Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 126/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_126/2008

Urteil vom 30. Oktober 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Kernen, Seiler,
Gerichtsschreiber Maillard.

Parteien
M.________, Beschwerdeführerin,
vertreten durch CAP Rechtsschutz, Laupenstrasse 27, 3001 Bern,

gegen

CSS Versicherung AG, Tribschenstrasse 21, 6005 Luzern, Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Krankenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 21.
Januar 2008.

Sachverhalt:

A.
Die 1943 geborene M.________ ersuchte am 15. März 2005 die CSS
Kranken-Versicherung AG (nachfolgend: CSS), bei der sie obligatorisch für
Krankenpflege versichert ist, um Kostengutsprache für die geplante Korrektur
einer Narbe parasternal rechts bei Status nach am 29. August 2003 erfolgter
Exzision eines zweiten Thoraxwand-Rezidivs bei Status nach Mammakarzinom
rechts. Mit Verfügung vom 24. April 2006 wies die CSS dieses Gesuch ab, woran
sie mit Einspracheentscheid vom 13. Februar 2006 (recte: 2007) festhielt.

B.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies die hiegegen erhobene Beschwerde
mit Entscheid vom 21. Januar 2008 ab.

C.
M.________ lässt Beschwerde führen und beantragen, der angefochtene sowie der
Einspracheentscheid seien aufzuheben und die CSS sei zu verpflichten, ihr
Kostengutsprache für die plastisch-chirurgische Narbenkorrektur zu erteilen.
Eventuell sei die Sache zur Einholung eines Gutachtens und zum neuen Entscheid
an das kantonale Gericht zurückzuweisen.

Die CSS schliesst auf Abweisung der Beschwerde, während das Bundesamt für
Gesundheit auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann nach Art. 95
lit. a BGG die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden. Das Bundesgericht legt
seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat
(Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von
Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2
BGG).

2.
Streitig ist, ob die Beschwerdeführerin im Rahmen der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung Anspruch auf Vergütung der Kosten für die geplante
operative Narbenkorrektur hat. Das kantonale Gericht hat die zur Beurteilung
dieses Anspruchs einschlägigen Rechtsgrundlagen zutreffend dargelegt. Darauf
wird verwiesen.

3.
Die Vorinstanz hat zunächst festgestellt, dass die Operationsnarbe keine
Beschwerden mit Krankheitswert verursacht hat. Die Versicherte weist zwar auf
eine depressive Symptomatik hin, wovon im Bericht des Dr. med. U.________,
Psychiatrie/Psychotherapie FMH, vom 6. März 2007, die Rede ist. Dass die
Tatsachenfeststellung der Vorinstanz aber offensichtlich unrichtig (dazu BGE
132 V 393 E. 3.2 S. 397) oder sonstwie bundesrechtswidrig (E. 1) sei, bringt
sie nicht vor und ist auch sonst nicht ersichtlich. Vielmehr bestätigt Dr. med.
U.________ im genannten Bericht selbst, dass keine psychiatrische Krankheit
vorliegt: Er hat lediglich festgehalten, dass die Beschwerdeführerin "einen
deutlich depressiven und verbitterten Eindruck machte, ohne dass eine andere
gravierende psychische Problematik in Erfahrung gebracht werden konnte". Darin
ist keine im Kontext erhebliche psychische Komorbidität zu erblicken.

4.
4.1 Wie das kantonale Gericht weiter zutreffend erwogen hat, hat der
Krankenversicherer nach der Rechtsprechung unter bestimmten Voraussetzungen die
Kosten der operativen Behandlung sekundärer krankheits- oder unfallbedingter
Beeinträchtigungen, namentlich äus-serliche Verunstaltungen vor allem an
sichtbaren und in ästhetischer Beziehung speziell empfindlichen Körperteilen -
besonders im Gesicht - zu übernehmen. Dies trifft zu, wenn die äusserliche
Verunstaltung ein gewisses Ausmass erreicht, sich durch eine kosmetische
Operation beheben lässt, der Versicherer für die primäre Unfall- oder
Krankheitsbehandlung leistungspflichtig war und der Eingriff sich in allgemein
üblichen Grenzen sowie im Rahmen der Wirtschaftlichkeit hält (BGE 121 V 119 E.
1 S. 121). Eine Operation zur Wiederherstellung der körperlichen Integrität ist
- vorbehältlich einer Gegenindikation - in jedem Fall eine Pflichtleistung
(siehe zur Brustprothese: BGE 111 V 229 und zur Hodenprothese: BGE 121 V 119).

4.2 Die Vorinstanz stuft die Narbe pasternal rechts, deren Ausmass zwar nicht
verkannt werde, bundesrechtskonform nicht als schwere Beeinträchtigung der
körperlichen Integration im Sinne der in E. 4.1 dargestellten Rechtsprechung
ein. Es liegt eine mit einer nicht besonders stark ausgeprägten Trichterbrust
(siehe dazu im Zusammenhang mit dem Anspruch nach Art. 13 IVG auf Behandlung
bei Geburtsgebrechen: Urteil I 693/02 vom 10. Februar 2003) vergleichbare
Einbuchtung neben dem Brustbein vor, die ohne Verletzung von Bundesrecht als
nicht schwere Einbusse der Integrität qualifiziert werden kann. Insbesondere
ist sie mit der Vorinstanz nicht als gleich schwerwiegend wie der Verlust einer
Brust einzustufen, welcher rechtsprechungsgemäss eine die Leistungspflicht des
Krankenversicherers auslösende schwere Integritätseinbusse darstellt (siehe E.
4.1).

4.3 Ob der in E. 4.2 näher umschriebene ästhetische körperliche Mangel als
entstellend zu bezeichnen ist, hat die Vorinstanz nicht geprüft, da sie davon
ausgegangen ist, er liege an einer nicht sichtbaren Körperstelle und es könne
der Beschwerdeführerin zugemutet werden, diesen durch geeignete Kleidungsstücke
abzudecken.
4.3.1 Zwar liegt die Einbuchtung im Bereich des Dekolletés und damit in der für
das ästhetische Empfinden bedeutsamen Körperregion (Urteil K 15/04 vom 26.
August 2004 E. 3.2.2). Ob damit das Dekolleté einen "sichtbaren und ästhetisch
speziell empfindlichen Körperteil" darstellt, was die Vorinstanz in
Auseinandersetzung mit den Vorbringen der Beschwerdeführerin an sich plausibel
verneint, kann letztinstanzlich offen bleiben. Selbst wenn die Frage zu bejahen
wäre, müsste die Beschwerde abgewiesen werden, erreicht doch der hier zu
beurteilende ästhetische Mangel aufgrund der nachstehenden Erwägungen das
erforderliche Ausmass nicht, um den Krankenversicherer zur Kostenübernahme für
die operative Narbenkorrektur zu verpflichten.
4.3.2 Ob ein ästhetischer Mangel (als sekundäre Folge eines operativen
Eingriffes) als entstellend zu bezeichnen ist, beurteilt sich grundsätzlich
nach objektiven Kriterien. Subjektive Faktoren, insbesondere die persönliche
Anschauung, haben ausser Acht zu bleiben. Ihnen wird bei der Frage Rechnung
getragen, ob der Mangel körperliche oder psychische Beschwerden mit
Krankheitswert verursacht, welche mit der Behebung des Mangels beseitigt werden
können (vgl. BGE 121 V 211 E. 4 S. 213 und RKUV 2004 Nr. KV 285 S. 242 E. 4.1).

4.3.3 Aufgrund der durch Fotos hinreichend dokumentierten Verhältnisse kann bei
objektiver Betrachtungsweise die umstrittene Delle, entgegen den Vorbringen der
Beschwerdeführerin, nicht als entstellend bezeichnet werden. Sie hält sich
vielmehr im Rahmen üblicher Abweichungen vom gängigen Schönheitsideal und wiegt
jedenfalls nicht schwerer als die ebenfalls nicht als entstellend anerkannten
ästhetischen Mängel wie die Mammaptose (dazu Urteil K 15/04 vom 26. August
2004) oder die Fettschürze (dazu Urteil K 135/04 vom 17. Januar 2006).

5.
Als unterliegende Partei hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu
tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 30. Oktober 2008

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Maillard