Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.924/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_924/2008

Urteil vom 8. April 2009
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Maillard,
Gerichtsschreiber Holzer.

Parteien
U.________, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Advokat Lukas Denger,

gegen

IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
vom 2. Oktober 2008.

Sachverhalt:

A.
Die 1956 geborene U.________ war zuletzt als Mitarbeiterin Reinigung
erwerbstätig gewesen, als sie sich am 7. Dezember 2004 unter Hinweis auf ihre
geschwächte Armmuskulatur bei der IV-Stelle Bern zum Leistungsbezug anmeldete.
Die IV-Stelle holte einen Bericht des behandelnden Arztes, Dr. med. B.________
(Bericht vom 30. Juni 2005, in der Anlage verschiedene Berichte des Dr. med.
S.________) ein und veranlasste eine interdisziplinäre
rheumatologisch-psychiatrische Begutachtung durch die Dres. med. H.________ und
R.________. Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens verneinte die IV-Stelle
mit Verfügung vom 10. Dezember 2007 bei einem Invaliditätsgrad von 18,52 %
einen Rentenanspruch der Versicherten.

B.
Die von U.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des
Kantons Bern mit Entscheid vom 2. Oktober 2008 ab.

C.
Mit Beschwerde beantragt U.________, die Sache sei unter Aufhebung des
vorinstanzlichen Entscheides zur Einholung eines interdisziplinären Gutachtens
an das kantonale Gericht zurückzuweisen.
Während die IV-Stelle Bern auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet
das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von
der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 132
II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft das
Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der
Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten
Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist
jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich
stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht
nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).

1.2 Da der vorinstanzliche Entscheid nicht Geldleistungen der Unfall- oder der
Militärversicherung betrifft, prüft das Bundesgericht nur, ob das
vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzte, einschliesslich Überschreitung
oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt
offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher
Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde.

2.
2.1 Der Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung setzt unter anderem
voraus, dass die versicherte Person invalid oder von Invalidität unmittelbar
bedroht ist. Invalidität ist gemäss Art. 8 Abs. 1 ATSG (SR 830.1) die
voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise
Erwerbsunfähigkeit.

2.2 Wie das kantonale Gericht zutreffend erwogen hat, ist hinsichtlich des
Beweiswertes eines Arztberichtes entscheidend, ob der Bericht für die
streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch
die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese)
abgegeben worden ist, in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge und in
der Beurteilung der medizinischen Situation einleuchtet und ob die
Schlussfolgerungen des Experten begründet sind. Ausschlaggebend für den
Beweiswert ist grundsätzlich somit weder die Herkunft eines Beweismittels noch
die Bezeichnung der eingereichten oder in Auftrag gegebenen Stellungnahme als
Bericht oder Gutachten (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352).

2.3 Bei den vorinstanzlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur
Arbeitsfähigkeit der versicherten Person handelt es sich grundsätzlich um
Entscheidungen über Tatfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.). Dagegen ist
die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln nach
Art. 61 lit. c ATSG Rechtsfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 und 4 S. 397 ff.; Urteil
I 865/06 vom 12. Oktober 2007 E. 3.2).

2.4 Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem
sie das Vorliegen eines invalidisierenden Gesundheitsschadens verneinte.

3.
3.1 Das kantonale Gericht hat in Würdigung der gesamten Akten - insbesondere
gestützt auf das interdisziplinäre Gutachten der Dres. med. H.________ und
R.________ vom 28. Dezember 2006 - für das Bundesgericht grundsätzlich
verbindlich festgestellt, dass die Versicherte aus medizinischer Sicht in einer
leidensangepassten Tätigkeit vollständig arbeitsfähig ist. Die
Beschwerdeführerin betrachtet diese Sachverhaltsfeststellung als
rechtsfehlerhaft, da die Vorinstanz dem interdisziplinären Gutachten zu Unrecht
vollen Beweiswert zuerkannt habe.

3.2 Die Beschwerdeführerin bezweifelt die notwendige Unabhängigkeit und
Unparteilichkeit der Gutachter, da diese seit vielen Jahren in ganz erheblichem
Umfange von der Beschwerdegegnerin mit der Erstellung von Gutachten beauftragt
würden. Wie die Vorinstanz zutreffend erwogen hat, ist in der Tatsache allein,
dass ein frei praktizierender Arzt von einer Versicherung wiederholt für die
Erstellung von Gutachten beigezogen wird, rechtsprechungsgemäss kein Ausstands-
oder Ablehnungsgrund zu erblicken (RKUV 1999 Nr. U 332 S. 193 f., U 212/97 E.
2). Es verhält sich ähnlich wie in Bezug auf die Medizinischen
Abklärungsstellen (MEDAS). Wenn selbst aus dem Umstand, dass ein Arzt oder eine
Ärztin in einem Anstellungsverhältnis zum Versicherungsträger steht, nicht auf
mangelnde Objektivität und auf Befangenheit zu schliessen ist, kann dieser
Vorwurf umso weniger gegenüber freiberuflichen Experten erhoben werden, welche
einzig zufolge ihrer Gutachtertätigkeit in Kontakt mit der IV-Stelle stehen.
Entscheidend ist, dass fachlich-inhaltlich eine Weisungsunabhängigkeit der
begutachtenden Ärzte besteht. Gleiches gilt hinsichtlich der wirtschaftlichen
Abhängigkeit von Aufträgen der Invalidenversicherung (SVR 2008 IV Nr. 22 S. 69,
9C_67/2007 E. 2.4).

3.3 Die Versicherte behauptet, den Gutachtern hätten nicht sämtliche
medizinische Vorakten vorgelegen. Rechtsprechungsgemäss ist für den Beweiswert
eines Arztberichtes unter anderem entscheidend, ob er in Kenntnis der Vorakten
(Anamnese) abgegeben worden ist (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352). Vorliegend steht
fest und ist unbestritten, dass die Dres. med. H.________ und R.________ über
die gesamten medizinischen Akten der Beschwerdegegnerin verfügten; bei diesen
lag neben den Schreiben des Dr. med. S.________ insbesondere ein Bericht des
die Versicherte schon seit Jahrzehnten betreuenden Dr. med. B.________. Die
Gutachter konnten sich somit ein Bild von der Anamnese der Versicherten machen.
Damit ist den bundesrechtlichen Anforderungen an eine Begutachtung Genüge
getan, zumal die Beschwerdeführerin auch in der Folge keine weiteren relevanten
medizinischen Akten beibringen konnte und Vorinstanz und Verwaltung im
Vorbescheid- bzw. Beschwerdeverfahren in zulässiger antizipierter
Beweiswürdigung (BGE 130 II 425 E. 2.1 S. 428) von den beantragten
Beweismassnahmen absehen durften. Wie die Vorinstanz zudem zutreffend erwogen
hat, kann unter dem Gesichtswinkel der bundesrechtlichen Anforderungen an die
Beweiskraft einer fachärztlichen Expertise nicht verlangt werden, dass den
begutachtenden Ärzten stets sämtliche bei irgendeiner Versicherung oder bei
irgendeiner medizinischen Fachperson allenfalls vorhandenen Akten vorliegen
müssen (vgl. auch Urteil 9C_174/2007 vom 22. Juni 2007), würde doch sonst die
Durchführung einer rechtskonformen Begutachtung massiv erschwert und in vielen
Fällen gar verunmöglicht.

3.4 Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin erfüllt die
interdisziplinäre Begutachtung durch die Dres. med. H.________ und R.________
auch die übrigen bundesrechtlichen Anforderungen; festzuhalten ist
insbesondere, dass es bei diagnostizierter somatoformer Schmerzstörung zu den
Aufgaben der psychiatrischen Fachperson gehört, zur Überwindbarkeit der
Schmerzen Stellung zu nehmen (BGE 130 V 352 E. 2.2.4 S. 355). Die Vorinstanz
hat somit der Begutachtung zu Recht vollen Beweiswert zuerkannt; die auf diese
gestützten Sachverhaltsfeststellungen sind nicht willkürlich. Mit der basierend
darauf nach der gemischten Methode vorgenommenen Invaliditätsbemessung setzt
sich die Beschwerdeführerin nicht auseinander, weshalb sich Weiterungen dazu
erübrigen. Die Beschwerde ist demnach abzuweisen.

4.
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 8. April 2009
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung Holzer