Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.956/2008
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008


Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

8C_956/2008
{T 0/2}

Urteil vom 5. Februar 2009
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Niquille,
Gerichtsschreiberin Weber Peter.

Parteien
L.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Advokat Dominik Zehntner, Spalenberg 20, 4051 Basel,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern, Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des
Kantonsgerichts Basel-Landschaft
vom 9. April 2008.

Sachverhalt:

A.
Der 1954 geborene L.________ war seit April 1998 bei der Einwohnergemeinde
X.________ als Werkhofmitarbeiter angestellt und damit bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch gegen Unfallfolgen versichert,
als er am 11. September 2003 mit seinem Roller seitlich in einen Personenwagen
prallte, nachdem dieser aus einer Stopstrasse hinausfuhr und ihm den Vortritt
verwehrte. Die SUVA anerkannte ihre Leistungspflicht und erbrachte die
gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung und Taggeld). Nach diversen
medizinischen wie auch neuropsychologischen Abklärungen stellte sie mit
Verfügung vom 15. Januar 2007, bestätigt mit Einspracheentscheid vom 10. Mai
2007, die Versicherungsleistungen per 31. Januar 2007 ein, da der adäquate
Kausalzusammenhang zwischen den noch geklagten Beschwerden, welche organisch
nicht hinreichend nachge-wiesen seien, und dem Unfallereignis zu verneinen sei.
Die vom Krankenversicherer vorsorglich eingereichte Einsprache wurde
zurückgezogen.

B.
Das Kantonsgericht Basel-Landschaft wies die gegen den Einspracheentscheid vom
10. Mai 2007 erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 9. April 2008 ab.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt der Versicherte
beantragen, in Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides sei die SUVA zu
verpflichten, rückwirkend ab dem 1. Februar 2007 die ihm zustehenden
Versicherungsleistungen zu erbringen.

Während die SUVA auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist somit weder
an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der
Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem
angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation
der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 130 III 136 E. 1.4 S.
140). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen; es
ist nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden
rechtlichen Fragen zu prüfen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr
vorgetragen wurden. Es kann die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem
und interkantonalem Recht nur insofern prüfen, als eine solche Rüge in der
Beschwerde vorgebracht wird (Art. 106 Abs. 2 BGG).

1.2 Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2.
2.1 Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer aus dem Unfall vom 11.
September 2003 über den 31. Januar 2007 hinaus weiterhin Anspruch auf
Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung hat.

2.2 Das kantonale Gericht hat die Rechtsgrundlagen für die Beurteilung der
umstrittenen Leistungspflicht des Unfallversicherers zutreffend dargelegt. Es
betrifft dies insbesondere die von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze
zum für einen Leistungsanspruch aus der obligatorischen Unfallversicherung
vorausgesetzten natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem
Unfall und dem eingetretenen Schaden im Allgemeinen (BGE 129 V 177 E. 3.1 und
3.2 S. 181 mit Hinweisen) sowie bei psychischen Fehlentwicklungen nach Unfall
(BGE 115 V 133) und nach der für nicht mit organisch objektiv ausgewiesenen
Unfallfolgen verbundenen Schleudertraumen (BGE 117 V 359), äquivalenten
Verletzungen der HWS (RKUV 2000 Nr. U 395 S. 317 E. 3, U 169/98; SVR 1995 UV
Nr. 23 S. 67 E. 2) und Schädel-Hirntraumen (BGE 117 V 369) geltenden sog.
Schleudertrauma-Praxis im Besonderen. Gleiches gilt für die Ausführungen zum
Beweiswert und zur Würdigung medizinischer Berichte und Stellungnahmen (BGE 125
V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweisen, vgl. auch BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232), zu
dem im Sozialversicherungsrecht massgebenden Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit (BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181 mit Hinweisen) sowie zur
Beweislast insbesondere im Fall einer nachträglichen Einstellung der
Versicherungsleistungen (RKUV 2000 Nr. U 363 S. 46 E. 2, U 355/98). Darauf wird
verwiesen.

2.3 Zu betonen bleibt, dass das Bundesgericht jüngst die Schleudertrauma-Praxis
in zweierlei Hinsicht präzisiert hat: Zum einen wurden die Anforderungen an den
Nachweis einer natürlich unfallkausalen Verletzung, welche die Anwendung dieser
Praxis bei der Prüfung des adäquaten Kausalzusammenhangs rechtfertigt, erhöht.
Zum anderen wurden die Kriterien, welche abhängig von der Unfallschwere
gegebenenfalls in die Adäquanzbeurteilung einzubeziehen sind, teilweise
modifiziert (BGE 134 V 109 E. 9 und 10 S. 121 ff.). Die bei psychischen
Fehlentwicklungen nach Unfall geltenden Grundsätze (BGE 115 V 133) liess das
Bundesgericht hingegen unverändert bestehen (BGE 134 V 109 E. 6.1 S. 116).

3.
3.1 Nach umfassender Würdigung der medizinischen Aktenlage hat das kantonale
Gericht im angefochtenen Entscheid zutreffend erwogen, dass für die bei
Leistungseinstellung noch geklagten gesundheitlichen Beschwerden kein
unfallkausales organisches Substrat im Sinne einer strukturellen traumatisch
bedingten Veränderung objektiviert werden konnte. Dies wird denn von Seiten des
Beschwerdeführers auch nicht bestritten. Nicht weiter umstritten ist zudem der
Zeitpunkt des Fallabschlusses per 31. Dezember 2007. Streitig bleibt, ob die
geklagten organisch nicht nachweisbaren Funktionsausfälle (insbesondere
Augenproblematik, Schwindelproblematik) auf das Unfallereignis zurückzuführen
sind. Während die Beschwerdegegnerin sowohl eine HWS-Distorsion als auch eine
leichte traumatische Hirnverletzung als natürlich kausale Unfallursache
ausschloss, hat die Vorinstanz diese Frage, welche sich aufgrund der
medizinischen Akten nicht abschliessend beurteilen liess, offen gelassen und
von weiteren Abklärungen zur natürlichen Kausalität abgesehen, da die Adäquanz
des Kausalzusammenhangs - auch nach der für den Beschwerdeführer "günstigeren"
Rechtsprechung BGE 134 V 109 ohnehin zu verneinen sei (SVR 1995 UV Nr. 23 S. 67
E. 3c; Urteil 8C_42/2007 vom 14. April 2008 E. 2.). Dies ist, wie die
nachfolgenden Erwägungen zeigen, nicht zu beanstanden. Mithin braucht die
Frage, ob die Adäquanz des Kausalzusammenhanges zwischen den geklagten
gesundheitlichen Beeinträchtigungen und dem Unfall vom 11. September 2003 - wie
von der Beschwerdegegnerin erneut vertreten - nach der sog. Psycho-Praxis im
Sinne von BGE 115 V 133 zu prüfen wäre, nicht weiter behandelt zu werden.

3.2 Wie die Vorinstanz unter Würdigung des augenfälligen Geschehensablaufes
(SVR 2008 UV Nr. 8 S. 26, U 2/07, E. 5.3.1) richtig angenommen hat, ist das
Ereignis vom 11. September 2003, im Rahmen der für die Adäquanzprüfung
vorzunehmenden Einteilung als mittelschwer im mittleren Bereich zu
qualifizieren. Dies wird denn auch nicht beanstandet. Zur Bejahung der Adäquanz
müssten im Rahmen einer Gesamtwürdigung mithin von den weiteren in die
Beurteilung einzubeziehenden Kriterien entweder ein einzelnes in besonders
ausgeprägter Weise oder aber mehrere in gehäufter oder auffälliger Weise
erfüllt sein (BGE 134 V 109 E. 10.1 S. 126 f., 117 V 359 E. 6a S. 367). Es
handelt sich dabei um folgende modifizierten Kriterien: besonders dramatische
Begleitumstände oder besondere Eindrücklichkeit des Unfalls, Schwere oder
besondere Art der erlittenen Verletzungen, fortgesetzte spezifische und
belastende ärztliche Behandlung, erhebliche Beschwerden, eine ärztliche
Fehlbehandlung, welche die Unfallfolgen erheblich verschlimmert, ein
schwieriger Heilungsverlauf und erhebliche Komplikationen sowie eine erhebliche
Arbeitsunfähigkeit trotz nachgewiesener Anstrengungen (BGE 134 V 109 E. 10.2
und 10.3 S. 127)
3.2.1 Mit der Vorinstanz ist das Unfallereignis weder als besonders
eindrücklich zu bezeichnen noch war es mit besonders dramatischen
Begleitumständen verbunden. Unbestrittenermassen nicht erfüllt sind zudem die
Kriterien der ärztliche Fehlbehandlung und des schwierigen Heilungsverlaufs.
3.2.2 Das Vorliegen einer besonders schweren oder besonders gearteten
Verletzung hat das kantonale Gericht ebenfalls zu Recht verneint. Die für die
Erfüllung dieses Kriteriums erforderlichen qualifizierenden Merkmale wie eine
besondere Schwere der für HWS-Verletzungen typischen Beschwerden oder besondere
Umstände, die das Beschwerdebild beeinflussen können (Urteil 8C_664/2008 vom
29. Dezember 2008 E. 2.3.3 mit Hinweisen), sind nicht gegeben. Entgegen dem
Beschwerdeführer kann diesbezüglich aus dem Urteil des Bundesgerichts 8C_508/
2008 vom 22. Oktober 2008 E. 5.4 nichts zu seien Gunsten abgeleitet werden.
Darin wird eine erhebliche Vorschädigung der Wirbelsäule vorausgesetzt, welche
vorliegend allerdings nicht ausgewiesen ist. Anlässlich der medizinischen
Beurteilung des Integritätsschadens bezüglich des früheren Unfalls vom 8. Mai
1987 wurde ein leichtes bis mässiges posttraumatisches Zervikalsyndrom und
Schmerzsyndrom der oberen BWS festgestellt.
3.2.3 Weiter fehlt es mit der Vorinstanz, an einer fortgesetzt spezifischen,
belastenden ärztlichen Behandlung. Entgegen dem Beschwerdeführer stellen
Abklärungsmassnahmen und blosse ärztliche Kontrollen praxisgemäss keine
Behandlung dar. Zudem können die erfolgten Behandlungen, die vor allem in der
Verabreichung schmerzstillender Medikamente, Physiotherapie, Behandlungen bei
der Naturärztin sowie einer regelmässigen ambulanten neuropsychologisch/
psychotherapeutischen Therapie bestanden, nicht als belastend im Sinne der
Rechtsprechung bezeichnet werden (vgl. dazu auch RKUV 2005 Nr. U 549 S. 236, U
380/04 E. 5.2.4 mit Hinweisen).
3.2.4 Was das Kriterium der erheblichen Arbeitsunfähigkeit trotz ausgewiesener
Anstrengungen betrifft, gilt dieses als erfüllt, wenn die versicherte Person in
erheblichem Ausmass arbeitsunfähig ist, obwohl sie alles daran setzt, sich
durch optimale Mitwirkung rasch möglichst wieder in den Arbeitsprozess
einzugliedern (BGE 134 V 109 E. 10.2.7 S. 129 f.; Urteil 8C_590/2007 vom 6.
Oktober 2008 E. 7.7.1). Wie die Beschwerdegegnerin zu Recht einwendet, mangelt
es diesbezüglich an der Erheblichkeit der Arbeitsunfähigkeit, zumal der
Beschwerdeführer nach dem Unfall vom 12. September 2003 bereits am 5. Oktober
2003, also rund drei Wochen später zu 50 % arbeitstätig war. Im November 2004
wurde das Arbeitspensum dann auf 60 % und im Januar 2005 auf 70 % gesteigert.
Anschliessend erfolgte eine Zunahme auf 73 % bzw. 75 % im November 2006.
Entgegen der Vorinstanz kann dieses Kriterium mithin nicht als gegeben erfüllt
werden.
3.2.5 Ob schliesslich die erheblichen Beschwerden im angefochtenen Entscheid
ebenfalls zu Unrecht bejaht wurden, wie die Beschwerdegegnerin vorträgt,
braucht bei dieser Ausgangslage nicht weiter geprüft zu werden, so liegen
zusammenfassend weder mehrere der massgebenden Kriterien vor noch ist eines
davon in ausgeprägter Weise gegeben, womit die Adäquanz ohnehin zu verneinen
ist. Der Leistungsanspruch des Beschwerdeführers wurde daher zu Recht
abgelehnt.

4.
Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer als der unterliegenden Partei
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung
Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich
mitgeteilt.

Luzern, 5. Februar 2009

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Weber Peter