Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.922/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_922/2008

Urteil vom 8. Juli 2009
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiberin Schüpfer.

Parteien
F.________, vertreten durch Advokat Dr. Marco Biaggi,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle Basel-Stadt, Lange Gasse 7, 4052 Basel,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom
24. September 2008.

Sachverhalt:

A.
Der 1952 geborene F.________ arbeitete als Polierer/Schleifer in einer
Maschinenbaufirma, bis er diese Tätigkeit wegen starken Rückenbeschwerden am
26. Februar 2003 aufgeben musste. Im April 2003 wurde eine ventrale Diskektomie
HW5/6 durchgeführt. F.________ konnte seine bisherige Tätigkeit nicht mehr
aufnehmen. Mit Verfügung vom 31. März 2005 und Einspracheentscheid vom 23.
Februar 2006 sprach ihm die IV-Stelle Basel eine halbe Invalidenrente zu. Das
Sozialversicherungsgericht Basel hiess eine dagegen geführte Beschwerde
dahingehend gut, als es den Invaliditätsgrad auf 62 % festsetzte und damit
einen Anspruch auf eine Dreiviertelsrente bejahte. Das Bundesgericht wies eine
dagegen geführte Beschwerde des Versicherten mit Urteil vom 16. Mai 2007 ab. In
Ausführung des rechtskräftigen Urteils verfügte die IV-Stelle am 24. Juli 2007
die Ausrichtung der Dreiviertelsrente.

Während des laufenden Verfahrens bezüglich der Höhe des Rentenanspruchs zog
sich F.________ bei einem Sturz am 4. März 2006 eine Bimalleolarfraktur rechts
zu, wofür die SUVA dem arbeitslosen Versicherten Leistungen erbrachte. Mit
Gesuch vom 30. Mai 2006 liess F.________ revisionsweise die Gewährung einer
ganzen Invalidenrente beantragen. Dieses wies die IV-Stelle mit Verfügung vom
28. November 2007 ab und eröffnete dem Versicherten, sein Invaliditätsgrad
betrage immer noch 62 %, womit er weiterhin Anspruch auf die bisherige
Dreiviertelsrente habe.

B.
Das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt wies die dagegen erhobene Beschwerde
mit Entscheid vom 24. September 2008 ab.

C.
F.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, es sei ihm eine ganze Invalidenrente zuzusprechen.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes
wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2
BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG). Mit Blick auf diese Kognitionsregelung ist
aufgrund der Vorbringen in der Beschwerde ans Bundesgericht zu prüfen, ob der
angefochtene Gerichtsentscheid in der Anwendung der massgeblichen materiell-
und beweisrechtlichen Grundlagen (u.a.) Bundesrecht verletzt (Art. 95 lit. a
BGG), einschliesslich einer allfälligen rechtsfehlerhaften
Tatsachenfeststellung (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
Streitig ist, ob der Beschwerdeführer ab Juni 2006 Anspruch auf eine höhere als
eine Dreiviertelsrente hat.

Das kantonale Gericht hat die einschlägigen materiellrechtlichen ATSG- und
IVG-Bestimmungen über die revisionsweise Erhöhung, Herabsetzung oder Aufhebung
laufender Invalidenrenten (Art. 17 Abs. 1 ATSG; vgl. auch Art. 88a Abs. 1 IVV
[in der seit 1. März 2004 geltenden Fassung]; BGE 130 V 343 E. 3.5 S. 349 ff.,
ferner BGE 133 V 108 E. 5 S. 110 ff.), den revisionsrechtlich massgebenden
Vergleichszeitraum (BGE 133 V 108) sowie die Abstufung des Rentenanspruchs nach
Massgabe des Invaliditätsgrades (Art. 28 Abs. 1 IVG in den vor Inkrafttreten
der 4. IV-Revision [1. Januar 2004] und ab jenem Zeitpunkt bis Ende 2007 gültig
gewesenen Fassungen) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

Die mit der 5. IV-Revision am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen
Rechtsänderungen sind intertemporalrechtlich nicht anwendbar (BGE 131 V 107 E.
1 S. 108 f., 133 E. 1 S. 136 und 242 E. 2.1 S. 243 f., je mit Hinweisen).

3.
3.1 Die Vorinstanz hat erwogen, der ursprünglichen Rentenverfügung vom 27. Juli
2007 - welche aufgrund der Urteile des Sozialversicherungsgerichts vom 9. Juni
2006 und des Bundesgerichts vom 16. Mai 2007 erlassen wurde - lägen in
medizinischer Hinsicht die Berichte der Neurochirurgischen Klinik des Spitals
X.________ vom 16. September 2003 und vom 28. Januar 2005 sowie derjenige des
Hausarztes Dr. med. M.________ vom 20. Januar 2005 zugrunde. Demgemäss habe der
Beschwerdeführer an einer chronifizierten Zervikobrachialgie auf der Höhe C5/C6
sowie einem residuellen Reiz- und sensomotorischen Ausfallsyndrom auf der Höhe
C6 rechts gelitten, was ihm noch ermögliche, in einer leicht bis vereinzelt
mittelschwer belastenden Tätigkeit mit einigen Einschränkungen eine 50 %
Arbeitsfähigkeit zu verwerten. Hinzu kämen gemäss Austrittsbericht der Klinik
Y.________ vom 6. November 2006 durch den Unfall vom März 2006 noch
protrahierte Mobilisationsbeschwerden am rechten oberen Sprunggelenk sowie eine
Sensibilitätsstörung und ein Funktionsausfall des rechten Hallux. Allein
bezogen auf die Unfallverletzung am Sprunggelenk und Fuss seien dem
Beschwerdeführer leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ganztags zumutbar, wobei
diese wechselbelastend sein müssten. Das kantonale Gericht hat gestützt darauf,
sowie auf die Beurteilung des SUVA-Kreisarztes Dr. med. W.________ vom 18.
Februar 2008, festgestellt, die Einschätzung der IV-Stelle, wonach der Unfall
vom 4. März 2006 die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers nicht wesentlich
verschlechtert habe, sei nicht zu beanstanden. Selbst wenn den zusätzlichen
Einschränkungen durch eine Erhöhung des Leidensabzugs von 10 % auf 25 %
Rechnung getragen würde, erweise sich der verfügte Anspruch auf eine
Dreiviertelsrente als richtig.

3.2 Der Beschwerdeführer rügt, in den medizinischen Berichten, auf welche sich
das kantonale Gericht vorwiegend stütze, wie insbesondere dem Austrittsbericht
der Klinik Y.________ vom 6. November 2006, werde die Zumutbarkeitsbeurteilung
allein unter Berücksichtigung der Unfallfolgen getroffen. Einzig derjenige des
Kreisarztes vom 18. Januar 2008 erwähne als Diagnosen auch das unfallfremde
Cervicobrachialsyndrom und ein psychisches Leiden. Dies alleine belege schon
veränderte Verhältnisse, welche zu einer Revision Anlass gäben. Schliesslich
sei auch zu berücksichtigen, dass die SUVA eine volle Arbeitsunfähigkeit
anerkenne indem sie ein volles Taggeld bezahle, was auch durch die
Invalidenversicherung zu berücksichtigen sei; zumindest müsste begründet
werden, weshalb man zu einer anderen Einschätzung gelange.

4.
4.1 Gemäss Art. 88a Abs. 2 IVV ist bei einer Verschlechterung der
Erwerbsfähigkeit die anspruchsbeeinflussende Änderung zu berücksichtigen,
sobald sie ohne wesentliche Unterbrechung drei Monate angedauert hat. Der
Beschwerdeführer hat sich die Fussverletzung anlässlich des Unfalls vom 4. März
2006 zugezogen. Die Bimalleolarfraktur wurde mittels Plattenosteosynthese
operativ behandelt. Ab jenem Moment bestand auch in einer seiner vorbestehenden
Cervicalbeschwerden angepassten Tätigkeit eine volle Arbeitsunfähigkeit. Das
kantonale Gericht hat nicht geprüft und daher auch keine verbindliche
Feststellung (vgl. E.1) darüber getroffen, wie sich die medizinischen und
erwerblichen Verhältnisse drei Monate nach dem Unfall, also im Juni 2006
darstellten. Das Bundesgericht ist daher frei, diesbezüglich eigene
Sachverhaltsfeststellungen zu treffen.

4.2 Gemäss Bericht vom 6. Juni 2006 des Dr. med. N.________, Oberarzt an der
chirurgischen Poliklinik des Spitals X.________, bestanden im Bereiche des
Achillessehnenansatzes und medial anterior am oberen Sprunggelenk noch
belastungsabhängige Beschwerden. Es bestand keine Arbeitsfähigkeit. Der Arzt
schlug bei mangelnder Besserung eine stationäre Rehabilitation an der
SUVA-Klinik in Y.________ vor. Diese fand denn auch vom 16. August bis 27.
September 2006 statt. Demnach ist durch den Unfall vom 4. März 2006 eine
gesundheitliche Verschlechterung mit entsprechender Auswirkung auf die
Erwerbsfähigkeit zu verzeichnen, welche ohne Unterbrechung drei Monate
angedauert hat, weshalb der Beschwerdeführer ab Juni 2006 Anspruch auf eine
ganze Invalidenrente hatte.

5.
Zu untersuchen bleibt, ob es in der Folge wieder zu einer Besserung der
gesundheitlichen und erwerblichen Verhältnisse kam.
5.1
5.1.1 Die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen bezüglich des
Gesundheitszustandes und der zumutbaren Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers
beziehen sich auf den Zeitpunkt der ablehnenden Revisionsverfügung vom 28.
November 2008. Sie stützen sich auf eine sorgfältige Würdigung der
medizinischen Akten und sind weder offensichtlich unrichtig noch beruhen sie
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG.
5.1.2 Was in der Beschwerde vorgebracht wird, führt zu keiner anderen
Betrachtungsweise. Es wird - wie schon im vorinstanzlichen Verfahren - geltend
gemacht, die Klinik Y.________ habe bei ihrer Zumutbarkeitsbeurteilung im
November 2006 das erst im August 2007 diagnostizierte komplexe regionale
Schmerzsyndrom Typ I (CRPS Typ I) am rechten Fuss noch nicht miteinbezogen;
zudem seien einzig die Unfallfolgen berücksichtigt worden, weshalb darauf nicht
abgestellt werden könne. Im angefochtenen Entscheid hat sich das kantonale
Gericht eingehend mit den gesamten medizinischen Akten auseinandergesetzt. Im
Vergleich der Zumutbarkeitsbeurteilungen, die zur ursprünglichen
Rentenverfügung geführt haben, mit derjenigen des Dr. med. W.________ vom 18.
Februar 2008 hat es für das Bundesgericht verbindlich festgestellt, dass sich
die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers in Bezug auf die Art der zumutbaren
Tätigkeiten etwas verschlechtert, indessen in Bezug auf den zeitlichen Umfang
der Arbeitstätigkeit sogar etwas verbessert hat. Ein halbes Arbeitspensum sei
ihm aber auch unter Berücksichtigung der hinzugekommenen Fussbeschwerden
zumutbar. Diese Würdigung ist im Rahmen der bundesgerichtlichen
Überprüfungsbefugnis nicht zu beanstanden. Es ist denn auch nicht einzusehen,
weshalb dem Beschwerdeführer eine körperlich leichte wechselbelastende
Tätigkeit ohne Überkopfarbeit und ohne Heben und Tragen von schweren Lasten
über 15 kg während eines halben Tages - wie sie gemäss Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom 6. Juni 2006 (E. 2d S. 4) der
ursprünglichen Rentenverfügung zu Grunde lag - auch mit den zusätzlichen
Fussbeschwerden nicht zumutbar sein sollte.

5.2 Damit haben sich die gesundheitlichen Verhältnisse seit Juni 2006 wieder
gebessert. Nach der primären Heilung der Fraktur und der von Mitte August bis
Ende September 2006 erfolgten stationären Rehabilitation in Y.________ ist von
der Zumutbarkeitsbeurteilung im Austrittsbericht vom 6. November 2006
auszugehen. Ab Beendigung des Aufenthalts in Y.________ wurden bezüglich der
Sprunggelenke/Füsse wieder eine leichte bis mittelschwere Tätigkeit mit
Wechselbelastung als zumutbar erachtet. Dies entspricht dem Profil, wie es
schon vor dem Unfall bestand. Hinsichtlich der Bemessung des Invaliditätsgrades
kann auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden, die -
ausser in Bezug auf die zumutbare Tätigkeit - auch vom Beschwerdeführer nicht
bestritten wird. Da bei einer Verbesserung der Erwerbsfähigkeit die
anspruchsbeeinflussende Änderung für die Herabsetzung der Leistung von dem
Zeitpunkt an zu berücksichtigen ist, in dem angenommen werden kann, dass sie
voraussichtlich längere Zeit dauern wird (Art. 88a Abs. 1 IVV), ist der ab Juni
2006 bestehende Anspruch auf eine ganze Invalidenrente ab Oktober 2006 zu
revidieren. Ab diesem Zeitpunkt besteht wiederum ein solcher auf eine
Dreiviertelsrente.

6.
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten den Parteien
anteilsmässig aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die IV-Stelle hat dem
Beschwerdeführer eine reduzierte Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs.
1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom 24. September 2008 und die
Verfügung der IV-Stelle Basel-Stadt 28. November 2007 werden aufgehoben, soweit
damit der Anspruch auf eine ganze Invalidenrente für den Zeitraum vom 1. Juni
2006 bis 30. September 2006 abgelehnt wurde. Im Übrigen wird die Beschwerde
abgewiesen.

2.
Von den Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer Fr. 300.- und
der Beschwerdegegnerin Fr. 200.- auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1000.- zu entschädigen.

4.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt
zurückgewiesen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt,
der Ausgleichskasse Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherungen
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 8. Juli 2009

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Schüpfer