Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.841/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_841/2008

Urteil vom 7. April 2009
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Maillard,
Gerichtsschreiberin Schüpfer.

Parteien
IV-Stelle Basel-Stadt, 4002 Basel,
Beschwerdeführerin,

gegen

H.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Behindertenforum, Rechtsdienst
für Behinderte.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt
vom 4. September 2008.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 11. August 2004 verneinte die IV-Stelle Basel-Stadt einen
Anspruch des H.________, geboren 1953, auf eine Invalidenrente bei einem
ermittelten Invaliditätsgrad von 38 %. Die dagegen gerichtete Einsprache hiess
sie mit Entscheid vom 29. Januar 2007 in dem Sinne teilweise gut, als sie
nunmehr auf einen Invaliditätsgrad von 43 % und den Anspruch auf eine
Viertelsrente erkannte. Mit einer am gleichen Tag erlassenen Verfügung, welche
zum integrierenden Bestandteil des Einspracheentscheides erklärt wurde,
gewährte die IV-Stelle dem Versicherten rückwirkend ab dem 1. August 1999 eine
halbe Invaliden-Härtefallrente.

B.
Das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt hob den Einspracheentscheid auf und
sprach dem Versicherten bei einem Invaliditätsgrad von 50 % ab August 1999 eine
halbe Rente zu.

C.
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
stellt den Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben.

Der Versicherte verzichtet auf eine Vernehmlassung, während die Vorinstanz und
das Bundesamt für Sozialversicherungen auf Gutheissung schliessen.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 130 III 136
E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der
allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG),
grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel
nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).

2.
2.1 Nach Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG sind Personen, Organisationen und Behörden
vor Bundesgericht beschwerdeberechtigt, denen ein anderes Bundesgesetz dieses
Recht einräumt. Das ist für die IV-Stelle gestützt auf Art. 62 Abs. 1bis ATSG
in Verbindung mit Art. 41 Abs. 1 lit. i IVV der Fall (vgl. auch BGE 134 V 53 E.
2.2.2 S. 56). Dabei handelt es sich um ein abstraktes Beschwerderecht. Die
Erfordernisse der materiellen und formellen Beschwer nach Abs. 1 der Bestimmung
(besonderes Berührtsein [lit. b] und ein schutzwürdiges Interesse an der
Aufhebung oder Änderung haben [lit. c]) müssen zwar nicht erfüllt sein;
hingegen muss der Beschwerdeführer auch im Kontext von Abs. 2 ein aktuelles und
praktisches Interesse an der Beschwerdeführung haben (vgl. WALDMANN, in: Basler
Kommentar BGG, 2008, N 45 zu Art. 89).

2.2 Bei einer Verfügung über Versicherungsleistungen bildet grundsätzlich
einzig die Leistung Gegenstand des Dispositivs. Die Beantwortung der Frage,
welcher Invaliditätsgrad der Rentenzusprechung zu Grunde gelegt wurde, dient
demgegenüber in der Regel lediglich der Begründung der Leistungsverfügung. Sie
könnte nur dann zum Dispositiv gehören, wenn und insoweit sie Gegenstand einer
Feststellungsverfügung ist. Da in jedem Fall nur das Dispositiv anfechtbar ist,
muss bei Anfechtung der Motive einer Leistungsverfügung geprüft werden, ob
damit nicht sinngemäss die Abänderung des Dispositivs beantragt wird.
Vorausgesetzt ist dabei, dass die Beschwerde führende Partei allenfalls ein
schutzwürdiges, das heisst besonderes, unmittelbares und aktuelles Interesse
tatsächlicher oder rechtlicher Natur an der sofortigen Feststellung
hinsichtlich des angefochtenen Verfügungsbestandteils hat (BGE 115 V 416 E. 3b/
aa S. 418, 106 V 91 E. 1 S. 92; Urteil I 586/04 vom 27. Oktober 2005 E. 1;
ferner BGE 130 V 388 E. 2.2 S. 390 und E. 2.4 S. 391).

3.
Gemäss Dispositiv des angefochtenen Entscheides wird der Einspracheentscheid
vom 29. Januar 2007, in Gutheissung der Beschwerde aufgehoben und die
Invalidenversicherung verurteilt, dem (damaligen) Beschwerdeführer mit Wirkung
ab August 1999 eine halbe Rente zu entrichten. Die Beschwerdeführerin ist daher
durch das Dispositiv des kantonalen Entscheides nicht beschwert, entspricht es
doch der zum integrierenden Bestandteil des Einspracheentscheides erklärten
Rentenverfügung vom 29. Januar 2007 mit welcher dem Versicherten ebenfalls eine
halbe (Härtefall-)Rente zugesprochen worden war. Mit Bezug auf den - die Grenze
der richterlichen Überprüfungsbefugnis bildenden (BGE 121 V 362 E. 1b S. 366) -
Beurteilungszeitraum bis zum Erlass des Einspracheentscheides vom 29. Januar
2007 ist der von der Beschwerde führenden IV-Stelle behauptete Invaliditätsgrad
von 49% (anstelle der letztinstanzlichen Festlegung von 50 %) ohne Einfluss auf
den Umfang des von ihr selbst verfügten (halben) Rentenanspruchs. Damit fehlt
es insoweit an einer Sachurteilsvoraussetzung (E. 2.2). Der Umstand, dass die
Vorinstanz die Zusprechung einer halben Invalidenrente aufgrund einer
modifizierten Invaliditätsbemessung und eines daraus resultierenden höheren
Invaliditätsgrades bestätigt hat, begründet keine formelle Beschwer (vgl. SVR
2002 IV Nr. 40 S. 125; Urteil I 586/04 vom 27. Oktober 2005 E. 2.1 mit
Hinweisen). Der Invaliditätsgrad stellt nach dem Gesagten lediglich ein
Begründungselement dar (BGE 125 V 413 E. 2 S. 415), wogegen sich die formelle
Beschwer allein aus dem Dispositiv des Entscheides ergibt.

4.
4.1 Die IV-Stelle führt in der Begründung ihrer Beschwerde lediglich an, sie
sei vom vorinstanzlichen Entscheid berührt und somit zur Beschwerde
legitimiert. Inwiefern sie berührt sein soll ist der Beschwerdeschrift nicht zu
entnehmen. Sie rügt die Verletzung von Bundesrecht durch das kantonale Gericht,
indem dieses ihres Erachtens die Rundungsregel unrichtig angewendet und bei der
Bemessung des Invalideneinkommens einen Abzug vom statistisch ermittelten
Durchschnittslohn vorgenommen habe. Das Rechtsbegehren um Aufhebung des
kantonalen Entscheids zielt - sinngemäss - nicht auf Änderung des
vorinstanzlichen Dispositivs, sondern auf Feststellung des ermittelten
Invaliditätsgrades. Zur Begründung des erforderlichen schutzwürdigen aktuellen
Interesses an einem letztinstanzlichen Feststellungsentscheid macht sie keine
Angaben.

4.2 Dass die entsprechenden Voraussetzungen für einen Feststellungsentscheid
gegeben sind, springt vorliegend keineswegs ins Auge. Es obläge daher der
Beschwerdeführerin, im Rahmen der rechtsgenügenden Darlegung der
Sachurteilsvoraussetzungen kurz aufzuzeigen, inwiefern sie erfüllt sind,
konkret, worin ihr aktuelles Interesse an der Feststellung eines
Invaliditätsgrades von weniger als 50 % besteht, nachdem sie selbst dem
Versicherten für den hier massgebenden Zeitraum eine halbe Rente zugesprochen
hat. Sie begnügt sich indessen mit der blossen unbegründeten Aussage, sie sei
berührt. Es ist nicht Sache des Bundesgerichts seinerseits nach Argumenten zu
suchen, weshalb eine Beschwerde führende Partei - ausnahmsweise - ein Interesse
an einem reinen Feststellungsentscheid haben soll (E. 1). Nach dem Ausgeführten
ist nicht hinreichend dargetan, dass die Voraussetzungen für die Zulässigkeit
eines aktuellen Interesses am Erlass eines bundesgerichtlichen
Feststellungsentscheides erfüllt sind, womit auf die Beschwerde nicht
eingetreten werden kann.

5.
Die IV-Stelle hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Da der
Beschwerdegegner auf eine Vernehmlassung verzichtet hat, sind ihm
letztinstanzlich auch keine Parteikosten angefallen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 7. April 2009
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Schüpfer