Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.975/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_975/2008

Urteil vom 6. Mai 2009
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Niquille,
Gerichtsschreiber Krähenbühl.

Parteien
Z.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Advokat Dr. Andreas Bernoulli,

gegen

IV-Stelle Basel-Stadt, Lange Gasse 7, 4052 Basel,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt
vom 20. August 2008.

Sachverhalt:

A.
Z.________ (Jg. 1968) war bis 31. Mai 2004 als Magaziner in der Unternehmung
C.________ angestellt. Am 23. März 2004 meldete er sich wegen "Depression" bei
der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug, namentlich Arbeitsvermittlung und
Wiedereingliederung in die bisherige Tätigkeit, an. Gestützt auf die Ergebnisse
ihrer Abklärungen medizinischer und erwerblicher Art sprach ihm die IV-Stelle
Basel-Stadt mit Verfügung vom 26. November 2007 für die Zeit ab 1. August 2004
eine bis 31. Oktober 2005 befristete ganze Invalidenrente zu, verneinte jedoch
einen darüber hinaus andauernden Anspruch; dies unter Annahme einer ab 1.
November 2005 noch 30%igen Erwerbsunfähigkeit und eines ab 1. August 2007
uneingeschränkten Leistungsvermögens.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde mit dem Begehren um Weiterausrichtung einer
ganzen Invalidenrente über den 31. Oktober 2005 hinaus, eventuell um Anordnung
einer psychiatrischen Begutachtung wies das Sozialversicherungsgericht
Basel-Stadt mit Entscheid vom 20. August 2008 ab.

C.
Z.________ lässt beschwerdeweise die Aufhebung des kantonalen Entscheids und
die Rückweisung der Sache an die Verwaltung oder an die Vorinstanz zwecks
Einholung eines psychiatrischen Obergutachtens und anschliessendem neuen
Entscheid über den Rentenanspruch ab 1. November 2005 beantragen. Zudem ersucht
er um unentgeltliche Rechtspflege. Am 20. Januar 2009 reicht er eine
Stellungnahme des Dr. med. A.________, Oberarzt bei den Externen
Psychiatrischen Diensten, vom 16. Januar 2009 nach.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde, während das Bundesamt für
Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzung gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann die Sachverhaltsfeststellung
der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig
ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die
Behebung des Mangels überdies für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein
kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Will ein Beschwerdeführer die
Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz anfechten, muss er substantiiert
darlegen, inwiefern die Voraussetzungen einer Ausnahme gemäss Art. 105 Abs. 2
BGG gegeben sind. Andernfalls kann ein von den Feststellungen im angefochtenen
Entscheid abweichender Sachverhalt nicht berücksichtigt werden (vgl. BGE 130
III 138 E. 1.4 S. 140). Neue Tatsachen und Beweismittel schliesslich dürfen nur
so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass
gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 8C_934/2008 vom 17. März 2009 E. 3).

2.
Die rückwirkende Zusprache einer zeitlich befristeten Rente ist nur möglich,
wenn die Voraussetzungen für eine Rentenherabsetzung oder -aufhebung auf dem
Revisionsweg im Sinne von Art. 17 ATSG erfüllt sind, wenn mithin im
massgebenden Vergleichszeitraum, vorliegend ab Beginn des Rentenanspruchs bis
zu dessen Aufhebung, eine rentenrelevante Veränderung in den tatsächlichen
Verhältnissen eingetreten ist. Eine solche wurde in der dem kantonalen Gericht
eingereichten Beschwerde noch mit der Begründung in Abrede gestellt, dass
lediglich eine unterschiedliche Beurteilung der zumutbaren Arbeitsfähigkeit bei
ansonsten unverändertem Gesundheitszustand vorliege. Diese Argumentation wird
in der Beschwerde vor Bundesgericht ausdrücklich nicht mehr aufrechterhalten,
weshalb darauf nur am Rande zurückgekommen wird.

2.1 Die Zusprache einer ganzen Invalidenrente erfolgte gestützt auf den Bericht
der Psychotherapeutischen Klinik X.________ der Psychiatrischen Klinik
Y.________ vom 24. Mai 2004, in welchem eine mittelgradige depressive Episode
(ICD-10: F32.1), akzentuierte Persönlichkeitszüge mit anankastischen und
narzisstischen Anteilen (ICD-10: Z73.1) sowie ein Erschöpfungssyndrom (ICD-10:
Z73.0) diagnostiziert und eine seit August 2003 bestehende 100%ige
Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wurden. Grund zur Rentenaufhebung auf den 1.
November 2005 hin bildeten die Stellungnahmen der Klinik Y.________ vom 8.
November 2005 und vom 12. Juli 2007. In Ersterer diagnostizierten die Ärzte
erneut eine mittelgradige depressive Episode - diesmal mit somatischem Syndrom
(ICD-10: F32.11) - und akzentuierte Persönlichkeitszüge mit anankastischen und
narzisstischen Anteilen (ICD-10: Z73.1). Nicht mehr erwähnt wurde das
ursprünglich am 24. Mai 2004 noch genannte Erschöpfungssyndrom (ICD-10: Z73.0).
Im Bericht vom 12. Juli 2007 schliesslich ist von rezidivierenden dissoziativen
Trancezuständen (ICD-10: F44.3) und wiederum von anamnestisch bekannten
akzentuierten Persönlichkeitszügen mit anankastischen und narzisstischen
Anteilen (ICD-10: Z73.1) die Rede. Diese Befunde werden indessen ausdrücklich
als "Diagnosen ohne Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit" aufgeführt. Weiter wird
ein Status nach mittelgradig depressiver Episode, remittiert, genannt, eine
schizoaffektive Störung, wie sie Dr. med. A.________ diagnostiziert hatte,
hingegen ausdrücklich ausgeschlossen. Die Arbeitsfähigkeit wurde von den Ärzten
der Klinik Y.________ am 8. November 2005 auf 70 % und am 12. Juli 2007 auf 100
% veranschlagt.

2.2 Die auf den 1. November 2005 hin erfolgte Rentenaufhebung beruhte somit
nicht auf einer bloss unterschiedlichen Beurteilung eines im Wesentlichen
unverändert gebliebenen Sachverhalts, was für eine Rentenrevision nach Art. 17
ATSG nicht genügt hätte. Bereits im Bericht der Klinik Y.________ vom 8.
November 2005 wurde das am 24. Mai 2004 noch diagnostizierte Erschöpfungssydrom
nicht mehr erwähnt und am 12. Juli 2007 konnten die Gutachter der Klinik
Y.________ überhaupt keine Diagnose mehr stellen, welche die Erwerbsfähigkeit
beeinträchtigen würde. Damit aber lag schon am 8. November 2005 eine - wenn
auch nur geringfügig - geänderte Diagnosestellung vor, während der
Gesundheitszustand am 12. Juli 2007 klar neu umschrieben wurde. Vorinstanz und
Verwaltung konnten darin eine Verbesserung der gesundheitlichen Situation als
Voraussetzung für eine Rentenrevision erblicken, ohne dass dies eine
Rechtsverletzung darstellen würde. Zu beachten ist dabei, dass eine Veränderung
des Gesundheitszustandes nicht in jedem Fall in einer abweichenden Diagnose
Ausdruck finden muss, sondern unter Umständen selbst bei gleichbleibendem
Leiden - und damit unveränderter Diagnose - abhängig vom jeweiligen Schweregrad
des Krankheitsbildes bejaht werden kann. Im Übrigen lässt sich auch die
vorinstanzliche Überlegung nicht von der Hand weisen, wonach die seinerzeitige
Arbeitsunfähigkeitsschätzung im Bericht vom 24. Mai 2004 während der ab März
bis Juli 2004 dauernden stationären psychiatrischen Betreuung in der Klinik
X.________ erfolgte, sodass die durch den Klinikaufenthalt bedingte
Unmöglichkeit einer Arbeitstätigkeit die Zumutbarkeitsbeurteilung mit
beeinflusst haben dürfte.

3.
Damit stellt sich die Frage, ob die Veränderung des Gesundheitszustandes ein
Ausmass erreichte, das eine Herabsetzung oder gar Aufhebung des
Rentenanspruches rechtfertigen konnte.

3.1 Dies lässt sich in der Regel nur gestützt auf die Ergebnisse der
durchgeführten medizinischen Abklärungen beurteilen, deren vorinstanzliche
Würdigung indessen grundsätzlich zur Sachverhaltsermittlung zählt und daher für
das Bundesgericht verbindlich ist. Davon kann nur abgewichen werden, wenn eine
der in Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG genannten Voraussetzungen gegeben
ist, nämlich wenn die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung entweder
offensichtlich unrichtig ist oder aber auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG beruht (E. 1 hievor). Von offensichtlicher Unrichtigkeit kann
allerdings nicht schon gesprochen werden, nur weil sich die Verwaltung oder die
Vorinstanz einer von mehreren ärztlichen Meinungen - namentlich
Diagnosestellungen - angeschlossen und auf die darauf beruhende
Arbeitsfähigkeitsschätzung abgestellt hat. Selbst wenn sich dies letztlich als
unrichtig erweisen sollte, ist in aller Regel keine Offensichtlichkeit der
fehlerhaften Sachverhaltsfeststellung gegeben. Hingegen wird sich die Frage
stellen, ob die zuständigen Instanzen Anhaltspunkten für eine abweichende
Betrachtungsweise genügend Beachtung geschenkt haben, solchen mit hinreichender
Sorgfalt nachgegangen sind und insbesondere die zur zuverlässigen Abklärung des
medizinisch relevanten Sachverhalts allenfalls noch notwendigen Untersuchungen
durchgeführt und/oder diesbezüglich indizierte Massnahmen getroffen haben. Ist
dies zu verneinen, wäre allenfalls eine auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG beruhende Sachverhaltsfeststellung anzunehmen, an welche das
Bundesgericht nicht gebunden wäre (E. 1 hievor). Genau dies macht der
Beschwerdeführer geltend, indem er der Vorinstanz eine unzulängliche
Wahrnehmung ihrer Abklärungspflicht vorwirft und darin eine Verletzung des in
Art. 43 ATSG verankerten und sich auch aus Art. 57 IVG ergebenden
Untersuchungsgrundsatzes sieht.

3.2 Anders als die Ärzte der Klinik Y.________ (vgl. E. 2.1 hievor) stellte Dr.
med. A.________ am 11. Oktober 2006 die Diagnose einer nebst einer
anankastischen Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F60.5) bestehenden
schizoaffektiven Störung, gegenwärtig depressiv (ICD-10: F25.1), und berichtete
von sporadisch in Abständen von bis zu zehn Tagen auftretenden und bis zu drei
Tagen und Nächten dauernden "Blockaden", während derer der Beschwerdeführer
gedankenmässig auf seine frühere Arbeitssituation in der Unternehmung
C.________ fixiert sei, sich in sein Schlafzimmer zurückziehe und weder mit
seiner Ehefrau noch mit seinen drei Kindern Kontakt pflege; dabei träten
jeweils optische und akustische Halluzinationen auf. Mit einem solchen
seinerzeit offenbar weder in der Klinik X.________ noch von den Ärzten der
Klinik Y.________ erkannten psychischen Leidensbild, das gegebenenfalls doch
mit zusätzlichen Auswirkungen auf das Leistungsvermögen verbunden sein könnte,
haben sich Vorinstanz und Verwaltung - entgegen der Darstellung in der
Beschwerdeschrift - in hinreichender Weise eingehend auseinandergesetzt. So hat
die IV-Stelle gleich nach Eingang des Berichts vom 11. Oktober 2006 von Dr.
med. A.________ ergänzende Auskünfte verlangt und nach deren Erhalt am 15.
Januar 2007 sowie Prüfung der gegen ihren Vorbescheid vom 13. August 2007
erhobenen Einwände eine Stellungnahme zur medizinischen Sachlage ihres
Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) veranlasst. Zudem holte sie einen weiteren
Bericht des Dr. med. A.________ vom 15. Januar 2008 ein. Auch wenn trotz dieser
umfangreichen Erhebungen gewisse Ungereimtheiten weiterbestanden haben mögen,
wurden diese spätestens mit der ausführlichen Kommentierung des RAD vom 4. März
2008 in überzeugender Weise ausgeräumt. Zwar genügen RAD-Berichte den von der
Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an beweistaugliche und beweiskräftige
medizinische Gutachten (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352) nicht, doch lässt sich auch
nichts dagegen einwenden, dass sich die IV-Stelle die aufschlussreichen und
überzeugenden Darlegungen des RAD als ergänzende Begründung ihrer nunmehr
angefochtenen Rentenaufhebung zu eigen machte. In der vorinstanzlichen
Verfügungsbestätigung ist denn auch keine Rechtsverletzung im Sinne eines
Verstosses gegen den Untersuchungsgrundsatz gemäss Art. 43 ATSG zu erblicken,
drängten sich angesichts der umfassend dokumentierten Aktenlage und der sich
daraus ergebenden Folgerungen doch keine zusätzlichen Abklärungen mehr auf,
sodass auch von der wiederholt beantragten Einholung eines psychiatrischen
Obergutachtens abgesehen werden konnte.

3.3 Das erst am 20. Januar 2009 nachgereichte Attest des Dr. med. A.________
vom 16. Januar 2009 schliesslich stellt ein im letztinstanzlichen
Beschwerdeverfahren nicht mehr zulässiges Beweismittel dar, da nicht gesagt
werden kann, erst der vorinstanzliche Entscheid hätte dazu Anlass gegeben (E. 1
hievor). Im Übrigen fördert dieser Bericht ohnehin keine neuen Aspekte zu Tage
und vermöchte damit auch keine prozessuale Revision zu rechtfertigen (vgl.
Urteil 9C_40/2007 vom 31. Juli 2007, in: SVR 2009 IV Nr. 10 S. 21).

4.
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens werden die Gerichtskosten dem
Beschwerdeführer aufererlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege im Sinne der vorläufigen Befreiung von den Gerichtskosten und der
unentgeltlichen Verbeiständung kann entsprochen werden, da die Bedürftigkeit
ausgewiesen ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die
Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin geboten war (Art.
64 Abs. 1 und 2 BGG). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG
aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu
leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.

4.
Advokat Dr. Andreas Bernoulli wird als unentgeltlicher Anwalt des
Beschwerdeführers bestellt, und es wird ihm für das bundesgerichtliche
Verfahren aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2800.- ausgerichtet.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt,
der Ausgleichskasse Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherungen
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 6. Mai 2009
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung Krähenbühl