Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.778/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_778/2008, 8C_908/2008

Urteil vom 12. Dezember 2008
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiber Lanz.

Parteien
R.________,

B.________,

Beschwerdeführer, beide vertreten durch Rechtsanwalt Viktor Györffy,
Gartenhofstrasse 15, 8004 Zürich,

gegen

Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 3. Abteilung, Militärstrasse 36,
Postfach, 8090 Zürich,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Fürsorge (unentgeltliche Rechtspflege),

Beschwerden gegen die Entscheide des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich
vom 28. Juli und 1. September 2008.

Sachverhalt:

A.
R.________ wurde ab Juli 2002 von den Sozialen Diensten der Stadt Zürich mit
wirtschaftlicher Hilfe unterstützt. Am 6. Mai 2004 heiratete sie B.________.
Aufgrund dessen Erwerbseinkommen wurde das Ehepaar ab Sommer 2005 nur noch
ergänzend unterstützt. Mit Verfügung vom 4. Oktober 2007 stellte die
Einzelfallkommission der Sozialbehörde der Stadt Zürich die
Unterstützungsleistungen auf den 30. September 2007 ein und verpflichtete
R.________, bis dahin bezogene Leistungen im Betrag von Fr. 84'402.70
zurückzuerstatten. Die hiegegen erhobene Einsprache hiess die Einspracheinstanz
und Geschäftsprüfungskommission der Sozialbehörde der Stadt Zürich am 10.
Dezember 2007 teilweise gut; sie setzte die Rückerstattungsforderung auf Fr.
74'004.20 herab und verpflichtete R.________, davon alleine Fr. 6061.50 sowie
solidarisch mit dem Ehemann Fr. 67'942.70 zu tragen; im Übrigen wurde die
Einsprache abgewiesen. R.________ und B.________ erhoben Rekurs beim Bezirksrat
Zürich. Dieser hob am 20. März 2008 die Verfügung vom 4. Oktober 2007 und den
Einspracheentscheid vom 10. Dezember 2007 auf und wies die Sache zur genügenden
Feststellung des Sachverhalts und zur neuen Entscheidung an die Sozialbehörde
zurück.

B.
Die Stadt Zürich erhob beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich Beschwerde
mit dem Rechtsbegehren, der Rekursentscheid sei, soweit auf Rückweisung
betreffend die Einstellung der Leistungen lautend, aufzuheben. Hingegen würden
gegen die Rückweisung betreffend die Rückerstattung von Leistungen keine
Einwendungen erhoben. R.________ und B.________ beantragten die Abweisung der
Beschwerde und ersuchten um unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung
für das Beschwerdeverfahren.

Mit Zwischenentscheid vom 28. Juli 2008 wies das Verwaltungsgericht das Gesuch
um unentgeltliche Verbeiständung mangels Notwendigkeit eines anwaltlichen
Beistandes ab.

Am 20. August 2008 ersuchten R.________ und B.________ das Verwaltungsgericht,
den Zwischenentscheid vom 28. Juli 2008 in Wiedererwägung zu ziehen.
Mit Entscheid vom 1. September 2008 trat das Verwaltungsgericht auf das
Wiedererwägungsgesuch nicht ein und hiess die Beschwerde der Stadt Zürich gut.
Die Verfahrenskosten auferlegte es der Stadt. Eine Parteientschädigung sprach
es nicht zu.

C.
Mit einer ersten Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lassen
R.________ und B.________ beantragen, es sei der Zwischenentscheid vom 28. Juli
2008 aufzuheben und die unentgeltliche Verbeiständung für das kantonale
Verfahren zu bewilligen (Dossier 8C_778/2008).

Mit einer zweiten Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lassen
R.________ und B.________ beantragen, der Zwischenentscheid vom 28. Juli 2008
und der Entscheid vom 1. September 2008 seien, soweit die unentgeltliche
Prozessführung und Verbeiständung betreffend, aufzuheben und es sei die
unentgeltliche Verbeiständung für das kantonale Verfahren zu bewilligen
(Dossier 8C_908/2008).

In beiden Beschwerden ersuchen R.________ und B.________ um unentgeltliche
Rechtspflege für das letztinstanzliche Verfahren.

Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich beantragt die Abweisung der ersten
Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Zur zweiten Beschwerde wurde kein
Schriftenwechsel durchgeführt.
Erwägungen:

1.
Aufgrund der gegebenen Umstände sind die beiden Beschwerdeverfahren zu
vereinigen (vgl. Urteile 9C_825/2008 und 9C_829/2008 vom 6. November 2008 E. 1;
8C_814/2007 und 8C_580/2008 vom 25. September 2008 E. 1; je mit Hinweisen).

2.
Der Zwischenentscheid vom 28. Juli 2008 betraf lediglich die unentgeltliche
Verbeiständung, nicht die unentgeltliche Prozessführung im Sinne der Befreiung
von Gerichtskosten. Gerichtskosten wurden den Beschwerdeführern im
verfahrensabschliessenden Entscheid der Vorinstanz vom 1. September 2008 nicht
auferlegt. Auf die zweite Beschwerde ist daher, soweit die unentgeltliche
Prozessführung betreffend, mangels eines Anfechtungsgegenstandes resp.
Rechtsschutzinteresses nicht einzutreten.

3.
Streitig und zu prüfen bleibt, wie es sich mit der Gewährung der
unentgeltlichen Verbeiständung für das kantonale Verfahren verhält.

3.1 Dabei ist in formeller Hinsicht zu differenzieren:
3.1.1 Die erste Beschwerde richtet sich gegen den Zwischenentscheid vom 28.
Juli 2008, in welchem die Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung
verweigert worden ist. Dieser Zwischenentscheid ist selbstständig anfechtbar
(Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; Urteil 8C_530/2008 vom 25. September 2008 E. 2.3
und 2.4). Auf die Beschwerde ist einzutreten, da auch die übrigen
Voraussetzungen hiefür erfüllt sind.
3.1.2 Auf die zweite Beschwerde kann zunächst insofern nicht eingetreten
werden, als sie sich (erneut) gegen den bereits mit der ersten Beschwerde
angefochtenen Zwischenentscheid vom 28. Juli 2008 richtet.
3.1.3 Soweit mit der zweiten Beschwerde der vorinstanzliche Endentscheid vom 1.
September 2008 angefochten werden soll, betrifft dies die Frage der
unentgeltlichen Verbeiständung insofern, als auf das diesbezügliche
Wiedererwägungsgesuch nicht eingetreten wurde. Die Beschwerdeführer begründen
aber nicht, weshalb dieses Nichteintreten unrechtmässig sein soll. Auf die
Beschwerde ist daher mangels einer rechtsgenüglichen Begründung nicht
einzutreten, soweit sie sich gegen den Nichteintretensentscheid richten will.

3.2 Das kantonale Gericht hat das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung
abgewiesen, weil es eine anwaltliche Vertretung der Gesuchsteller als nicht
notwendig erachtete. Die Beschwerdeführer rügen, die Vorinstanz habe mit diesem
Entscheid ihren Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung nach § 16 des
zürcherischen Verwaltungsrechtspflegesetzes vom 24. Mai 1959 (VRG) und Art. 29
Abs. 3 BV verletzt. Sie tun indessen nicht dar, dass ihnen das kantonale Recht
unter erleichterten Voraussetzungen einen unentgeltlichen Rechtsbeistand
verschaffen würde. Die Beschwerde ist damit ausschliesslich unter dem
Gesichtswinkel von Art. 29 Abs. 3 BV zu beurteilen, womit das Bundesgericht in
rechtlicher Hinsicht frei überprüfen kann, ob der Anspruch auf Gewährung des
Armenrechts missachtet worden ist. Auf Willkür beschränkt ist die
Prüfungsbefugnis, soweit tatsächliche Feststellungen beanstandet werden (BGE
134 I 12 E. 2.3 S. 14; 130 I 180 E. 2.1 S. 182 mit Hinweis).
3.2.1 Gemäss Art. 29 Abs. 3 BV hat jede Person, die nicht über die
erforderlichen Mittel verfügt und deren Rechtsbegehren nicht aussichtslos
erscheint, Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege. Falls es zur Wahrung ihrer
Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen
Rechtsbeistand.

Von Bedeutung ist im vorliegenden Fall ausschliesslich die Frage der sachlichen
Notwendigkeit der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung. Dies beurteilt sich
nach den konkreten Umständen des Einzelfalles. Die Rechtsnatur des Verfahrens
ist ohne Belang. Grundsätzlich fällt die unentgeltliche Verbeiständung für
jedes staatliche Verfahren in Betracht, in das der Gesuchsteller einbezogen
wird oder das zur Wahrung seiner Rechte notwendig ist. Die bedürftige Partei
hat Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung, wenn ihre Interessen in
schwerwiegender Weise betroffen sind und der Fall in tatsächlicher und
rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten bietet, die den Beizug eines
Rechtsvertreters erforderlich machen. Droht das in Frage stehende Verfahren
besonders stark in die Rechtsposition der betroffenen Person einzugreifen, ist
die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsvertreters grundsätzlich geboten,
sonst nur dann, wenn zur relativen Schwere des Falles besondere tatsächliche
oder rechtliche Schwierigkeiten hinzukommen, denen der Gesuchsteller auf sich
alleine gestellt nicht gewachsen wäre (BGE 130 I 180 E. 2.2 S. 182 mit
Hinweisen).
3.2.2 Rechtsprechungsgemäss ist die Notwendigkeit der anwaltlichen
Verbeiständung im Bereich der Sozialhilfe, in dem es regelmässig vorab um die
Darlegung der persönlichen Umstände geht, nur mit Zurückhaltung anzunehmen
(Urteil 2P.234/2006 vom 14. Dezember 2006 E. 5.1, auch zum Folgenden). Auch
wenn im vorliegenden Fall die Interessen der Beschwerdeführer unstreitig
relativ schwer betroffen waren, müssten daher besondere rechtliche oder
tatsächliche Schwierigkeiten hinzukommen, denen die Ansprecher auf sich allein
gestellt nicht gewachsen wären. Solche Schwierigkeiten sind mit der Vorinstanz
zu verneinen, zumal es im kantonalen Beschwerdeverfahren nurmehr um die
Einstellung der laufenden Fürsorgeleistungen ging; in Bezug auf die
Rückforderung von erbrachten Fürsorgeleistungen hatte die Stadt Zürich als
Beschwerdeführerin den Rekursentscheid vom 20. März 2008 ausdrücklich nicht
angefochten. Sodann hat die Vorinstanz zu Recht mitberücksichtigt, dass die
Ansprecher am kantonalen Beschwerdeverfahren in der Funktion der
Beschwerdegegnerschaft, welche in der Regel prozessual einfacher ist als die
der Beschwerdeführerschaft, beteiligt waren.
3.2.3 Sämtliche Vorbringen der Beschwerdeführer vermögen den vorinstanzlichen
Entscheid nicht in Frage zu stellen. Dies gilt insbesondere auch, soweit
sprachliche Probleme und fehlende Vertrautheit mit behördlichen Verfahren
geltend gemacht werden:

Gemäss den Akten hält sich zumindest die Beschwerdeführerin seit etlichen
Jahren in der (Deutsch-)Schweiz auf. Sie hat überdies zahlreiche Formulare über
Arbeitsbemühungen sowie mehrere Vermögens- und Einkommensdeklarationen
eigenhändig ausgefüllt und eine Stellungnahme an die Sozialbehörde zu gegen sie
erhobenen Vorwürfen verfasst. Sodann hat sie in der Deutschschweiz eine
Massageschule und ein 60tägiges Trainingsprogramm "Arbeitswelt für Frauen
Zürich" absolviert. Auch wenn diese Aktenstücke keine besonders guten
Deutschkenntnisse ausweisen mögen, zeigen sie doch, dass die Beschwerdeführerin
jeweils verstand, worum es ging. Auch war sie in der Lage, sich in
verständlicher Weise zu äussern.

Mit Blick auf die verschiedenen Verfahren (unter anderem betreffend Strafrecht/
Strafvollzug sowie Arbeitslosenversicherung), in welche die Beschwerdeführerin
involviert war, erweist sich der Einwand der mangelnden Vertrautheit mit
behördlichen Vorgängen ebenfalls als nicht begründet. Gleiches gilt für die
weiteren Vorbringen der Beschwerdeführer.

3.3 Der Zwischenentscheid vom 28. Juli 2008 ist somit rechtens.

4.
Die Gerichtskosten der beiden Verfahren werden den unterliegenden
Beschwerdeführern auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (im Sinne der vorläufigen Befreiung
von den Gerichtskosten und der unentgeltlichen Verbeiständung) kann für das
Verfahren 8C_778/2008 entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Es wird
indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach die
begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie
später dazu im Stande ist. Für das Verfahren 8C_908/2008 kann die
unentgeltliche Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde nicht
gewährt werden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verfahren 8C_778/2008 und 8C_908/2008 werden vereinigt.

2.
Die Beschwerden werden abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

3.
Den Beschwerdeführern wird im Verfahren 8C_778/2008 die unentgeltliche
Rechtspflege gewährt.

4.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im Verfahren 8C_908/2008 wird
abgewiesen.

5.
Die Gerichtskosten im Verfahren 8C_778/2008 von Fr. 500.- werden den
Beschwerdeführern auferlegt, indes vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.

6.
Die Gerichtskosten im Verfahren 8C_908/2008 von Fr. 500.- werden den
Beschwerdeführern auferlegt.

7.
Rechtsanwalt Viktor Györffy, Zürich, wird im Verfahren 8C_778/2008 als
unentgeltlicher Anwalt der Beschwerdeführer bestellt, und es wird ihm aus der
Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1500.- ausgerichtet.

8.
Dieses Urteil wird den Parteien und der Stadt Zürich, Support
Sozialdepartement, schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 12. Dezember 2008

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung Lanz