Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 189/2008
Zurück zum Index II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008
Retour à l'indice II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008


Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_189/2008

Urteil vom 19. August 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Borella, Kernen, Seiler,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

Parteien
B.________, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwältin Susanne Friedauer, Ulrichstrasse 14, 8032
Zürich,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 8. Januar 2008.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 3. November 2005 sprach die IV-Stelle des Kantons Zürich der
1954 geborenen B.________ ab 1. Mai 2005 bei einem Invaliditätsgrad von 43 %
eine Viertelsrente der Invalidenversicherung zu, woran sie auf eine Einsprache
der Versicherten hin mit Entscheid vom 4. Dezember 2006 festhielt.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde, mit welcher B.________ die Aufhebung des
Einspracheentscheides und die Zusprechung einer ganzen, evtl. einer halben
Invalidenrente beantragt hatte, wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich mit Entscheid vom 8. Januar 2008 ab.

C.
B.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Rechtsbegehren, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei
ihr ab 1. Mai 2005 anstelle der Viertels- eine halbe Invalidenrente
zuzusprechen.

Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

Auf der nicht medizinischen beruflich-erwerblichen Stufe der
Invaliditätsbemessung charakterisieren sich als Rechtsfragen die gesetzlichen
und rechtsprechungsgemässen Regeln über die Durchführung des
Einkommensvergleichs (BGE 130 V 343 E. 3.4 S. 348, 128 V 29 E. 1 S. 30, 104 V
135 E. 2a und b S. 136 f.), einschliesslich derjenigen über die Anwendung der
schweizerischen Lohnstrukturerhebung/LSE (BGE 129 V E. 4.2.1 S. 475 f., 124 V
321 E. 3b/aa S. 322 f.) und der Dokumentation von Arbeitsplätzen/DAP (BGE 129 V
472 ff.). In dieser Sicht stellt sich die Feststellung der beiden
hypothetischen Vergleichseinkommen als Tatfrage dar, soweit sie auf konkreter
Beweiswürdigung beruht, hingegen als Rechtsfrage, soweit sich der Entscheid
nach der allgemeinen Lebenserfahrung richtet. Letzteres betrifft etwa die
Frage, ob Tabellenlöhne anwendbar sind, welches die massgebliche Tabelle ist
und ob ein (behinderungsbedingt oder anderweitig begründeter) Leidensabzug
vorzunehmen sei (BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399; zur Publikation in BGE 134 V
bestimmtes Urteil 8C_255/2007 vom 12. Juni 2008).

2.
Nach Art. 28 Abs. 1 IVG besteht Anspruch auf eine Viertelsrente der
Invalidenversicherung bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 40 %, auf eine
halbe Rente bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 50 %, während eine
Dreiviertelsrente bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 60 % und eine ganze
Rente bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 70 % zur Ausrichtung gelangen.
Gemäss Art. 16 ATSG wird für die Bestimmung des Invaliditätsgrades das
Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und
nach Durchführung der medizinischen Behandlung und allfälliger
Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener
Arbeitsmarktlage erzielen könnte, in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen,
das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre.

3.
Im vorliegenden Fall sind der Grad der Arbeitsunfähigkeit und das
Invalideneinkommen von Fr. 40'800.--, entsprechend dem Lohn, den die
Versicherte mit einem Teilzeitpensum von 50 % seit 1. März 2005 bei der Firma
X.________ als kaufmännische Angestellte/Allrounderin verdient, unbestritten.
Streitig und zu prüfen ist einzig die Höhe des hypothetischen Einkommens ohne
Invalidität (Valideneinkommen).

3.1 Gestützt auf die Angaben der Firma Y._______, wo die Beschwerdeführerin von
September 2003 bis zur Kündigung auf Ende Januar 2005 in einem Vollzeitpensum
zu einem Monatslohn von Fr. 5'500.-- arbeitete, setzte die Vorinstanz das
Valideneinkommen für das Jahr 2005 auf Fr. 71'500.-- (13 x Fr. 5'500.--) fest.

3.2 Demgegenüber machte die Versicherte geltend, ihre frühere Arbeitgeberin,
die Firma Y.________, sei aus wirtschaftlichen Gründen ausser Stande gewesen,
sie für ein Vollzeitpensum zu entlöhnen, nachdem sie ihre Arbeitszeit ab
September 2003 von zunächst 80 % auf 100 % erhöht hatte. Der Lohn von Fr.
5'500.-- im Monat habe dem Entgelt für ein Pensum von 80 % entsprochen. Am 1.
März 2005 habe sie die neue Stelle bei der Firma X.________ in einem Pensum von
50 % angetreten; der Lohn belaufe sich umgerechnet auf Fr. 40'800.-- im Jahr.
Bei einer Vollzeitbeschäftigung würde ihr Salär Fr. 81'600.-- im Jahr betragen.
Dieser Betrag sei als Valideneinkommen heranzuziehen.

4.
4.1 Soweit es bei der Invaliditätsbemessung um die Frage geht, welche Löhne an
einer bestimmten Stelle bezahlt werden oder erreicht werden können, handelt es
sich um Feststellungen tatsächlicher Natur, die letztinstanzlicher Korrektur
nur unter den Voraussetzungen von Art. 97 Abs. 1 BGG zugänglich sind. Hingegen
ist die Frage, welche hypothetischen Erwerbseinkommen im Rahmen des
Einkommensvergleichs nach Art. 16 ATSG miteinander in Beziehung zu setzen sind,
eine Rechtsfrage, welche vom Bundesgericht frei zu prüfen ist, dies analog zur
Frage, ob Tabellenlöhne anwendbar sind und welches die massgebende Tabelle ist
(E. 1 hievor).

4.2 Die Festsetzung des hypothetischen Valideneinkommens durch die Vorinstanz
auf Fr. 71'500.-- im Jahr verletzt Bundesrecht. Ausschlaggebend ist nicht der
Lohn, den die Versicherte heute bei ihrer ehemaligen Arbeitgeberin, der Firma
Y.________, verdienen würde, sondern das Einkommen, das sie heute erzielen
würde, wenn sie nicht invalid geworden wäre. Diese beiden Einkommen differieren
erheblich. Die Beschwerdeführerin ist heute trotz Gesundheitsschadens in der
Lage, bei hälftiger Arbeitsfähigkeit mit entsprechendem Teilzeitpensum
Einkünfte von Fr. 40'800.-- im Jahr zu erzielen. Dies spricht dafür, dass sie
ohne Gesundheitsschaden mit voller Leistungsfähigkeit ein Einkommen in
doppelter Höhe (Fr. 81'600.-- im Jahr und somit rund Fr. 10'000.-- mehr als bei
der Firma Y.________) erreichen könnte, wie dies übrigens von der Firma
X.________ in einer schriftlichen Auskunft vom 7. November 2006 bestätigt
wurde. Wird dieser Betrag als Valideneinkommen herangezogen, resultiert ein
Invaliditätsgrad von 50 %, mit der Folge, dass die Beschwerdeführerin ab 1. Mai
2005 anstelle der Viertelsrente eine halbe Invalidenrente beanspruchen kann.

5.
Dem Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden
Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Diese hat der
Beschwerdeführerin überdies eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs.
2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts
des Kantons Zürich vom 8. Januar 2008 und der Einspracheentscheid der IV-Stelle
des Kantons Zürich vom 4. Dezember 2006 werden insoweit abgeändert, als der
Beschwerdeführerin ab 1. Mai 2005 anstelle der Viertelsrente eine halbe
Invalidenrente zugesprochen wird.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden der IV-Stelle des Kantons Zürich
auferlegt.

3.
Die IV-Stelle des Kantons Zürich hat die Beschwerdeführerin für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

4.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
zurückgewiesen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 19. August 2008
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Widmer