantonale Gericht zurückzuweisen, damit es
diesbezüglich weitere Abklärungen in die Wege leitet, sich hernach
sachverhaltlich zum Vorliegen einer gegenseitig vereinbarten
Unterstützungspflicht äussert und über die Begünstigung der Beschwerdeführerin
1 erneut entscheidet. Dabei wird es zu beachten haben, dass die gegenseitig
vereinbarte Unterstützungspflicht nach Art. 7.5 lit. c des Vorsorgereglements
der PKG vom 5. Dezember 2001 - wie dies die Beschwerdeführerin 2 bereits mit
Schreiben vom 7. Juni 2005 zu Recht ausgeführt hatte - keine Schriftform
voraussetzt, sondern auch mündlich erfolgt sein oder sich aus den Umständen
ergeben kann.

7.
Die unterliegenden Beschwerdegegner tragen die Kosten des bundesgerichtlichen
Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG) und haben der Beschwerdeführerin 1 eine
Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG). Die Beschwerdeführerin 2
hat keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verfahren 9C_267/2008 und 9C_318/2008 werden vereinigt.

2.
Die Beschwerden werden in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 28. Februar 2008 aufgehoben und die
Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen wird, damit sie im Sinne der Erwägungen
verfahre.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden den Beschwerdegegnern auferlegt.

4.
Die Beschwerdegegner haben die Beschwerdeführerin 1 für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2500.- zu entschädigen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 10. Dezember 2008
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Meyer Bollinger Hammerle