Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.914/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_914/2008

Urteil vom 12. Februar 2009
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Maillard,
Gerichtsschreiber Jancar.

Parteien
S.________, Beschwerdeführer,

gegen

Kantonale Amtsstelle für Arbeitslosenversicherung Basel-Stadt, Hochstrasse 37,
4053 Basel,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Arbeitslosenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt
vom 28. August 2008.

Sachverhalt:

A.
Der 1946 geborene S.________ meldete sich am 16. Juli 2003 bei der Öffentlichen
Arbeitslosenkasse Basel-Stadt zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung an. Davor
war er unter anderem Inhaber, alleiniger Verwaltungsrat und Geschäftsführer der
seit 1985 bestehenden Firma X.________ AG sowie Verwaltungsrat und
Geschäftsführer der Firma Y.________ AG. Mit Verfügung vom 23. Juli 2003 löste
die Kontrollstelle für die Bekämpfung der Geldwäscherei (GwG) die X.________ AG
auf und setzte sie in Liquidation; sie entzog S.________ die
Vertretungsbefugnis und setzte die Firma V.________ AG als Revisionsstelle ab
sowie die Firma Z.________ als Liquidatorin ein. Mit Schreiben an das
Handelsregisteramt vom 25. August 2003 trat S.________ mit sofortiger Wirkung
als Verwaltungsrat der Y.________ AG zurück. Mit Verfügung vom 5. September
2003 verneinte die Kantonale Amtsstelle für Arbeitslosenversicherung
Basel-Stadt (nachfolgend Amtsstelle) seinen Anspruch auf
Arbeitslosenentschädigung. Die dagegen erhobene Einsprache wies sie mit
Entscheid vom 28. Oktober 2003 ab, da sein Lohnfluss nicht nachgewiesen sei.

B.
Hiegegen reichte S.________ beim Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt
Beschwerde ein. Dieses holte Berichte die Firma Z.________ vom 28. Januar 2004
und der Staatsanwaltschaft vom 28. Juni 2004 ein. Am 19. August 2004 sistierte
es das Verfahren bis zum Vorliegen des Urteils des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts (seit 1. Januar 2007 Bundesgericht) betreffend das
vorinstanzliche Verfahren AL 2002 85, das weder den Versicherten noch die
Firmen, in denen er tätig war, betraf; dieses Urteil wurde am 15. April 2005
gefällt (Verfahren C 140/04). Am 30. Juni 2005 sistierte die Vorinstanz das
Verfahren bis zum Abschluss des gegen S.________ laufenden Strafverfahrens. Am
31. Dezember 2007 hob sie die Sistierung auf. Sie zog die Strafakten des
S.________ bei. Mit Entscheid vom 28. August 2008 wies sie die Beschwerde ab.

C.
Mit Beschwerde beantragt S.________ die Bejahung des Anspruchs auf
Arbeitslosenentschädigung. Die Beschwerdegegnerin und das Staatssekretariat für
Wirtschaft verzichten auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (BGE 132 II 257 E. 2.5 S. 262). Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG ist die
Beschwerde hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht eingetreten
(Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu
untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE
133 II 249 E. 1.4.1 S. 254; Urteil 8C_806/2008 vom 5. Januar 2009, E. 1.1).
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG) und wenn die Behebung des Mangels für den
Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Dies ist
aufgrund der Vorbringen in der Beschwerde zu prüfen (in SVR 2008 AlV Nr. 12 S.
35 publ. E. 1.2 und 2.2 des Urteils BGE 133 V 640).

1.2 Bei der Anwendung der gesetzlichen und rechtsprechungsgemässen Regeln über
die Erfüllung der Beitragszeit geht es um eine Rechtsfrage. Zu prüfen ist
hierbei insbesondere die falsche Rechtsanwendung. Die Beachtung des
Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln nach Art. 43 Abs. 1
bzw. Art. 61 lit. c ATSG ist ebenfalls Rechtsfrage. Die konkrete
Beweiswürdigung betrifft eine Tatfrage (Urteil 8C_474/2008 vom 4. Dezember
2008, E. 3 mit Hinweis).

2.
2.1 Die Vorinstanz hat die Vorschriften zum anrechenbaren Arbeitsausfall (Art.
11 AVIG) und zur Mindestbeitragsdauer von zwölf Monaten (Art. 13 Abs. 1 AVIG)
innerhalb der entsprechenden Rahmenfrist (Art. 9 Abs. 3 AVIG) als Voraussetzung
für den Leistungsbezug (Art. 8 Abs. 1 lit. b und e AVIG), zum versicherten
Verdienst (Art. 23 Abs. 1 AVIG) sowie die Rechtsprechung zu den beweismässigen
Anforderungen an den Nachweis der tatsächlichen Lohnzahlung (ARV 2004 S. 115 E.
2.2 [C 127/02]) richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.

2.2 Voraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung unter dem
Gesichtspunkt der erfüllten Beitragszeit nach Art. 8 Abs. 1 lit. e in
Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 AVIG ist grundsätzlich einzig die Ausübung einer
beitragspflichtigen Beschäftigung während der geforderten Dauer von mindestens
zwölf Beitragsmonaten. Diese Tätigkeit muss genügend überprüfbar sein. Dem
Nachweis tatsächlicher Lohnzahlung kommt dabei nicht der Sinn einer
selbstständigen Anspruchsvoraussetzung zu, wohl aber jener eines bedeutsamen
und in kritischen Fällen unter Umständen ausschlaggebenden Indizes für die
Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung. Soweit eine solche
Beschäftigung nachgewiesen, der exakte ausbezahlte Lohn jedoch unklar geblieben
ist, hat eine Korrektur über den versicherten Verdienst zu erfolgen (BGE 131 V
444 E. 3.2.3 f. S. 451 ff.; ARV 2008 S. 314 [C 92/06], 2007 S. 46 E. 2.1 [C 284
/05], S. 44 E. 2.2 [C 83/06]).

3.
Der Beschwerdeführer hat sich ab 16. Juli 2003 zum Bezug von
Arbeitslosenentschädigung angemeldet. Streitig und zu prüfen ist, ob er in der
massgebenden Rahmenfrist für die Beitragszeit vom 16. Juli 2001 bis 15. Juli
2003 rechtsgenüglich eine mindestens zwölfmonatige beitragspflichtige
Beschäftigung nachweist (vgl. auch ARV 2007 S. 46 E. 2 Ingress).

3.1 Die Vorinstanz hat erwogen, der Beschwerdeführer habe gegenüber der
Amtsstelle geltend gemacht, er habe seinen Lohn jeweils bar erhalten. Er habe
zudem einen IK-Auszug eingereicht, wonach er bei der Ausgleichskasse in den
Jahren 1999 bis 2001 ein Jahreseinkommen von Fr. 169'000.- und im Jahre 2002
ein solches von Fr. 135'917.- gemeldet habe. Dass AHV-Beiträge auf einem Gehalt
in dieser Höhe entrichtet worden seien, belege aber noch nicht, dass dieser
Lohn tatsächlich ausbezahlt worden sei. Um dies zu belegen, bedürfe es
Quittungen oder Auszüge aus dem Firmenkonto, welche die Bewegungen nachzuweisen
vermöchten. Solche lägen nicht vor. Die amtliche Erkundigung bei der
Staatsanwaltschaft, die im Rahmen eines laufenden Strafverfahrens gegen den
Beschwerdeführer sämtliche Unterlagen der X.________ AG beschlagnahmt habe,
habe ergeben, dass keine Unterlagen vorhanden seien, die einen Lohnfluss
verifizieren könnten (Bericht vom 28. Juni 2004). Somit seien die
Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung nicht erfüllt.

3.2 Der Beschwerdeführer legt letztinstanzlich nicht dar, inwiefern die
Vorinstanz Recht verletzt hat oder inwiefern ihre Feststellung, dass keine
Unterlagen vorhanden seien, die einen Lohnfluss verifizieren könnten,
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht. Insoweit ist auf die Beschwerde mangels rechtsgenüglicher
Begründung nicht einzutreten (siehe E. 1.1 hievor; vgl. auch Urteil 9C_518/2007
vom 1. Oktober 2007, E. 3).

3.3 Die Berufung des Beschwerdeführers auf die von ihm letztinstanzlich neu
aufgelegten Steuer-Veranlagungsverfügungen für die Jahre 1999 bis 2002 ist
unbehelflich, da damit eine wirklich erfolgte Lohnentrichtung nicht bewiesen
wird (vgl. auch ARV 2004 S. 115). Zwar ist der Nachweis tatsächlicher
Lohnzahlung keine selbstständige Anspruchsvoraussetzung, wohl aber ein
bedeutsames, gerade in kritischen Fällen wie dem vorliegenden ausschlaggebendes
Indiz für die Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung (siehe E. 2.2
hievor; Urteil 8C_424/2007 vom 4. Januar 2008, E. 3.2 in fine). Der
angefochtene Entscheid ist daher rechtens. Demnach kann offenbleiben, ob die
Anrufung obiger Steuerunterlagen im Lichte von Art. 99 Abs. 1 BGG überhaupt
zulässig ist (vgl. Urteile 8C_195/2008 vom 16. Dezember 2008, E. 4, und 8C_356/
2008 vom 10. Dezember 2008, E. 2; erwähntes Urteil 9C_518/2007, E. 4.1 f.).

4.
Der unterliegende Beschwerdeführer hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66
Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt,
der Öffentlichen Arbeitslosenkasse Basel-Stadt und dem Staatssekretariat für
Wirtschaft schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 12. Februar 2009
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung Jancar