Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.992/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_992/2008

Urteil vom 1. Mai 2009
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Niquille,
Gerichtsschreiber Lanz.

Parteien
S.________, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwältin Susanne Schaffner-Hess,

gegen

IV-Stelle des Kantons Solothurn,
Allmendweg 6, 4528 Zuchwil,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn
vom 22. Oktober 2008.

Sachverhalt:

A.
Die 1951 geborene S.________ war zuletzt von März 2000 bis Juli 2006 über die
Firma A._________ AG als Betriebsmitarbeiterin in der Firma W.________ AG
tätig. Ihre Arbeit bestand im Abpacken von Backwaren. Am 5. Dezember 2005
verletzte sie sich bei einem Unfall an der linken Schulter. Wegen der dadurch
bewirkten Arbeitsunfähigkeit kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis.
Im September 2006 meldete sich S.________ unter Hinweis auf persistierende
Schulterbeschwerden bei der Invalidenversicherung (IV) für berufliche
Massnahmen und eine Invalidenrente an. Die IV-Stelle des Kantons Solothurn zog
die Akten der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA), dem für den
Unfall vom 5. Dezember 2005 zuständigen obligatorischen Unfallversicherer, bei.
Zudem traf sie erwerbliche und medizinische Abklärungen (u.a. Einholung eines
polydisziplinären MEDAS-Gutachtens vom 20. November 2007). Mit Verfügung vom
15. Februar 2008 verneinte die IV-Stelle einen Anspruch auf die beantragten
Leistungen. Zur Begründung führte sie aus, gemäss ärztlicher
Abschlussuntersuchung der SUVA vom 31. Oktober 2006 sei die angestammte
Tätigkeit wieder vollumfänglich zumutbar. Sodann hätten die medizinischen
Abklärungen im IV-Verfahren auch keine unfallfremden Gesundheitsschäden mit
relevantem Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit, sondern vielmehr ein
uneingeschränktes Leistungsvermögen auch in jeder anderen Tätigkeit ergeben.
Mit Verfügung vom 1. Dezember 2006 und Einspracheentscheid vom 14. Mai 2007
sprach die SUVA S.________ für die Folgen des Unfalls vom 5. Dezember 2005 eine
Integritätsentschädigung entsprechend einem Integritätsschaden von 7.5 % zu;
einen Anspruch auf eine Invalidenrente der Unfallversicherung (UV) verneinte
sie.

B.
S.________ focht mit einer ersten Beschwerde den Einspracheentscheid der SUVA
vom 14. Mai 2007 an. Sie erhob sodann auch Beschwerde gegen die Verfügung der
IV-Stelle vom 15. Februar 2008 mit dem Antrag, es sei eine Invalidenrente der
Invalidenversicherung (IV) gestützt auf eine Arbeitsunfähigkeit (recte wohl:
Erwerbsunfähigkeit) von mindestens 50 % zuzusprechen.

Mit Entscheid vom 25. Juni 2008 hiess das Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn die Beschwerde betreffend UV-Leistungen in dem Sinne gut, dass es die
Verfügung vom 1. Dezember 2006 und den Einspracheentscheid vom 14. Mai 2007 der
SUVA aufhob und die Sache zu ergänzenden medizinischen Abklärungen und zum
neuen Entscheid an den Unfallversicherer zurückwies.
Mit Entscheid vom 22. Oktober 2008 wies das Versicherungsgericht die Beschwerde
betreffend IV-Leistungen ab.

C.
S.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung der Verfügung der IV-Stelle vom 15.
Februar 2008 und des kantonalen Entscheids vom 22. Oktober 2008 sei eine
IV-Invalidenrente gestützt auf eine Arbeitsunfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit) von
mindestens 50 % zuzusprechen; eventuell sei die Sache zu weiteren medizinischen
Abklärungen zurückzuweisen.
Die IV-Stelle beantragt die Abweisung der Beschwerde, ohne sich weiter zur
Sache zu äussern. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine
Vernehmlassung.

D.
Mit Eingabe vom 9. April 2009 lässt S.________ ein von der SUVA eingeholtes
Gutachten des Dr. med. P.________, Facharzt FMH für Orthopädische Chirurgie,
Orthopädische Klinik X.________, vom 7. März 2009 auflegen.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes
wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2
BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG). Mit Blick auf diese Kognitionsregelung ist
aufgrund der Vorbringen in der Beschwerde ans Bundesgericht zu prüfen, ob der
angefochtene Gerichtsentscheid in der Anwendung der massgeblichen materiell-
und beweisrechtlichen Grundlagen (u.a.) Bundesrecht verletzt (Art. 95 lit. a
BGG), einschliesslich einer allfälligen rechtsfehlerhaften
Tatsachenfeststellung (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf eine IV-Invalidenrente. Die
massgeblichen Rechtsgrundlagen sind im angefochtenen Entscheid, auf den
verwiesen wird, zutreffend dargelegt.

3.
Das kantonale Gericht hat gestützt auf eine einlässliche und überzeugende
Würdigung der medizinischen Akten erkannt, es liege keine relevante
Arbeitsunfähigkeit vor. Es stützt sich dabei namentlich auf das MEDAS-Gutachten
vom 20. November 2007. Danach ist das Leistungsvermögen aufgrund einer leichten
depressiven Episode eingeschränkt, allerdings nur im Umfang von 10 % und
lediglich für eine Dauer von zwölf Wochen. Ansonsten besteht für die
angestammte Tätigkeit wie für Verweistätigkeiten eine volle Arbeitsfähigkeit.
Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Schulterproblematik.

3.1 In der Beschwerde wird nichts vorgebracht, was die vorinstanzliche
Beurteilung in Frage stellen könnte. Den medizinischen Berichten der SUVA wurde
von den MEDAS-Gutachtern und im angefochtenen Entscheid Rechnung getragen. Das
kantonale Gericht hat auch dargelegt, weshalb es auf die Einschätzung gemäss
MEDAS-Expertise und nicht auf frühere Arztberichte, in welchen teilweise eine
Arbeitsunfähigkeit bestätigt wurde, abgestellt hat. Es trifft sodann entgegen
der in der Beschwerde vertretenen Auffassung nicht zu, dass die SUVA eine -
bleibende - Arbeitsunfähigkeit von 50 % anerkannt hat. Vielmehr ist der
Unfallversicherer zum Ergebnis gelangt, es sei keine Arbeitsunfähigkeit (und
Erwerbsunfähigkeit) gegeben, welche einen Anspruch auf eine UVG-Invalidenrente
zu begründen vermöchte. Dass das kantonale Gericht die SUVA, nicht aber die
IV-Stelle zu weiteren medizinischen Abklärungen verpflichtet hat, lässt den
angefochtenen Entscheid ebenfalls nichts als rechtswidrig erscheinen. Das
Vorgehen der Vorinstanz lässt sich durchaus damit erklären, dass die
Unfallversicherung bereits ab einem Invaliditätsgrad von 10 % eine
Invalidenrente auszurichten hat (Art. 18 Abs. 1 UVG), während der
IV-Rentenanspruch einen Invaliditätsgrad von mindestens 40 % voraussetzt (Art.
28 Abs. 1 IVG in der bis Ende 2007 gültig gewesenen Fassung; Art. 28 Abs. 2 IVG
in der seit Anfang 2008 geltenden Fassung). Entsprechend kann, wenn umstritten
ist, ob überhaupt eine Arbeitsunfähigkeit besteht, unter Umständen eine weitere
Abklärung für einen UVG-Rentenanspruch relevanten neuen Aufschluss bringen, für
den IV-Rentenanspruch hingegen nicht. Die weiteren Vorbringen in der Beschwerde
beschränken sich auf eine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid.
Eine Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 f. BGG wird damit nicht dargetan.
Dies gilt auch, soweit geltend gemacht wird, die Vorinstanz hätte weitere
medizinische Abklärungen zur Schulterproblematik treffen müssen.

3.2 In der Eingabe vom 9. April 2009 macht die Versicherte geltend, ihr
Leistungsanspruch werde durch das Gutachten des Dr. med. P.________ vom 7. März
2009 gestützt.
Das trifft nicht zu. Der Experte bestätigt einen Restzustand bei
posttraumatischer partieller Schultersteife links. Er geht davon aus, dass eine
teils sitzend, teils stehend auszuübende Arbeit, beispielsweise eine
Verpackungstätigkeit, ohne Heben von Gewichten über 5 kg zumutbar sei, wobei
ein Einsatz der (linken) Hand über Schulterniveau ebenso wie das körperferne
Heben und Tragen von leichten Gegenständen eingeschränkt möglich sei. Arbeiten
auf Leitern oder Gerüsten könnten nicht ausgeübt werden. Der zeitliche Umfang
hänge von der Belastung während der Arbeit ab und könne unter Umständen etwas
reduziert sein. Die Leistungsfähigkeit sei eventuell im Sinne des
MEDAS-Gutachtens vom 20. November 2007 aufgrund der psychopathologischen
Funktionsstörung um ca. 10 % vermindert.
Eine Arbeitsunfähigkeit, welche sich erwerblich in (IV-)rentenbegründendem
Ausmass auswirken könnte, ergibt sich aus den Aussagen des Dr. med. P.________
nicht. Diese sind somit auch nicht geeignet, die vorinstanzliche Beurteilung
als rechtsfehlerhaft erscheinen zu lassen. Damit erübrigen sich Weiterungen zur
prozessualen Zulässigkeit der nachträglichen Eingabe und der mit ihr
aufgelegten Expertise.

3.3 Nach dem Gesagten hat das kantonale Gericht einen Anspruch auf eine
IV-Invalidenrente zu Recht verneint.

4.
Die Kosten des Verfahrens sind von der unterliegenden Beschwerdeführerin zu
tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 1. Mai 2009
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung Lanz