Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.842/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_842/2008

Urteil vom 3. Februar 2009
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Niquille, Bundesrichter Maillard,
Gerichtsschreiberin Fleischanderl.

Parteien
N.________, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Häberli, Langstrasse 4, 8004 Zürich,

gegen

Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich,
Brunngasse 6, 8400 Winterthur,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Arbeitslosenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 29. August 2008.

Sachverhalt:

A.
Die 1983 geborene N.________ war vom 1. November 2005 bis zur durch die
Arbeitgeberin am 31. März 2006 ausgesprochenen fristlosen Kündigung als
"Allround-Sekretärin" bei der Firma I.________ AG (nachfolgend: Firma)
angestellt gewesen. Am 29. März 2006 meldete sie sich bei der
Arbeitslosenversicherung zum Bezug von Leistungen für die Zeit ab 17. März 2006
an. Mit Verfügung vom 27. Juli 2006 stellte die Arbeitslosenkasse des Kantons
Zürich sie auf Grund selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit infolge fristloser
Entlassung für die Dauer von 45 Tagen vorsorglich in der Anspruchsberechtigung
ein. Die dagegen erhobene Einsprache wurde, nachdem der am 28. September 2006
über die ehemalige Arbeitgeberin eröffnete Konkurs am 23. Oktober 2006 mangels
Aktiven eingestellt und das Ende März 2006 beim Arbeitsgericht gegen die
Gesellschaft angehobene Klageverfahren (betreffend Forderung der ausstehenden
Löhne bis April 2006) zufolge Konkurses der beklagten Gesellschaft ohne Urteil
als gegenstandslos geworden abgeschrieben worden war, insoweit teilweise
gutgeheissen, als die Dauer der Einstellung für die Zeit ab 1. April 2006 auf
zehn Tage reduziert wurde; nicht stattgegeben wurde dem Antrag der anwaltlich
vertretenen Einsprecherin auf Parteientschädigung für das Einspracheverfahren
(Einspracheentscheid vom 22. Januar 2007).

B.
Das beschwerdeweise angerufene Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
bestätigte den angefochtenen Einspracheentscheid vollumfänglich (Entscheid vom
29. August 2008).

C.
N.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, der vorinstanzliche Entscheid sowie der Einspracheentscheid der
Arbeitslosenkasse vom 22. Januar 2007 seien aufzuheben.
Die Arbeitslosenkasse und das Staatssekretariat für Wirtschaft verzichten auf
eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist
somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 130 III
136 E. 1.4 S. 140). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG) und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG; vgl. Botschaft zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4338).

2.
Die Vorinstanz hat die gesetzlichen Bestimmungen über die Einstellung in der
Anspruchsberechtigung zufolge selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit (Art. 30
Abs. 1 lit. a AVIG), namentlich wegen einer Verletzung arbeitsvertraglicher
Pflichten, die dem Arbeitgeber Anlass zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses
gegeben hat (Art. 44 Abs. 1 lit. a AVIV), sowie die verschuldensabhängige Dauer
der Einstellung (Art. 30 Abs. 3 Satz 3 AVIG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 2
AVIV) zutreffend wiedergegeben. Darauf wird verwiesen.

3.
3.1 Streitig und zu prüfen ist, ob die Arbeitslosigkeit der Beschwerdeführerin
durch eigenes Verschulden im Sinne von Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG und Art. 44
Abs. 1 lit. a AVIV eingetreten ist und die Versicherte zu Recht in ihrer
Anspruchsberechtigung eingestellt wurde. Dabei gelten als Rechtsfragen die
gesetzlichen und rechtsprechungsgemässen Regeln über die Einstellung in der
Anspruchsberechtigung (Art. 30 AVIG). Zu beurteilen ist hierbei insbesondere
die falsche Rechtsanwendung (Urteil 8C_466/2007 vom 19. November 2007 E. 3 mit
Hinweis), wobei das Bundesgericht grundsätzlich an den vorinstanzlich
festgestellten Sachverhalt gebunden ist (E. 1 hievor).

3.2 Ein Selbstverschulden im Sinne der Arbeitslosenversicherung liegt dann vor,
wenn und soweit der Eintritt der Arbeitslosigkeit nicht objektiven Faktoren
zuzuschreiben ist, sondern in einem nach den persönlichen Umständen und
Verhältnissen vermeidbaren Verhalten der versicherten Person liegt, für das die
Arbeitslosenversicherung die Haftung nicht übernimmt (Urteil [des Eidg.
Versicherungsgerichts] C 14/01 vom 8. August 2002 E. 1.2 mit Hinweisen;
NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches
Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Bd. Soziale Sicherheit, 2. Aufl., Basel/Genf/
München 2007, S. 2427 Rz. 831). Die Einstellung in der Anspruchsberechtigung
wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit gemäss Art. 44 Abs. 1 lit. a AVIV
setzt keine Auflösung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigen Gründen gemäss
Art. 337 bzw. Art. 346 Abs. 2 OR voraus. Es genügt, dass das allgemeine
Verhalten der versicherten Person Anlass zur Kündigung bzw. Entlassung gegeben
hat; Beanstandungen in beruflicher Hinsicht müssen nicht vorgelegen haben. Das
Verhalten der versicherten Person muss jedoch beweismässig klar feststehen und
bei Differenzen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer darf nicht bloss auf die
Behauptungen des Arbeitgebers abgestellt werden (BGE 112 V 242 E. 1 S. 245 mit
Hinweisen; Urteile [des Eidg. Versicherungsgerichts] C 14/01 vom 8. August 2002
E. 1.2, C 290/97 vom 5. Februar 1998 E. 7b, in: ARV 1999 Nr. 8 S. 30, C 285/94
vom 5. März 1996 E. 3b/bb, in: SVR 1996 ALV Nr. 72 S. 219, und C 283/94 vom 10.
März 1995 E. 1, in: ARV 1995 Nr. 18 S. 106). Das vorwerfbare Verhalten muss
zudem nach Art. 20 lit. b des Übereinkommens Nr. 168 der Internationalen
Arbeitsorganisation (IAO) über Beschäftigungsförderung und den Schutz gegen
Arbeitslosigkeit vom 21. Juni 1988 (SR 0.822.726.8; für die Schweiz in Kraft
seit dem 17. Oktober 1991 [AS 1991 1914]) vorsätzlich erfolgt sein (BGE 124 V
234 E. 3b S. 236); diese Rechtsprechung ist auch im Bereich von Art. 44 Abs. 1
lit. a AVIV anwendbar (Urteil [des Eidg. Versicherungsgerichts] C 53/00 vom 17.
Oktober 2000), wobei Eventualvorsatz genügt (Urteil [des Eidg.
Versicherungsgerichts] C 371/01 vom 4. Juni 2002 E. 2b mit Hinweis).

4.
Unbestrittenermassen wurde das seit 1. November 2005 zwischen der Firma und der
Beschwerdeführerin bestehende Anstellungsverhältnis mit Schreiben vom 31. März
2006 fristlos durch die Arbeitgeberin beendet. Erstellt ist ferner, dass die
Beschwerdeführerin ihre Tätigkeit bereits Mitte März 2006 eingestellt und die
Arbeitgeberin gleichentags u.a. zur Begleichung der noch ausstehenden Löhne für
die Monate Januar/Februar 2006 aufgefordert hatte. Da dies in der Folge nicht
geschah, erhob die Beschwerdeführerin Ende März 2006 beim Arbeitsgericht Klage
u.a. auf Nachzahlung der Lohnausstände, welches Verfahren indessen zufolge
Einstellung des am 28. September 2006 erfolgten Konkurses der ehemaligen
Arbeitgeberin mangels Aktiven als gegenstandslos abgeschrieben wurde. In
tatsächlicher Hinsicht für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich
festgestellt hat die Vorinstanz ferner, dass es während des
Arbeitsverhältnisses zu anhaltenden Differenzen (unter Verwendung von
Kraftausdrücken und - zumindest in einem Fall - Nichtbefolgen von Anweisungen)
zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Vorgesetzten gekommen war.

5.
5.1 Dem am 7. September 2005 zwischen der Beschwerdeführerin und der ehemaligen
Arbeitgeberin abgeschlossenen "Reglement und Vertrag für Angestellte der Firma
I.________" ist zu entnehmen, dass der Arbeitnehmerin ein Monatssalär von zu
Beginn Fr. 3850.- brutto und ab Dezember 2005 von Fr. 4000.- brutto zugesichert
worden war. Während die Lohnabrechnungen für November und Dezember 2005
vertragskonforme Lohnzahlungen von Fr. 3850.- (November) und Fr. 4000.- brutto
(Dezember) belegen, gelangten für Januar 2006 lediglich noch "Teilbeträge" in
Höhe von insgesamt Fr. 2500.- zur Auszahlung; der für den Monat Februar 2006
geschuldete Lohn blieb schliesslich (wie auch derjenige von März 2006)
unbezahlt.
5.1.1 Solange der Arbeitgeber sich mit verfallenen Lohnzahlungen im Rückstand
befindet, ist der Arbeitnehmer in analoger Anwendung von Art. 82 OR befugt, die
Leistung von Arbeit zu verweigern (BGE 120 II 209 E. 6a S. 211 ff. mit
Hinweisen; Urteil [des Eidg. Versicherungsgerichts] C 98/96 vom 5. September
1996 E. 5c mit Hinweis).
5.1.2 Da die ehemalige Arbeitgeberin mit den Lohnzahlungen für die Vormonate
ganz (Februar 2006) bzw. teilweise (Januar 2006) im Rückstand lag, war die
Beschwerdeführerin nach dem Dargelegten befugt, ihre Arbeitsleistungen, wie mit
Schreiben vom 15. März 2006 angekündigt, einzustellen, zumal sie ihren
Vorgesetzten zuvor mehrmals auf die Ausstände aufmerksam gemacht und deren
Begleichung gefordert hatte (vgl. die protokollarisch festgehaltenen Aussagen
der Verfahrensbeteiligten anlässlich der Hauptverhandlung vom 24. Mai 2006
sowie der persönlichen Befragung der Parteien vom 14. September 2006 vor dem
Arbeitsgericht). Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei den Liquiditätsproblemen
der Gesellschaft nur um einen vorübergehenden finanziellen Engpass handelte,
den es nach der Betrachtungsweise der Vorinstanz seitens der Beschwerdeführerin
"auszusitzen" galt, bestanden für die Versicherte im betreffenden Zeitpunkt
realistischerweise nicht, hatte sie auf Grund ihrer Tätigkeit doch zum einen
umfassenden Einblick in den nur mässig verlaufenden Geschäftsgang und war sie
zum anderen durch ihren Vorgesetzten selber im Verlaufe des Monats Januar 2006
auf die prekäre finanzielle Lage des Unternehmens hingewiesen worden; zudem
erlebte sie Ende Januar/Februar 2006 die auf Grund eines Ausweisungsverfahrens
notwendig gewordene Verlegung der Firmenräumlichkeiten mit. Letztere hatte zur
Folge, dass die Beschwerdeführerin sich genötigt sah, anschliessend mehrere
Wochen in den Privaträumen ihres Vorgesetzten zu arbeiten. Über die
Gesellschaft wurde schliesslich Ende September 2006 der Konkurs eröffnet.

5.2 Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, inwiefern der
Beschwerdeführerin ein (Teil-)Verschulden an der per 31. März 2006 erfolgten
fristlosen Auflösung des Anstellungsverhältnisses durch die Arbeitgeberin
vorzuwerfen ist. Vielmehr sah die Firma sich bis Ende März 2006 ausserstande,
die ausstehenden Lohnbeträge zu begleichen, sodass die Versicherte gezwungen
war, diese gerichtlich einzufordern. Ebenso wenig sind entsprechende Zahlungen
während des nachfolgenden Klageverfahrens ausgewiesen. Dass die
Beschwerdeführerin sich von Ende Januar bis März 2006 gegenüber ihrem
Vorgesetzten zeitweise eines Benehmens bediente, welches zugestandenermassen
wohl nicht als besonnen zu bezeichnen ist, trug zwar sicherlich nicht zu einer
Entspannung der Situation bei; es kann ihr jedoch namentlich angesichts der -
ihrem Vorgesetzten spätestens seit Anfang März 2006 bekannten - Tatsache, dass
sie in jenem Zeitpunkt, als werdende Mutter und mit einem arbeitslosen Mann
verheiratet, hinsichtlich ihrer Einkommensverhältnisse in einem besonderen
Masse gefordert war und sich über einen längeren Zeitraum hinziehende
Lohnausstände deshalb eine erhebliche Belastung darstellten, mit Blick auf die
Ende März 2006 erfolgte fristlose Entlassung nicht als (eventual-)vorsätzliches
Verhalten vorgeworfen werden. Im Gegenteil stellt sich auf Grund der konkreten
Gegebenheiten vielmehr die Frage, ob nicht sogar die Versicherte ihrerseits
berechtigt gewesen wäre, das Arbeitsverhältnis infolge Verletzung der
Lohnzahlungspflicht durch die Arbeitgeberin gemäss Art. 337 OR oder wegen
Lohngefährdung nach Art. 337a OR fristlos aufzulösen (vgl. zu den
diesbezüglichen Voraussetzungen: REHBINDER, Berner Kommentar, Der
Arbeitsvertrag, Rz. 10 zu Art. 337 OR und Rz. 1 ff. zu Art. 337a OR). Dieser
Punkt bedarf indessen, zumal die Beschwerdeführerin auf eine derartige
Vorgehensweise ausdrücklich verzichtet hat (vgl. Schreiben vom 15. März 2006),
keiner abschliessenden Prüfung.
Die vorinstanzlich bestätigte Einstellung in der Anspruchsberechtigung ist
daher ersatzlos aufzuheben.

6.
Die gemäss Art. 65 Abs. 4 lit. a BGG zu erhebenden Gerichtskosten werden dem
Ausgang des Verfahrens entsprechend der Beschwerdegegnerin auferlegt (Art. 66
Abs. 1 BGG; BGE 133 V 637). Der anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin steht
ferner eine Parteientschädigung zu (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 29. August 2008 sowie der
Einspracheentscheid der Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich vom 22. Januar
2007 aufgehoben.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen.

4.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen
Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, dem Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich und dem
Staatssekretariat für Wirtschaft schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 3. Februar 2009
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Fleischanderl