Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.856/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_856/2008

Urteil vom 27. Februar 2009
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterinnen Leuzinger, Niquille,
Gerichtsschreiberin Hofer.

Parteien
B.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Häfliger,

gegen

IV-Stelle Nidwalden, Stansstaderstrasse 54, 6371 Stans, Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Nidwalden
vom 11. Februar 2008.

Sachverhalt:

A.
B.________ (Jg. 1950) meldete sich am 5. Oktober 2005 mit dem Hinweis auf
vestibuläre Erkrankung und Herzleiden bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug an (Berufsberatung und Rente). Aufgrund ihrer Abklärungen
medizinischer und erwerblicher Art lehnte die IV-Stelle Nidwalden das
Leistungsbegehren mit Verfügung vom 9. März 2007 mangels rentenrelevanter
Invalidität ab.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Nidwalden mit Entscheid vom 11. Februar 2008 ab.

C.
B.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und die Zusprechung einer Invalidenrente von mindestens 60 Prozent mit Wirkung
ab 1. Oktober 2004 beantragen.
Die IV-Stelle und das kantonale Gericht schliessen auf Abweisung der
Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine
Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Angefochten ist ein das Verfahren abschliessender Entscheid (Art. 90 BGG) einer
letzten kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG) in einer Angelegenheit
des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a BGG), ohne dass eine der in Art. 83 BGG
aufgezählten Ausnahmen vorliegt. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten ist daher zulässig. Der Beschwerdeführer ist gestützt auf Art.
89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde legitimiert. Auf die fristgerecht eingereichte
Beschwerde ist einzutreten (Art. 100 Abs. 1 BGG).

2.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzung gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann die Sachverhaltsfeststellung
der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig
ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105
Abs. 2 BGG). Es prüft sodann grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen; es
ist nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden
rechtlichen Fragen zu beurteilen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr
vorgetragen wurden. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit
vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt
(Art. 99 Abs. 1 BGG).

3.
3.1 Am 1. Januar 2008 sind die Änderungen des Bundesgesetzes über die
Invalidenversicherung (IVG) und anderer Erlasse wie des Bundesgesetzes über den
Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2006 (5.
IV-Revision, AS 2007 5129 ff.) in Kraft getreten. Auf den vorliegenden Fall
sind, da der Erlass der rentenablehnenden Verfügung vom 9. März 2007 die
zeitliche Grenze der richterlichen Überprüfungsbefugnis bildet, jedoch noch die
früheren Gesetzesfassungen (nachstehend: aArt.) anwendbar (vgl. BGE 132 V 215
E. 3.1.1 S. 220 mit Hinweisen), wie die Vorinstanz zutreffend festgehalten hat.

3.2 Im vorinstanzlichen Entscheid wurden die Bestimmungen und Grundsätze
betreffend die Begriffe der Erwerbsunfähigkeit (aArt. 7 ATSG) und der
Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 IVG), die
Voraussetzungen und den Umfang des Rentenanspruchs (aArt. 28 Abs. 1 IVG) sowie
die Anforderungen an beweiskräftige medizinische Grundlagen (BGE 125 V 351 E.
3a S. 352 mit Hinweis) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. Richtig
sind auch die Ausführungen zum Stellenwert der internen Berichte des Regionalen
Ärztlichen Dienstes (RAD; Urteile 9C_55/2008 vom vom 26. Mai 2008; I 143/07 vom
14. September 2007).

4.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz die Verfügung vom 9. März 2007 zu
Recht bestätigt hat, mit welcher die IV-Stelle das Leistungsbegehren mangels
Invalidität abgewiesen hat. Keiner Beurteilung bedarf letztinstanzlich der in
dieser Verfügung verneinte Anspruch auf berufliche Massnahmen, da es
diesbezüglich an einem expliziten Antrag und einer entsprechenden Begründung
fehlt (vgl. E. 2 hievor).

4.1 Das kantonale Gericht hat die umfassenden medizinischen Unterlagen
einlässlich und sorgfältig gewürdigt. Es betrifft dies namentlich die Berichte
des Hausarztes Dr. med. C.________ vom 27. November 2005, 14. April 2006 und 2.
August 2007, des Kardiologen Dr. med. S.________ vom 31. Januar und 21. Oktober
2005, des Radiologen Dr. med. T.________ vom 21. Juli 2004, der Neurologin Dr.
med. E.________ vom 4. Januar 2005 und das psychiatrisch/neurologische
Gutachten des Dr. med. G.________ vom 18. Dezember 2006. Überdies nahm Dr. med.
A.________ vom Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD) am 31. Januar und 25. April
2006 sowie am 16. Januar und 29. Mai 2007 zu den vorhandenen medizinischen
Unterlagen Stellung. Gestützt darauf kam die Vorinstanz zum Schluss, der
Beschwerdeführer sei sowohl in der angestammten Tätigkeit im EDV Bereich als
auch in einer anderen Tätigkeit voll arbeitsfähig. Dabei hat sie erwogen, für
den geklagten Dauerschwindel sei trotz umfassender medizinischer Abklärung kein
objektivierbares klinisches Korrelat gefunden worden. Die
Gleichgewichtsprüfungen durch Dres. E.________ und G.________ seien unauffällig
gewesen und es habe keine Hinweise auf ein neurologisches Leiden gegeben.
Objektiviert worden seien einzig in der Untersuchung bei Dr. med. S.________
vom 31. Januar 2005 zuerst vagovasale Synkopen und später bei Besserung der
Symptomatik, gemäss Bericht vom 21. Oktober 2005 lediglich noch Praesynkopen
(Beinaheohnmachten bzw. Schwäche- und Schwindelanfälle ohne
Bewusstseinsverlust). Der behandelnde Hausarzt habe aufgrund der Angaben des
Versicherten im Bericht vom 14. April 2006 ebenfalls lediglich etwa ein bis
zweimal pro Woche auftretende Praesynkopen erwähnt. Damit sei indessen kein
Gesundheitsschaden ausgewiesen, welcher eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit zu
begründen vermöchte. Da keine Hinweise für eine HNO-Ursache der
Schwindelbeschwerden vorlägen, könne diesbezüglich auf weitere Abklärungen
verzichtet werden, da davon keine neuen Erkenntnisse zu erwarten seien. Die im
vorinstanzlichen Verfahren aufgelegten Berichte der Kardiologie des Spitals
X.________ vom 21. September und 20. November 2007 sowie der Neurologischen
Klinik und Poliklinik des Spitals Y.________ vom 15. November 2007 vermögen
nach den Feststellungen der Vorinstanz an diesem Ergebnis nichts zu ändern, da
auch im Rahmen dieser Untersuchungen keine Ursache der Schwindelattacken habe
gefunden werden können.

4.2 Mit dem beschwerdeführerischen Einwand, der medizinische Sachverhalt sei in
kardiologischer Hinsicht wie auch bezüglich der HNO-Problematik ungenügend
abgeklärt, hat sich bereits die Vorinstanz einlässlich auseinandergesetzt und
dabei festgestellt, dass es keine Hinweise für eine HNO-Ursache der Beschwerden
gebe, nachdem die Gleichgewichtsprüfungen bei Dr. med. E.________ und Dr. med.
G.________ unauffällig gewesen seien und die Schwindelproblematik insbesondere
auch aus kardiologischer Sicht hinreichend abgeklärt worden sei. Die bei den
Akten liegenden medizinischen Unterlagen vermitteln hinreichende Aufschlüsse,
um sich ein zuverlässiges Bild von der gesundheitlichen Situation im hier
massgebenden Zeitraum bis zum Erlass der Verfügung vom 9. März 2007 (BGE 130 V
445 E. 1.2 S. 446 f. mit Hinweisen) zu machen. Entgegen der Argumentation in
der Beschwerdeschrift kann nicht von einer Verletzung des
Untersuchungsgrundsatzes zufolge ungenügender Abklärung des rechtserheblichen
Sachverhalts und damit einer Verletzung von Art. 69 Abs. 2 IVV, Art. 43 Abs. 1
und Art. 61 lit. c ATSG gesprochen werden. Ergänzende Erhebungen erübrigen
sich, wären von solchen in - antizipierter Beweiswürdigung (vgl. BGE 124 V 90
E. 4b S. 94, 122 V 157 E. 1d S. 162) - doch keine neuen Erkenntnisse zu
erwarten, welche sich auf die Beurteilung des streitigen Rentenanspruchs
auswirken könnten.

4.3 Weiter rügt der Beschwerdeführer, die Vorinstanz stütze sich bezüglich der
gesundheitlichen Situation und deren Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit
ausschliesslich auf die Stellungnahme des RAD-Arztes Dr. med. A.________ vom
29. Mai 2007. Da dieser weder Kardiologe noch HNO-Spezialist sei, komme seinem
Bericht kein voller Beweiswert zu. Diesem internen Bericht kommt insofern keine
selbständige Bedeutung zu, als er nicht auf eigenständigen Erhebungen beruht.
Seine Funktion besteht darin, aus medizinischer Sicht - gewissermassen als
Hilfestellung für die medizinischen Laien in Verwaltung und Gerichten, welche
in der Folge über den Leistungsanspruch zu entscheiden haben - den
medizinischen Sachverhalt zusammenzufassen und zu würdigen, wozu namentlich
auch gehört, bei widersprüchlichen medizinischen Akten eine Wertung vorzunehmen
und zu beurteilen, ob auf die eine oder die andere Ansicht abzustellen oder
aber eine zusätzliche Untersuchung vorzunehmen sei (Urteil I 143/07 vom 14.
September 2007). Aufgabe von Verwaltung und erstinstanzlichem Gericht ist es,
aus unterschiedlich lautenden fachärztlichen Stellungnahmen und den darin zum
Ausdruck gebrachten Meinungen die ihnen richtig erscheinenden Schlüsse zu
ziehen. Dies geschieht im Rahmen der pflichtgemässen Beweiswürdigung, welche
als Tatfrage einer letztinstanzlichen Überprüfung durch das Bundesgericht
grundsätzlich nicht zugänglich ist. Das kantonale Gericht hat sich nicht
unbesehen der Auffassung des Dr. med. A.________ angeschlossen und seine
Einschätzung der Arbeitsfähigkeit nicht ausschliesslich aufgrund der
Erkenntnisse des RAD-Arztes gewonnen, sondern in Würdigung der auf mannigfachen
Untersuchungen beruhenden Arztberichte aus verschiedenen Spezialgebieten. Eine
Missachtung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung und der daraus
fliessenden Pflicht zu umfassender, sorgfältiger, objektiver und
inhaltsbezogener Beweiswürdigung kann der Vorinstanz nicht vorgeworfen werden.
Anders als im vom Beschwerdeführer angeführten Urteil 9C_341/2008 vom 23.
September 2008 stehen vorliegend zudem keine divergierenden Angaben
verschiedener Spezialärzte im Raum, welche ergänzende fachmedizinische
Untersuchungen unabdingbar machen würden.

4.4 Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, der medizinische Sachverhalt sei
von der Vorinstanz offensichtlich unrichtig festgestellt worden, indem die
Arbeitsfähigkeit mit Bezug auf Praesynkopen und nicht gestützt auf die von Dr.
med. S.________ am 31. Januar 2005 diagnostizierten neurokardialen bzw.
vagovasalen Synkopen beurteilt worden sei, kann ihm nicht gefolgt werden.
Insbesondere kann aus dem Bericht des Kardiologen vom 21. Oktober 2005 ohne
weiteres geschlossen werden, dass sich die Symptomatik insofern gebessert hat,
als lediglich noch Praesynkopen vorlagen, zumal auch der Hausarzt im Bericht
vom 14. April 2006 von Praesynkopen ausgeht. Von einer ungeklärten Diskrepanz
zwischen den beiden Berichten des Kardiologen kann, entgegen der Auffassung des
Beschwerdeführers, nicht die Rede sein. Damit erübrigt es sich, auf die
Vorbringen zur statistischen Häufigkeit von plötzlichen Stürzen bei Patienten
mit Synkopen und weitere mit einer solchen Gesundheitsbeeinträchtigung
einhergehende Erschwernisse näher einzugehen.

4.5 Auch mit seinen weiteren Vorbringen vermag der Beschwerdeführer nicht
darzutun, dass und weshalb das Bundesgericht an die tatsächlichen
Feststellungen des kantonalen Gerichts zur Arbeitsfähigkeit nicht gebunden
wäre. Dies gilt insbesondere hinsichtlich des geltend gemachten Sturzes vom 7.
Juli 2008 und die dabei erlittenen Rippenbrüche, da damit neue Tatsachen
vorliegen, welche sich nach dem für die Beurteilung massgebenden Zeitpunkt der
Verfügung vom 9. März 2007 ereignet haben. Bezüglich des Autounfalles vom 5.
August 2006 gilt es darauf hinzuweisen, dass Dr. med. G.________ in seiner am
19. September 2006 durchgeführten Untersuchung diesbezüglich laut Gutachten vom
18. Dezember 2006 keine neurologischen Ausfälle feststellen konnte und seiner
Ansicht nach mit einem günstigen Verlauf zu rechnen war. Dieser Arzt konnte
auch keine psychiatrische Erkrankung mit relevanter anhaltender Auswirkung auf
die Arbeitsfähigkeit erheben. Die von anderen Ärzten beschriebene Hyposomnie
bezeichnete Dr. med. G.________ als gut therapierbar, so dass vom Versicherten
keine relevante Schlafstörung mehr angegeben werde. Wenn Dr. med. C.________ im
Bericht vom 2. August 2007 anführt, das Beschwerdebild in Form von
Dauerschwindel habe sich seit dem Autounfall subjektiv massiv verschlimmert,
und die Arbeitsfähigkeit sei durch den Dauerschwindel, die noch immer
auftretenden Bewusstseinsstörungen und das chronische Müdigkeitssyndrom mit
Konzentrationsstörungen beeinträchtigt, ist mit der Vorinstanz darauf
hinzuweisen, dass dies von den Fachärzten nicht bestätigt wurde. Soweit im
Bericht der Neurologischen Klinik und Poliklinik des Spitals Y.________ vom 15.
November 2007 ein sich chronifizierendes Schmerzsyndrom erwähnt wird, beschlägt
dies ebenfalls einen erst nach dem Erlass der Verfügung vom 9. März 2007
eingetretenen und vorliegend daher nicht zu beurteilenden Sachverhalt.
Inwiefern sodann eine allenfalls reduzierte Fahrtauglichkeit die
Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen würde, vermag der Beschwerdeführer nicht
überzeugend darzutun, zumal er selber am 12. Januar 2006 gegenüber dem
Berufsberater angab, er versuche, seine Aufträge vermehrt von seinem
EDV-Netzwerk von zuhause aus zu erledigen, um nicht auf das Auto angewiesen zu
sein.

5.
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten vom Beschwerdeführer
als unterliegender Partei zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 27. Februar 2009
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Hofer