Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.988/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_988/2008

Urteil vom 14. Mai 2009
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterinnen Leuzinger, Niquille,
Gerichtsschreiberin Polla.

Parteien
R.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Advokat Guido Ehrler,

gegen

Öffentliche Arbeitslosenkasse Baselland, Bahnhofstrasse 32, 4133 Pratteln,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Arbeitslosenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid
des Kantonsgerichts Basel-Landschaft
vom 6. August 2008.

Sachverhalt:

A.
Der 1964 geborene R.________ war vom 1. Februar 2001 bis 31. August 2004 bei
der Unternehmung P.________ tätig. Am 11. August 2004 meldete er sich zur
Arbeitsvermittlung und ab 1. September 2004 zum Leistungsbezug bei der
Arbeitslosenversicherung an, wobei auf den 2. September 2004 die Abmeldung
erfolgte. Nachdem R.________ am 3. Juli 2003 die Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug ersucht hatte, gewährte ihm diese vom 1. Oktober 2003 bis 30.
Juni 2004 eine halbe Rente (Verfügung vom 27. Juli 2004). Am 8. September 2006
bestätigte die IV-Stelle verfügungsweise, dass R.________ ab 18. März 2004 bei
einem rentenausschliessenden Invaliditätsgrad wieder für eine leidensadaptierte
Tätigkeit vollständig arbeitsfähig sei. Am 27. September 2006 beantragte er
erneut Leistungen der Arbeitslosenversicherung. Mit Verfügung vom 20. Oktober
2006 lehnte die Öffentliche Arbeitslosenkasse Baselland das Begehren mit der
Begründung ab, es fehle am Erfordernis der erfüllten Beitragszeit und auch ein
Befreiungsgrund sei nicht gegeben. Daran hielt die Kasse auf Einsprache hin
fest (Einspracheentscheid vom 23. März 2007).

B.
Die von R.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht
Basel-Landschaft mit Entscheid vom 6. August 2008 ab.

C.
R.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, unter Aufhebung des kantonalen Entscheids und des
Einspracheentscheids sei festzustellen, dass er beitragsbefreit sei und damit
ab 27. September 2006 Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung habe. Das mit der
Beschwerde gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wurde mit Schreiben
vom 9. Februar 2009 zurückgezogen.
Während die Arbeitslosenkasse Abweisung der Beschwerde beantragt, hat das
Staatssekretariat für Wirtschaft auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG)
kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG).
Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Artikel 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des
Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt
seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Es
kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen
oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG).

2.
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Vorschriften zur Erfüllung der
Beitragszeit (Art. 13 Abs. 1 AVIG) als einer Voraussetzung für den Anspruch auf
Arbeitslosenentschädigung (Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG), zu den Rahmenfristen
(Art. 9 AVIG) und zur Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit (Art. 14
Abs. 1 und 2 AVIG) richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3.
Es ist unbestritten, dass der Versicherte während der Rahmenfrist für die
Beitragszeit vom 27. September 2004 bis 26. September 2006 keine Beitragszeit
erworben hat. Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf
Arbeitslosenentschädigung ab 27. September 2006 unter dem Gesichtspunkt der
Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit (Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG).

4.
4.1 In medizinischer Hinsicht gelangte das kantonale Gericht zum Ergebnis, der
Beschwerdeführer sei seit 18. März 2004 in einer rückenadaptierten Tätigkeit zu
100 % arbeitsfähig. Diese Feststellung ist tatsächlicher Natur (BGE 132 V 393
E. 3.2 S. 398). Sie lässt sich im Rahmen der Überprüfungsbefugnis des
Bundesgerichts (E. 1 hiervor) nicht beanstanden, beruht sie doch auf einer
einleuchtenden Würdigung des Gutachtens des Dr. med. M.________, Facharzt FMH
für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 5. August 2006, welchem die Vorinstanz
ohne Verletzung von Bundesrecht volle Beweiskraft beimessen durfte. Wie sie
zutreffend festhielt, bestätigte die IV-Stelle verfügungsweise am 8. September
2006 dementsprechend gestützt auf dieses im Rahmen des
invalidenversicherungsrechtlichen Verfahrens ergangenen Rückweisungsentscheids
des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 25. Mai 2005 eingeholten
psychiatrischen Gutachtens ihre ursprüngliche Verfügung vom 27. Juli 2004,
womit dem Versicherten für die Zeit vom 1. Oktober 2003 bis 30. Juni 2004 eine
halbe Rente der Invalidenversicherung zustand und anschliessend mangels
Invalidität der Rentenanspruch verneint wurde.
4.2
4.2.1 Als Ergebnis einer umfassenden, sorgfältigen Beweiswürdigung verneinte
das kantonale Gericht demzufolge einen Befreiungsgrund nach Art. 14 Abs. 1 lit.
b AVIG, da der Beschwerdeführer in einer behinderungsangepassten Tätigkeit
vollständig arbeitsfähig sei. Daran vermögen die Vorbringen in der Beschwerde
nichts zu ändern. Nicht stichhaltig ist vorab das Argument, angesichts der
während mehr als drei Jahren ärztlich verordneten Therapien könne ihm nicht
vorgehalten werden, er hätte einsehen müssen, dass er arbeitsfähig gewesen sei.
Wie die Vorinstanz zu Recht ausführte, war es dem Versicherten mit der
Verfügung der IV-Stelle vom 27. Juli 2004 bekannt, dass ihm die erwerbliche
Verwertung einer leidensangepassten Tätigkeit ab März 2004 objektiv zugemutet
wurde. Daraus hätte er erkennen können, dass er sich nicht auf die gegenteilige
Einschätzung seines behandelnden Psychiaters Dr. med. G.________ verlassen
durfte, welcher ihn seit 19. Juni 2003 aufgrund einer anhaltenden somatoformen
Schmerzstörung und einer leichten depressiven Episode vollständig
arbeitsunfähig erachtete (Bericht vom 28. März 2004), welche Einschätzung vom
kantonalen Gericht auch mit Blick auf die auftragsrechtliche Vertrauensstellung
gegenüber seinem Patienten, zu Recht mit Vorbehalt gewürdigt wurde (BGE 125 V
353 E. 3b/cc). Der Einwand, wonach der Versicherte erst mit dem Gutachten des
Dr. med. M.________ vom 5. August 2006 Kenntnis erhalten haben soll, dass
hinsichtlich einer leidensangepassten Tätigkeit eine 100%ige Arbeitsfähigkeit
bestehe, geht demnach fehl. Das Vorliegen des Befreiungstatbestandes Krankheit,
Unfall oder Mutterschaft gemäss Art. 14 Abs. 1 lit. b AVIG bestimmt sich,
worauf die Vorinstanz bereits hinwies, grundsätzlich nach objektiver
Betrachtungsweise, somit ex post. Ob sich eine versicherte Person nach eigener
Einschätzung gesundheitsbedingt ausser Stande sieht, eine beitragspflichtige
(Teilzeit-) Beschäftigung auszuüben, ist demgegenüber nicht massgebend. Daran
ändert nichts, dass im Zuge der Abklärungen hinsichtlich unfall- und/oder
invalidenversicherungsrechtlicher Ansprüche, die häufig längere Zeit dauern,
allenfalls kontroverse Stellungnahmen der involvierten Ärzte zur
Arbeitsfähigkeit vorliegen (Urteil C 333/00 vom 1. April 2002 E. 3) oder dass
die IV-Verfügung vom 27. Juli 2004 beschwerdeweise angefochten worden ist (vgl.
Urteil C 238/05 vom 8. Mai 2006 E. 4.2). Aus der Verfügung der IV-Stelle vom
27. Juli 2004 ergab sich vielmehr in Nachachtung des im
Sozialversicherungsrecht allgemein geltenden Grundsatzes der
Schadenminderungspflicht (BGE 129 V 460 E. 4.2 in fine S. 463; 123 V 230 E. 3c
S. 233, 117 V 400, je mit Hinweisen) die Verpflichtung zur Arbeitssuche. Damit
war der Beschwerdeführer nicht im Sinne von Art. 14 Abs. 1 AVIG daran
gehindert, eine beitragspflichtige Beschäftigung auszuüben und dadurch die
erforderliche Beitragszeit innerhalb der massgebenden Rahmenfrist zu erfüllen.
4.2.2 Mit Blick auf den Grundsatz von Treu und Glauben machte der
Beschwerdeführer im vorinstanzlichen Verfahren eine Falschauskunft seitens der
RAV-Beratung hinsichtlich der Vermittlungsfähigkeit geltend, neu beruft er sich
auf eine unterlassene Auskunft durch das RAV, da ihm nicht mitgeteilt worden
sei, dass sich die Berichte seines Psychiaters im Nachhinein als nicht
massgebend erweisen könnten, sodass er zur Stempelkontrolle und Arbeitssuche
verpflichtet gewesen sei.
Nach Art. 27 Abs. 2 ATSG besteht ein individuelles Recht auf Beratung durch den
zuständigen Versicherungsträger. Jede versicherte Person kann vom
Versicherungsträger im konkreten Einzelfall eine unentgeltliche Beratung über
ihre Rechte und Pflichten verlangen (BGE 131 V 472 E. 4.1 S. 476). Sinn und
Zweck der Beratungspflicht ist, die betreffende Person in die Lage zu
versetzen, sich so zu verhalten, dass eine den gesetzgeberischen Zielen des
jeweiligen Erlasses entsprechende Rechtsfolge eintritt (BGE 131 V 472 E. 4.3 S.
478; SVR 2008 IV Nr. 10, I 714/06 E. 4.1). Die Beratungspflicht nach Art. 27
Abs. 2 ATSG besteht aber nicht voraussetzungslos. Es muss ein hinreichender
Anlass zur Information gegeben sein, was etwa dann der Fall ist, wenn für den
zuständigen Versicherungsträger bei einem durchschnittlichen Mass an
Aufmerksamkeit erkennbar die versicherte Person durch ein bestimmtes Verhalten
(Handeln oder Unterlassen) Leistungsansprüche zu gefährden vermag (BGE 133 V
257 E. 7.2 S. 258 f.; ULRICH MEYER, Grundlagen, Begriff und Grenzen der
Beratungspflicht der Sozialversicherungsträger nach Art. 27 Abs. 2 ATSG, in:
Sozialversicherungsrechtstagung 2006, S. 25 f.). Unterbleibt eine Auskunft
entgegen gesetzlicher Vorschrift oder obwohl sie nach den im Einzelfall
gegebenen Umständen geboten war, hat die Rechtsprechung dies der Erteilung
einer unrichtigen Auskunft gleichgestellt. Abgeleitet aus dem Grundsatz von
Treu und Glauben kann eine unrichtige Auskunft unter bestimmten Voraussetzungen
eine vom materiellen Recht abweichende Behandlung der Recht suchenden Person
gebieten (BGE 131 V 472 E. 5 S. 480 mit Hinweisen).
Im Protokoll des RAV-Beratungsgesprächs vom 2. September 2004 wurde vermerkt,
dass sich der Beschwerdeführer selbst abmelde und dass er noch 151
Krankentaggelder zugute habe. Den medizinischen Akten (vgl. Gutachten des Dr.
med. M.________ vom 5. August 2006, insb. S. 8 und S. 15 f.) ist zu entnehmen,
dass sich der Versicherte subjektiv nicht in der Lage sah, einer Arbeit
nachzugehen. Bei dem vorliegenden Sachverhalt bestand daher kein Anlass für
eine weitergehende Informationspflicht seitens der RAV-Beratung. Überdies
bedeutet eine dannzumalige Nichterfüllung der Kontrollvorschriften für den hier
massgebenden Zeitraum ab zweiter Anmeldung zum Leistungsbezug am 27. September
2006, welche neue Rahmenfristen für die Beitragszeit und für den Leistungsbezug
begründete, keine für den Versicherten nachteilige Disposition. Die
Verpflichtung zur Arbeitssuche ergab sich - wie dargelegt (E. 4.2.1) - bereits
aus der Verfügung der IV-Stelle vom 27. Juli 2004. Damit hält der
vorinstanzliche Entscheid auch unter vertrauensschutzrechtlichem Gesichtspunkt
stand.

5.
Nachdem der Beschwerdeführer sein ursprünglich gestelltes Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege zurückgezogen hat, sind die Gerichtskosten dem
Verfahrensausgang entsprechend von ihm als unterliegender Partei zu tragen
(Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung
Sozialversicherungsrecht, dem Kantonalen Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit
Baselland und dem Staatssekretariat für Wirtschaft schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 14. Mai 2009
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Polla