Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.804/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_804/2008

Urteil vom 2. Juni 2009
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Niquille,
Gerichtsschreiber Hochuli.

Parteien
B.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Häfliger,

gegen

Helsana Versicherungen AG, Versicherungsrecht, Zürichstrasse 130, 8600
Dübendorf,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom
25. August 2008.

Sachverhalt:

A.
B.________, geboren 1970, war als Servicemitarbeiterin im Restaurant T.________
bei der Helsana Versicherungen AG (nachfolgend: Helsana oder
Beschwerdegegnerin) obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen und
Berufskrankheiten versichert. Am 11. März 2002 versuchte sie nach einer
tätlichen Auseinandersetzung zwischen zwei Gästen diesen Streit zu schlichten,
worauf ein Gast, nachdem sie sich von diesem abgewendet hatte, ein Bierglas
nach ihr warf, welches gemäss Polizeirapport vom 25. März 2002 vermutlich auf
ihrem linken Schulterblatt und am linken Hinterkopf aufschlug. In der
Chirurgischen Klinik des Kantonsspitals X.________, wo die Versicherte vom 11.
bis 12. März 2002 stationär hospitalisiert war, wurde einzig eine Commotio
cerebri und eine tiefe Rissquetschwunde (RQW) retroaurikulär links
diagnostiziert. Die hiefür erbrachten gesetzlichen Versicherungsleistungen
stellte die Helsana mit Verfügung vom 17. November 2004, bestätigt durch
Einspracheentscheid vom 13. Mai 2005, per Ende Oktober 2004 ein und verneinte
die Unfalladäquanz der darüber hinaus geklagten gesundheitlichen
Beeinträchtigungen.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde der B.________ wies das Verwaltungsgericht des
Kantons Luzern ab, worauf das Bundesgericht den vorinstanzlichen Entscheid vom
14. Juni 2006 aufhob und die Beschwerde in dem Sinne guthiess, als es die Sache
zur Durchführung der im kantonalen Verfahren beantragten öffentlichen
Verhandlung und zum Neuentscheid an die Vorinstanz zurückwies (Urteil U 364/06
vom 13. August 2007). Nach Durchführung der öffentlichen Verhandlung vom 16.
Oktober 2007 wies das kantonale Gericht die Beschwerde erneut ab (Entscheid vom
25. August 2008).

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten stellt B.________
unter anderem die Rechtsbegehren, sie sei "ab 1. November 2004 bei einem
Invaliditätsgrad von 1010 % [recte wohl 100 %] zu berenten" und ihr sei eine
Integritätsentschädigung auf Grund einer Integritätseinbusse von 50 %
zuzusprechen; zudem ersucht sie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
Mit derselben Beschwerde beantragt ihr Rechtsvertreter Dr. iur. Häfliger,
Luzern, statt der mit angefochtenem Entscheid für das kantonale
Beschwerdeverfahren im Rahmen der bewilligten unentgeltlichen
Rechtsverbeiständung zugesprochenen Abgeltung von Fr. 2'619.20 (inklusive
Auslagen und Mehrwertsteuer) habe ihn die Vorinstanz basierend auf einem
Aufwand von 24,2 Stunden bei einem Ansatz von Fr. 230.- pro Stunde zu
entschädigen.

Die Helsana und das Bundesamt für Gesundheit verzichten auf eine
Vernehmlassung.

D.
Mit Verfügung vom 12. Dezember 2008 wies das Bundesgericht, I. sozialrechtliche
Abteilung, das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (im Sinne der
unentgeltlichen Prozessführung und Verbeiständung) zufolge Aussichtslosigkeit
der Rechtsvorkehr ab und forderte die Beschwerdeführerin mit zusätzlicher
Verfügung auf, bis 16. Januar 2009 einen Kostenvorschuss von Fr. 750.-
einzuzahlen, was fristgerecht geschehen ist.

Erwägungen:

1.
Die beiden Beschwerden der B.________ und des Rechtsanwalts Dr. iur. Häfliger
sind voneinander zu trennen und durch selbstständige Urteile zu erledigen.
Hienach zu beurteilen ist die Beschwerde der Versicherten hinsichtlich des
strittigen folgenlosen Fallabschlusses per Ende Oktober 2004.

2.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von
der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 132
II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140).

Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen
der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die
vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art.
97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

3.
Das kantonale Gericht hat die zur Beurteilung des Leistungsanspruchs
einschlägigen Rechtsgrundlagen und die dazu ergangene Judikatur zutreffend
dargelegt. Darauf wird verwiesen.

4.
4.1 Nach eingehender und umfassender Würdigung der gesamten Aktenlage gelangte
die Vorinstanz zu Recht zur Auffassung, dass die psychischen Beschwerden im
Verlauf nach dem Unfall im Vergleich zu den nach der Hirnerschütterung
aufgetretenen Beeinträchtigungen deutlich im Vordergrund standen, weshalb die
Unfalladäquanz der ab 1. November 2004 fortgesetzt geklagten
Gesundheitsstörungen nach der sogenannten Psycho-Praxis (BGE 115 V 133) zu
prüfen sei.

4.2 Was die Beschwerdeführerin hiegegen einwendet ist unbegründet. Von einer
"eineinhalbstündigen vollen Bewusstlosigkeit" ab Unfall bis zum Spitaleintritt
oder von einer entsprechend langen, angeblich "schwer komatösen" Phase kann
keine Rede sein. Weder der erstuntersuchende Dr. med. O.________ noch die
Chirurgische Klinik des Kantonsspitals X.________ berichtete von einer
Bewusstlosigkeit. Gemäss Angaben der letztgenannten Notfallstation vom 12. März
2002 war weder eine Bewusstlosigkeit noch eine Amnesie, sondern ausschliesslich
eine seit dem Unfall anhaltende motorische Aphasie feststellbar.
Dementsprechend diagnostizierten die Notfallärzte abschliessend einzig eine
Commotio cerebri und eine tiefe RQW retroaurikulär links. Im Zeitpunkt des
Spitaleintritts lag der Wert auf der Glasgow Coma Scale bei 11 (GCS; vgl. dazu
Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts U 276/04 vom 13. Juli 2005 E.
2.2.2); im Verlaufe der Untersuchung stieg er wieder bis zum Höchstwert von 15
an, so dass die untersuchenden Ärzte mit der Versicherten normal kommunizieren
konnten. Intrakranielle Läsionen konnten computertomographisch ausgeschlossen
werden. Knapp drei Monate nach dem Unfall war die RQW reizlos abgeheilt,
während der Hausarzt, Allgemeinmediziner Dr. med. Andreas R.________, das
postcommotionelle Syndrom mit depressiver Entwicklung und die chronischen
Kopfschmerzen medikamentös antidepressiv sowie symptomatisch mit Schmerzmitteln
behandelte. Psychiater Dr. med. Otto U.________ diagnostizierte eine
posttraumatische Belastungsstörung und einen langsamen Übergang in eine
depressiv geprägte Anpassungsstörung. Auch während eines dreiwöchigen
stationären Aufenthaltes in der Rehaklinik Y.________ im Oktober 2002 wurden
die neuropsychologisch feststellbaren Minderfunktionen "mit grosser
Wahrscheinlichkeit als Folgen des aktuellen psychischen Zustandes" beurteilt,
welche gut vereinbar seien mit "angst- und depressionsbedingten Auswirkungen".
Laut Bericht vom 27. April 2003 der behandelnden Psychiaterin Dr. med.
K.________ brachte der stationäre Rehabilitationsaufenthalt angesichts
überhöhter Erwartungen der Beschwerdeführerin an die Behandlung keine
Verbesserung des Gesundheitszustandes; sämtliche Termine, auch die
Therapiegespräche, empfinde die Versicherte "als Belastung". Gemäss
übereinstimmenden medizinischen Unterlagen hat ein allfälliges
Schädel-Hirntrauma höchstens den Schweregrad einer Commotio cerebri erreicht.
Unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände ist daher die
Schleudertrauma-Praxis (BGE 134 V 109, 117 V 359 und 369) auf den hier zu
beurteilenden Sachverhalt nicht anwendbar (SVR 2008 UV Nr. 35 S. 133, 8C_476/
2007 E. 4.1.3).

5.
Das kantonale Gericht hat sodann mit in allen Teilen zutreffender Begründung
richtig erkannt, dass der für eine Leistungspflicht des Unfallversicherers
vorausgesetzte adäquate Kausalzusammenhang zwischen den ab 1. November 2004
fortgesetzt geklagten Beschwerden und dem Unfall vom 11. März 2002, welchen die
Vorinstanz korrekt als mittelschweren Vorfall im Grenzbereich zu den leichten
Ereignissen (zur Unfalleinstufung nach dem augenfälligen Geschehensablauf vgl.
SVR 2008 UV Nr. 8 S. 26, U 2/07 E. 5.3.1; Urteil U 503/05 vom 17. August 2006
E. 2.2 und 3.1 f.) einstufte, nach der hier anwendbaren Psycho-Praxis (BGE 115
V 133) zu verneinen ist. Gestützt auf den Polizeirapport vom 25. März 2002 und
die polizeilichen Protokolle zur Befragung von Auskunftspersonen steht mit dem
im Sozialversicherungsrecht massgebenden Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit (BGE 129 V 150 E. 2.1 S. 153 mit Hinweisen) fest, dass das
nach der Beschwerdeführerin geworfene, 740 Gramm schwere Bierglas die
Versicherte unerwartet von hinten an ihrem linken Schulterblatt sowie an ihrem
linken Hinterkopf traf und dann auf dem Boden in Brüche ging. Die
letztinstanzlichen Vorbringen der Beschwerdeführerin vermögen die
Schlussfolgerungen des angefochtenen Entscheids, namentlich die Ausführungen zu
den einzelnen Kriterien der Adäquanzbeurteilung (siehe BGE 115 V 133 E. 6c/aa
S. 140), nicht in Frage zu stellen. Es wird auf die entsprechenden
vorinstanzlichen Erwägungen verwiesen (Art. 109 Abs. 3 BGG). Da weder ein
einzelnes der nach BGE 115 V 133 für die Beurteilung massgebenden Kriterien in
besonders ausgeprägter Weise erfüllt ist noch die zu berücksichtigenden
Kriterien in gehäufter oder auffallender Weise, sondern vielmehr nur teilweise
gegeben sind, haben Verwaltung und Vorinstanz die Adäquanz des
Kausalzusammenhanges zwischen dem Unfall vom 11. März 2002 und den ab 1.
November 2004 anhaltenden Beschwerden der Versicherten zu Recht verneint.

6.
6.1 Die offensichtlich unbegründete Beschwerde wird im vereinfachten Verfahren
nach Art. 109 (Abs. 2 lit. a) BGG mit summarischer Begründung und unter Verweis
auf den vorinstanzlichen Entscheid (Abs. 3) erledigt.

6.2 Die Gerichtskosten werden der Beschwerdeführerin als unterliegender Partei
auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 2. Juni 2009

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung Hochuli