Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.939/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_939/2008

Urteil vom 25. August 2009
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterinnen Leuzinger, Niquille,
Gerichtsschreiber Grunder.

Parteien
S.________,
vertreten durch Fürsprecherin Katerina Baumann,
Beschwerdeführerin,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Bern,
Chutzenstrasse 10, 3007 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Ergänzungsleistung zur AHV/IV,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 8.
Oktober 2008.

Sachverhalt:

A.
Die 1958 geborene S.________ bezieht seit Jahren eine halbe Invalidenrente der
Invalidenversicherung und seit 1999 eine jährliche Ergänzungsleistung, welche
die Ausgleichskasse des Kantons Bern gestützt auf einen Entscheid der Polizei-
und Militärdirektion des Kantons Bern vom 1. März 2007 sowie eine Stellungnahme
der Versicherten vom 28. März 2007, wonach seit dem Jahre 2000 ein Mann
indischer Abstammung in ihrem Haushalt wohnte, rückwirkend ab März 2003 neu
berechnete. Mit Verfügung vom 17. August 2007 forderte die Ausgleichskasse für
den Zeitraum von März 2003 bis März 2007 einen Betrag von Fr. 14'212.- zurück.
Eine Einsprache lehnte sie ab (Einspracheentscheid vom 22. Februar 2008).

B.
Die hiegegen eingereichte Beschwerde und das damit gestellte Gesuch um
Bewilligung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands wies das Verwaltungsgericht
des Kantons Bern ab (Entscheid vom 8. Oktober 2008).

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt S.________
beantragen, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und es sei ihr für den
kantonalen Prozess ein unentgeltlicher Rechtsbeistand zu bewilligen. Das
gleichzeitig gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das
bundesgerichtliche Verfahren zog sie mit Schreiben vom 28. April 2009 zurück
und bezahlte den einverlangten Kostenvorschuss innert der gesetzten Frist.

Erwägungen:

1.
Prozessthema bildet wie im vorinstanzlichen Verfahren einzig die Frage, ob bei
der Berechnung der jährlichen Ergänzungsleistung im Zeitraum von März 2003 bis
März 2007 ausgabenseitig nur die Hälfte des Mietzinses und der EL-rechtlich
dazugehörigen Nebenkosten anzurechnen sind. Unbestritten ist, dass die
Voraussetzungen für eine nachträgliche Neubeurteilung der Ergänzungsleistung
gemäss Art. 53 Abs. 1 oder 2 ATSG (prozessuale Revision oder Wiedererwägung) in
Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 ELG vorliegen.

2.
2.1 Nach den Feststellungen des kantonalen Gerichts, die das Bundesgericht
seinem Urteil zugrunde zu legen hat (Art. 97 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 105
Abs. 1 BGG), gab die Versicherte der Ausgleichskasse erstmals in einem
Schreiben vom 28. März 2007 bekannt, dass sie seit dem Jahre 2000 mit einem
indischen Staatsangehörigen zusammenlebte, dessen Identität und
Aufenthaltsstatus in der Schweiz nicht geklärt war. Gemäss dem vorinstanzlich
zitierten Entscheid der Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern vom 1.
März 2007, mit welchem ein Gesuch um Aufenthaltsbewilligung (soweit darauf
einzutreten war) abgewiesen wurde, hielt sich der Lebenspartner zumindest
zwischen dem 15. Januar 1998 und dem 29. Juni 2004, als die Anmeldung bei der
Einwohnergemeinde Uetendorf erfolgte, ohne entsprechende Bewilligung in der
Schweiz auf. Das kantonale Gericht gelangte zum Schluss, dass hier vom
Grundsatz des Art. 16c Abs. 1 und 2 ELV, wonach bei im Haushalt eines
EL-Bezügers wohnenden Personen, welche nicht in die EL-Berechnung
eingeschlossen sind, eine Mietzinsaufteilung zu gleichen Teilen vorzunehmen
ist, nicht abgewichen werden darf.

2.2 Diesem Ergebnis ist beizupflichten. Die Beschwerdeführerin beherbergte
während Jahren einen sich ohne Bewilligung in der Schweiz aufhaltenden
Ausländer und verstiess damit gegen geltendes Recht. Die geltend gemachte
moralische oder sittliche Pflicht, dem Lebenspartner Unterkunft zu gewähren,
ist daher zumindest bis 29. Juni 2004 (Anmeldung bei der Einwohnergemeinde
Uetendorf) ohne weiteres zu verneinen. Ab diesem Zeitpunkt haben sich die
Konkubinatspartner gemäss dem erwähnten Entscheid der Polizei- und
Militärdirektion vom 1. März 2007 um eine Aufenthaltsbewilligung zwecks
Vorbereitung der Heirat bemüht. Laut Beschwerde bejahte das Verwaltungsgericht
des Kantons Bern in einem Entscheid vom 29. Juni 2007 schliesslich gestützt auf
Art. 8 Abs. 1 EMRK ein Aufenthaltsrecht des Lebenspartners der
Beschwerdeführerin. Damit wurde jedoch in rechtlicher Hinsicht kein Sachverhalt
begründet, der ausnahmsweise eine Abweichung vom Grundsatz des Art. 16c Abs. 2
ELV rechtfertigte. Wie die Vorinstanz in Bestätigung des Einspracheentscheids
vom 22. Februar 2008 zutreffend dargelegt hat, war die Versicherte mit dem
Lebenspartner im fraglichen Zeitraum noch nicht verheiratet gewesen, weshalb
sie keine zivilrechtliche Unterstützungspflicht zu erfüllen hatte (vgl. ZAK
1974 S. 556, P 1/74 E. 2). Daher ist der in der Beschwerde angesprochene
Sachverhalt des in BGE 130 V 263 beurteilten Falles, in dem die EL-berechtigte
Mutter gegenüber ihrer minderjährigen Tochter unterstützungspflichtig war, hier
nicht einschlägig. Schliesslich traf die Versicherte auch keine moralische oder
sittliche Unterstützungspflicht im EL-rechtlichen Sinne. Ein derartiger
Sachverhalt lag BGE 105 V 271 zugrunde, wonach einer psychisch kranken und
hilfsbedürftigen Frau, die von einem pensionierten, im gleichen Haushalt
lebenden Psychiatriepfleger unentgeltlich betreut wurde, ausgabenseitig der
volle Mietzinsabzug zu gewähren war (Sachverhalt und E. 2 S. 273). So verhielt
es sich vorliegend offensichtlich nicht. Aufgrund des Gesagten ist der Frage,
ob und allenfalls ab welchem Zeitpunkt der Lebenspartner der Beschwerdeführerin
Anspruch auf Fürsorgeleistungen hatte, nicht weiter nachzugehen. Im Übrigen
wird auf den angefochtenen Entscheid verwiesen.

3.
Die Vorinstanz hat das für das kantonale Verfahren gestellte Gesuch um
Bewilligung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands abgewiesen, weil die
Beschwerde aufgrund der von der Versicherten gegenüber der Verwaltung während
Jahren gemachten unvollständigen Angaben über ihre familiäre Situation zum
vornherein als aussichtslos zu betrachten sei. Diese Auffassung ist nicht
bundesrechtswidrig.

4.
Die Beschwerdeführerin hat als unterliegende Partei die Kosten des
bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1300.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Diese Verfügung wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 25. August 2009

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung Grunder