Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.989/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_989/2008

Urteil vom 27. April 2009
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Niquille, Bundesrichter Maillard,
Gerichtsschreiberin Polla.

Parteien
H.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Fürsprecherin Esther Ebinger-Michel,

gegen

Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) des Kantons Aargau, Rain 53, 5000 Aarau,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Arbeitslosenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom
28. Oktober 2008.

Sachverhalt:

A.
Der 1962 geborene H.________ meldete sich am 31. März 2008 bei der
Arbeitslosenversicherung zum Leistungsbezug an, nachdem er vom 1. Juli 1999 bis
31. März 2008 bei der Firma X.________ tätig gewesen war, welcher er auch als
einzelzeichnungsberechtigter Verwaltungsrat angehörte. Mit Verfügung vom 12.
Juni 2008 verneinte das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Aargau (AWA)
einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung für die Zeit vom 1. bis 20. April
2008 wegen der arbeitgeberähnlichen Stellung des Versicherten bei Beginn der
Arbeitslosigkeit, die erst mit Konkurseröffnung über die Firma am ........
dahingefallen sei. Daran hielt das AWA auf Einsprache hin fest
(Einspracheentscheid vom 9. Juli 2008).

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons
Aargau mit Entscheid vom 28. Oktober 2008 ab.

C.
H.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei ihm ab 1.
April 2008 Arbeitslosenentschädigung zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache
zur Durchführung weiterer Abklärungen an die Verwaltung zurückzuweisen.
Das Staatssekretariat für Wirtschaft und das AWA liessen sich nicht vernehmen,
während die Vorinstanz auf eine Stellungnahme verzichtet hat.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes
wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2
BGG).

2.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen über den Ausschluss
arbeitgeberähnlicher Personen vom Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung (Art.
31 Abs. 3 lit. c AVIG) sowie die Rechtsprechung zur analogen Anwendung dieser
Norm auf arbeitgeberähnliche Personen, welche Arbeitslosenentschädigung
beanspruchen (BGE 123 V 234 ff.; ARV 2005 Nr. 23 S. 268, C 102/04) zutreffend
dargelegt. Darauf wird verwiesen.
Bei Arbeitnehmern, bei denen sich aufgrund ihrer Mitwirkung im Betrieb die
Frage stellt, ob sie einem obersten betrieblichen Entscheidungsgremium
angehören und ob sie in dieser Eigenschaft massgeblich Einfluss auf die
Unternehmensentscheidungen nehmen können, muss jeweils geprüft werden, welche
Entscheidungsbefugnisse ihnen aufgrund der internen betrieblichen Struktur
zukommen. Hievon ausgenommen sind einzig die mitarbeitenden Verwaltungsräte, da
diese unmittelbar von Gesetzes wegen (Art. 716 bis 716b OR) über eine
massgebliche Entscheidungsbefugnis im Sinne von Art. 31 Abs. 1 lit. c AVIG
verfügen. Handelt es sich somit um ein Mitglied des Verwaltungsrates, so greift
der persönliche Ausschlussgrund des Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG ohne weiteres
Platz, und es bedarf diesfalls keiner weiteren Abklärungen zu seinen konkreten
Verantwortlichkeiten in der Firma (BGE 123 V 234 E. 7a S. 238; 122 V 270 E. 3
S. 273; ARV 2004 Nr. 21 S. 196, C 113/03; 2002 Nr. 28 S. 183, C 373/00; 1996/97
Nr. 10 S. 48, C 35/94; Nr. 31 S. 170, C 296/96; Nr. 41 S. 224, C 42/97).

3.
3.1 Nach den Feststellungen des kantonalen Gerichts war der Versicherte auch
nach der Anmeldung zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung ab 1. April 2008 bei
der Firma X.________ als Verwaltungsratsmitglied mit
Einzelzeichnungsberechtigung im Handelsregister eingetragen, bei der er bis zur
Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen, laut Arbeitgeberbescheinigung vom 31.
März 2008, als Einkäufer/Verkäufer angestellt gewesen war. Am ........
erstattete die Aktiengesellschaft beim Gerichtspräsidium eine
Überschuldungsanzeige gemäss Art. 725 Abs. 2 OR, worauf dieses am ........ über
die Firma den Konkurs eröffnete. Die Vorinstanz kam gestützt hierauf zum
Schluss, die arbeitgeberähnliche Position habe damit ex lege auch bei Eintritt
der Arbeitslosigkeit bestanden und zumindest noch bis zur Konkurseröffnung am
........ weitergedauert. Überdies sei mit Blick auf die Kompetenzregelung bei
der Firma X.________ zu beachten, dass der Beschwerdeführer selbst seine
Kündigung und die Arbeitgeberbescheinigung unterzeichnet habe, womit er auch
nach Hinterlegung der Bilanz beim Richter am ........ noch Einfluss auf den
Geschäftsgang gehabt habe und beispielsweise noch Gefälligkeitsbescheinigungen
über Lohnhöhe und Anstellungsdauer hätte machen können oder seine
Arbeitslosigkeit hätte nach Belieben verlängern oder verkürzen können. Mit
Blick auf das wegen der Stellung des Versicherten als Verwaltungsrat bestehende
Missbrauchsrisiko sei die Verneinung des Anspruchs auf Arbeitslosentaggeld für
die Zeit vom 1. bis 20. April 2008 daher rechtens.

3.2 Was in der Beschwerde hiegegen vorgebracht wird, ist nicht stichhaltig.
Insbesondere ist nicht ersichtlich, inwiefern die Vorinstanz
Verfahrensvorschriften verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt unrichtig
und unvollständig festgestellt oder eine Rechtsverletzung begangen haben soll.
Nicht zu folgen ist sodann dem Einwand, die arbeitgeberähnliche Stellung des
Beschwerdeführers sei mit der Überschuldungsanzeige und Hinterlegung der Bilanz
nach Art. 725 Abs. 2 OR aufgegeben worden. Zutreffend ist, dass der Richter,
wenn er benachrichtigt wird, grundsätzlich den Konkurs eröffnet, falls die
formellen und materiellen Voraussetzungen dazu erfüllt sind; d.h. der Richter
hat nach formell korrekter Überschuldungsanzeige die Überschuldung der
Gesellschaft materiell zu prüfen und, sofern kein Antrag auf Konkursaufschub
vorliegt, den Konkurs zu eröffnen. Dabei ist auch im Rahmen eines
Konkursaufschubs die Verfügungs- und Vertretungsmacht der Organe nicht
eingeschränkt, kann aber als vermögenserhaltende Massnahme durch entsprechende
richterliche Anordnung begrenzt werden (Homburger, Zürcher Kommentar, Zürich
1997, N. 1295 ff. zu Art. 725a OR; Wüstiner, Basler Kommentar OR II, 3. Aufl.,
Basel 2008, N. 10 zu Art. 725a OR; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel,
Schweizerisches Aktienrecht, Bern 1996, § 50 N. 223 ff.; vgl. Auch Urteile H
213/00 vom 27. Juni 2002 E. 5a und H 99/06 vom 11. September 2007 E. 6a). Mit
der Benachrichtung des Richters fällt demnach nicht jede Möglichkeit der
Einflussnahme auf die Gesellschaft sofort dahin, zumal die Konkurseröffnung
nicht die automatische Folge der vom Verwaltungsrat erstatteten Anzeige ist.
Der Beschwerdeführer macht ferner nicht geltend, der Richter habe sofort nach
Erhalt der Überschuldungsanzeige im Sinne einer vorsorglichen Massnahme zur
Wahrung der Gläubigerrechte die Befugnisse des Verwaltungsrats eingeschränkt
(vgl. Homburger, a.a.O. N. 1302 zu Art. 725a OR). Dass der Versicherte im
Zeitpunkt der Konkurseröffnung keinen Einfluss mehr auf die Geschicke der
Unternehmung hatte, da der Konkurs auch nicht mangels Aktiven wieder
eingestellt wurde und der Versicherte nicht als Liquidator amtete, ist
ausserdem unbestritten und hinsichtlich der hier in Frage stehenden Zeitspanne
bis Konkurseröffnung am ........ ohne Belang, weshalb es die Vorinstanz auch
nicht in willkürlicher Weise unterlassen hat, die Gerichtsakten bezüglich der
Konkurseröffnung und die Konkursakten beizuziehen. Nach dem Gesagten ging der
Versicherte als mitarbeitender Verwaltungsrat seiner formellen Organstellung
und damit seiner arbeitgeberähnlichen Funktion mit der Verschuldungsanzeige
nicht verlustig. Die Vorinstanz durfte dementsprechend, ohne Bundesrecht zu
verletzen, von einer arbeitgeberähnlichen Stellung bis Konkurseröffnung
ausgehen, weshalb dem Beschwerdeführer in der Zeit vom 1. bis 20. April 2008
keine Arbeitslosenentschädigung zusteht.

4.
Die Kosten des Verfahrens sind vom unterliegenden Beschwerdeführer zu tragen
(Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Staatssekretariat für Wirtschaft schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 27. April 2009

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Polla