Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 171/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_171/2008

Urteil vom 28. Mai 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

Parteien
P.________, Beschwerdeführerin,

gegen

Ausgleichskasse Luzern, Würzenbachstrasse 8, 6006 Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Erwerbsersatzordnung und Mutterschaftsversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom
29. Januar 2008.

Sachverhalt:

A.
P.________ bewirtschaftet zusammen mit ihrem Ehemann einen
Landwirtschaftsbetrieb. Am 21. Juli 2005 gebar sie ihr viertes Kind
(A.________) und beantragte bei der Ausgleichskasse des Kantons Luzern (im
Folgenden: Ausgleichskasse) am 17. Februar 2006 die Auszahlung einer
Mutterschaftsentschädigung. Die Ausgleichskasse wies das Leistungsbegehren mit
Verfügung vom 16. März 2006 - bestätigt mit Einspracheentscheid vom 16.
November 2006 - ab, da P.________ nur bis 31. Mai 2005 in einem
Arbeitsverhältnis gestanden habe.

B.
Hiegegen liess P.________ Beschwerde erheben, welche das Verwaltungsgericht des
Kantons Luzern mit Entscheid vom 29. Januar 2008 abwies.

C.
P.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
beantragt die Zusprechung einer Mutterschaftsentschädigung. Gleichzeitig
ersucht sie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
Das Bundesgericht verfügt am 11. April 2008 mangels Bedürftigkeit die Abweisung
des Gesuches um unentgeltliche Rechtspflege.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem
die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). Das Bundesgericht
darf nicht über die Begehren der Parteien hinausgehen (Art. 107 Abs. 1 BGG).

2.
Der Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung setzt nach Art. 16b EOG voraus,
dass die Frau während neun Monaten unmittelbar vor der Niederkunft im Sinne des
AHVG versichert war (Abs. 1 lit. a), in dieser Zeit mindestens fünf Monate lang
eine Erwerbstätigkeit ausgeübt hat (lit. b) und im Zeitpunkt der Niederkunft
Arbeitnehmerin im Sinne von Art. 10 ATSG (lit. c Ziff. 1) oder
Selbstständigerwerbende im Sinne von Art. 12 ATSG ist (lit. c Ziff. 2) oder im
Betrieb des Ehemannes mitarbeitet und einen Barlohn bezieht (lit. c Ziff. 3).

3.
Es ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen gemäss
Art. 16b Abs. 1 lit. a (obligatorische Versicherung gemäss AHVG) und lit. b
(fünfmonatige Erwerbstätigkeit vor der Niederkunft) erfüllt. Streitig und zu
prüfen ist, ob sie zum Zeitpunkt der Geburt ihres Sohnes A.________ am 21. Juli
2005 in einem anspruchsbegründenden Arbeitsverhältnis stand.

4.
4.1 Die Vorinstanz hat für das Bundesgericht verbindlich festgestellt und es
ist auch nicht bestritten, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin in der
Lohnmeldung an die Ausgleichskasse vom 9. Januar 2006 angegeben hatte, seine
Frau vom 1. Januar bis 31. Mai 2005 beschäftigt zu haben. In der Anmeldung für
eine Mutterschaftsentschädigung vom 17. Februar 2006 erklärten die Eheleute
ebenfalls, das Arbeitsverhältnis habe vom 1. Dezember 2004 bis 31. Mai 2005
gedauert. Erst als die Ausgleichskasse am 16. März 2006 die Ablehnung des
Anspruches auf eine Mutterschaftsentschädigung verfügte, weil das
Arbeitsverhältnis nur bis 31. Mai 2005 und nicht bis zur Geburt vom 21. Juli
2005 gedauert habe, teilte der Ehemann der Ausgleichskasse am 21. März 2006
mit, seiner Frau nachträglich einen Bruttolohn von Fr. 7'000.- für die Monate
Juni und Juli 2005 bezahlt zu haben.

4.2 Nach dem klaren Willen des Gesetzgebers sollen nur Frauen eine
Mutterschaftsentschädigung erhalten, welche zum Zeitpunkt der Geburt
tatsächlich einen Lohn beziehen. Eine Schlechterstellung der mitarbeitenden
Ehefrauen ohne Barlohn gegenüber Angestellten nahm das Parlament ausdrücklich
und im Bewusstsein in Kauf, dass damit insbesondere in der Landwirtschaft und
im Gewerbe zahlreiche Mütter benachteiligt werden. Ein Minderheitsantrag,
gemäss welchem ein Leistungsanspruch bereits bei glaubhaftem Nachweis der
Mitarbeit im Gewerbe- oder Landwirtschaftsbetrieb unabhängig von einem Barlohn
bestehen sollte (vgl. Stellungnahme des Bundesrates, BBl 2003 S. 1120 f.; Amtl.
Bull. N 2002 S. 1936 f.), wurde verworfen. Der Anspruch auf eine
Mutterschaftsentschädigung besteht mithin nur, wenn das Arbeitsverhältnis
(mindestens) bis und mit dem Tag der Geburt gedauert hat, was voraussetzt, dass
für die verrichtete Arbeit im betreffenden Kalendermonat eine Lohnzahlung
erfolgte (vgl. auch Peter Schüpbach, Lohnfortzahlung bei Schwangerschaft/
Mutterschaft, in: TREX Der Treuhandexperte 2005, S. 140).

4.3 Die Beschwerdeführerin legt glaubhaft dar, "seit jeher" und auch über die
Geburt des Sohnes A.________ hinaus im landwirtschaftlichen Familienbetrieb
massgeblich mitgearbeitet zu haben. Dieses Vorbringen ändert indessen nichts
daran, dass sie für die Monate Juni und Juli 2005 zunächst keinen Lohn erhielt.
Wenn die Vorinstanz in Würdigung der erst im Anschluss an die ablehnende
Verfügung ausbezahlten Löhne für die Monate Juni und Juli 2005 erwog, es habe
zum Zeitpunkt der Geburt vom 21. Juli 2005 sowohl an einer Arbeitnehmerstellung
als auch an einem Barlohnbezug der Beschwerdeführerin gefehlt und folglich den
Anspruch auf eine Mutterschaftsentschädigung verneinte, verletzte sie damit
kein Bundesrecht. Dass die nachträgliche Lohnzahlung zum Zweck erfolgte, eine
Mutterschaftsentschädigung auszulösen, wird im Übrigen auch dadurch bekräftigt,
dass die Beschwerdeführerin in den Monaten Dezember 2004 bis Mai 2005 (bzw.
Juli 2005) einen gemessen am steuerbaren Netto-Einkommen der Familie (2005: Fr.
47'658) deutlich überhöhten Lohn bezog, welcher sich in der Folge (auf Fr.
2'000.- im Jahre 2006 bzw. Fr. 1'500.- im Jahre 2007) reduzierte. Weder fiktive
noch unangemessen hohe Löhne können für den Anspruch auf
Mutterschaftsentschädigung berücksichtigt werden.

5.
Die Gerichtskosten werden der Beschwerdeführerin als unterliegender Partei
auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG), nachdem mit Verfügung vom 11. April 2008 das
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege mangels Nachweis der Bedürftigkeit
abgewiesen worden ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 28. Mai 2008
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Meyer Bollinger Hammerle