Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 204/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_204/2008

Urteil vom 6. Mai 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiber Fessler.

Parteien
H.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Fürsprecher Ronald Frischknecht,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Bern, Abteilung Beiträge und Zulagen,
Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Alters- und Hinterlassenenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
vom 30. Januar 2008.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 8. November 2006 verpflichtete die Ausgleichskasse des
Kantons Bern H.________, ehemaliger Geschäftsführer mit Einzelunterschrift der
am ... 2005 in Konkurs gefallenen Firma L.________ GmbH, zur Bezahlung von
Schadenersatz für im Jahre 2005 bis Ende Oktober entgangene bundes- und
kantonalrechtliche Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von Fr. 163'447.05
(einschliesslich Verwaltungskosten, Mahngebühren und Verzugszinsen). Die
dagegen erhobene Einsprache hiess die Ausgleichskasse mit Entscheid vom 29.
August 2007 teilweise gut und reduzierte den zu ersetzenden Schadensbetrag auf
Fr. 40'140.40.

B.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies die hiegegen erhobene Beschwerde
mit Entscheid vom 30. Januar 2008 ab.

C.
H.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, Gerichtsentscheid und Einspracheentscheid seien aufzuheben.
Die Ausgleichskasse schliesst auf Abweisung der Beschwerde, während das
Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
1.1 Die II. sozialrechtliche Abteilung ist zuständig zum Entscheid über die
streitige Schadenersatzpflicht (Art. 82 lit. a BGG sowie Art. 35 lit. a des
Reglements für das Bundesgericht vom 20. November 2006 [BGerR]). Nach Art. 34
lit. e BGerR fallen die kantonalen Sozialversicherungen (insbesondere Familien-
und Kinderzulagen) zwar in die Zuständigkeit der I. sozialrechtlichen
Abteilung. Es ist indessen aus prozessökonomischen Gründen sinnvoll, dass die
II. Abteilung auch über die Schadenersatzpflicht entscheidet, soweit sie
entgangene Sozialversicherungsbeiträge nach kantonalem Recht betrifft (in BGE
134 I 179 nicht publizierte E. 1 des Urteil 9C_704/2007 vom 17. März 2008).

1.2 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter
anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). Das Bundesgericht
darf nicht über die Begehren der Parteien hinausgehen (Art. 107 Abs. 1 BGG).
Neue Begehren sind unzulässig (Art. 99 Abs. 2 BGG).

2.
Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer zur Leistung von
Schadenersatz einerseits nach Art. 52 AHVG für bundesrechtliche
Sozialversicherungsbeiträge sowie anderseits für Beiträge an die kantonale
Familienausgleichskasse nach dem Gesetz vom 5. März 1961 über Kinderzulagen für
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (KZG/ BE; BSG 832.71) verpflichtet ist. Die
für die Beurteilung dieser Fragen einschlägigen Rechtsgrundlagen werden im
vorinstanzlichen Entscheid richtig wiedergegeben. Darauf wird verwiesen.

3.
Die Vorinstanz hat mit in allen Teilen überzeugender Begründung, auf die
verwiesen wird (Art. 109 Abs. 3 BGG), dargelegt, dass der Beschwerdeführer als
Geschäftsführer mit Einzelunterschrift für den der Ausgleichskasse infolge des
Konkurses der Firma entstandenen Schaden ersatzpflichtig ist. Was in der
Beschwerde dagegen vorgebracht wird, ist - soweit nicht bereits vom kantonalen
Gericht entkräftet - unbehelflich:

3.1 Wie bereits im vorinstanzlichen Verfahren wird im Wesentlichen geltend
gemacht, es sei noch ein anderer Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen
gewesen. Innerhalb der Firma habe es eine klare Trennung der
Verantwortungsbereiche gegeben: Der Beschwerdeführer sei für alle Tätigkeiten
im technischen Bereich zuständig gewesen, der andere Geschäftsführer habe
sämtliche Arbeiten im administrativen Bereich erledigt. Dieser Einwand vermag
den in die Pflicht Genommenen nicht zu entlasten, oblag ihm doch als
Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach der
Rechtsprechung die gleiche Sorgfaltspflicht, wie sie nach Art. 717 OR für die
Organe der Aktiengesellschaft Geltung hat (ROLF WATTER, Kommentar zum
Schweizerischen Privatrecht [Basler Kommentar], Obligationenrecht II: Art.
530-1186, 2. Aufl. 2002, N. 16 zu Art. 811 OR; BGE 126 V 237 E. 4 S. 239 mit
Hinweisen). Dazu gehört auch die Kontrolle und Überwachung bezüglich der
Einhaltung der Abrechnungs- und Beitragszahlungspflicht gegenüber der
Ausgleichskasse (WATTER, a.a.O., N. 11 zu Art. 717 OR; Urteil des Eidg.
Versicherungsgerichts H 292/03 vom 7. April 2004 E. 3.1). An diese Aufsichts-
und Kontrollpflichten sind angesichts der einfachen Organisationsstruktur der
Firma praxisgemäss hohe Anforderungen zu stellen (zuletzt: SVR 2008 AHV Nr. 5,
H 207/ 06 E. 4.2.3 mit Hinweisen).

3.2 Wie das kantonale Gericht in für das Bundesgericht verbindlicher Weise (E.
1.2) festgestellt hat, ist der Beschwerdeführer seiner Kontroll- und
Überwachungspflicht nicht hinreichend nachgekommen. Er kann die bereits im
kantonalen Verfahren erhobene Behauptung, der andere Geschäftsführer habe ihm
Akten vorenthalten, auch im bundesgerichtlichen Verfahren nicht belegen. Ob die
erst letztinstanzlich eingereichten und damit neuen Beweismittel überhaupt
zulässig sind (vgl. Art. 99 Abs. 1 BGG), kann offenbleiben, sind sie doch
jedenfalls nicht geeignet, die Feststellung der Vorinstanz als offensichtlich
unrichtig oder sonstwie bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen. Zu Recht hat
die Vorinstanz in diesem Zusammenhang denn auch darauf hingewiesen, dass der
Beschwerdeführer als einzelzeichnungsberechtigter Geschäftsführer befugt
gewesen wäre, beim Treuhänder, bei seinen Angestellten oder bei der
Beschwerdegegnerin Auskünfte einzuholen. Dass er dies je getan hätte, bringt er
weder vor noch geht dies sonst aus den Akten hervor. Dazu hätte er aber umso
mehr Anlass gehabt, als er zugegebenermassen von den finanziellen Engpässen der
Firma wusste und ihm angeblich der Einblick in die Geschäftsunterlagen
vorenthalten wurde.

3.3 Nach der Rechtsprechung lässt sich die Nichtbezahlung der Beiträge
ausnahmsweise rechtfertigen, wenn sie im Hinblick auf eine nicht zum Vornherein
aussichtslose Rettung des Betriebes durch Befriedigung lebenswichtiger
Forderungen in der begründeten Meinung geschieht, die geschuldeten Beiträge
später ebenfalls bezahlen zu können. Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber im
Zeitpunkt, in welchem die Zahlungen erfolgen sollten, nach den Umständen damit
rechnen durfte, dass er die Beitragsschuld innert nützlicher Frist werde tilgen
können (BGE 108 V 183 E. 2 S. 188; ZAK 1992 S. 246, H 97/90 E. 4b). Dass der
Beschwerdeführer - wie auch der andere Geschäftsführer - im Jahre 2005 keinen
Lohn bezogen haben soll, ist (falls als neue Tatsache nach Art. 99 Abs. 1 BGG
überhaupt zulässig) zwar bemerkenswert; der Verzicht auf Lohn genügt indessen
für sich allein als Exkulpationsgrund nicht (Urteil des Eidg.
Versicherungsgerichts H 124/06 vom 16. November 2006 E. 3 in fine). Welche
anderen erfolgversprechenden Sanierungsmassnahmen er in die Wege geleitet hat,
legt der Beschwerdeführer ebenso wenig dar wie, welche anderen Forderungen an
Stelle der ausstehenden Beiträge beglichen wurden. Inwiefern aus der
vorübergehenden Zurückbehaltung der Sozialversicherungsbeiträge objektiv eine
für die Rettung der Firma ausschlaggebende Wirkung zu erwarten gewesen wäre
(vgl. Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts H 304/02 vom 7. Mai 2003 E. 3.2),
führt der Beschwerdeführer schliesslich ebenfalls nicht aus.

4.
Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet und wird daher im vereinfachten
Verfahren mit summarischer Begründung nach Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3
BGG erledigt.

5.
Der Beschwerdeführer hat als unterliegende Partei die Gerichtskosten zu tragen
(Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 6. Mai 2009
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Fessler