Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.772/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_772/2008

Urteil vom 7. April 2009
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiber Flückiger.

Parteien
B.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Advokat Hans Suter,

gegen

IV-Stelle Basel-Landschaft, Hauptstrasse 109, 4102 Binningen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid
des Kantonsgerichts Basel-Landschaft
vom 15. Februar 2008.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 19. April 2007 lehnte es die IV-Stelle Basel-Landschaft ab,
dem 1970 geborenen B.________ eine Invalidenrente auszurichten. Zur Begründung
wurde erklärt, der ermittelte Invaliditätsgrad belaufe sich lediglich auf 4 %.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft ab
(Entscheid vom 15. Februar 2008, versandt am 15. August 2008).

C.
B.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Rechtsbegehren, es sei ein neurologisches Gutachten zu erstellen und
die Beschwerdegegnerin entsprechend dem Ergebnis des Gutachtens anzuweisen,
einen neuen Rentenentscheid zu fällen; eventualiter sei dem Beschwerdeführer
eine IV-Rente in noch zu bestimmender Höhe zuzusprechen. In verfahrensmässiger
Hinsicht wird beantragt, das Verfahren zu sistieren. Das überdies gestellte
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wurde mit Verfügung
vom 16. Dezember 2008 abgewiesen.
Vorinstanz, IV-Stelle und Bundesamt für Sozialversicherungen haben auf eine
Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG)
kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Dabei legt
das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung
von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder wenn sie auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG
beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG).

1.2 Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen im Verfahren vor Bundesgericht nur
so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass
gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Tatsachen und Beweismittel, die nach Ablauf der
Beschwerdefrist ausserhalb eines zweiten Schriftenwechsels geltend gemacht bzw.
eingereicht werden, sind grundsätzlich unbeachtlich, es sei denn, sie
vermöchten eine Revision des Gerichtsurteils zu rechtfertigen (BGE 127 V 353;
SVR 2009 IV Nr. 10 S. 21 E. 3.1, 9C_40/2007).

1.3 Bei den vorinstanzlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur
Arbeitsfähigkeit der versicherten Person handelt es sich grundsätzlich um
Entscheidungen über Tatfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.). Dagegen
beschlägt die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der
Beweiswürdigungsregeln eine Rechtsfrage (Art. 61 lit. c ATSG; BGE 132 V 393 E.
3.2 und 4 S. 397 ff.).

2.
2.1 Das kantonale Gericht gelangte zum Ergebnis, der Beschwerdeführer sei weder
in organischer noch in psychischer Hinsicht in seiner Arbeitsfähigkeit
eingeschränkt. Zur Begründung hat die Vorinstanz erwogen, es könne mit der
IV-Stelle auf das Gutachten des ärztlichen Begutachtungsinstituts X.________
vom 2. Februar 2007 abgestellt werden. Dieses werde den rechtsprechungsgemässen
Anforderungen an eine beweiskräftige ärztliche Stellungnahme gerecht und
vermöge für den medizinischen Sachverhalt den vollen Beweis zu erbringen.

2.2 Der Beschwerdeführer lässt einwenden, sein Vertreter sei am 1. September
2008 vom Hausarzt telefonisch kontaktiert und darüber informiert worden, dass
aus dessen Sicht ein neurologisches Gutachten hätte erstellt werden müssen.
Dabei habe sich der Hausarzt auf Dokumente gestützt, die ihm von Dr. med.
S.________, Neurologie FMH, und von der orthopädischen Klinik des Spitals
Y.________ zugestellt worden seien. Diese Dokumente seien dem Versicherten und
seinem Vertreter zuvor nicht bekannt gewesen. Sie begründeten Anspruch auf eine
vollständige medizinische Abklärung des gesundheitlichen Zustandes. Aufgrund
der vom neurologischen Facharzt festgestellten ischämischen Muskelschädigung
Quadrizeps femoris rechts und ischämischen Neuropathie Nervus femoralis rechts
sei ein entsprechendes neurologisches Gutachten zu erstellen, weil im
vorangehenden Gutachten des ärztlichen Begutachtungsinstituts X.________ vom 2.
Februar 2007 eine neurologische Begutachtung und Untersuchung unterlassen
worden sei.

3.
3.1 Wenn das kantonale Gericht gestützt auf die ihm vorliegenden Akten dem
Gutachten des ärztlichen Begutachtungsinstituts X.________ vollen Beweiswert
zuerkannte, liegt darin keine Verletzung von Bundesrecht, denn die Expertise
wird den von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen (BGE 125 V 351 E. 3a
S. 352) gerecht. Die daraus abgeleitete Beurteilung der Arbeitsfähigkeit ist
auf dieser Grundlage jedenfalls nicht offensichtlich unrichtig und daher für
das Bundesgericht verbindlich (E. 1.3 hiervor). In der Beschwerdeschrift wird
dies auch nicht bestritten. Vielmehr lässt der Versicherte geltend machen, ihm
neu bekannt gewordene Informationen und Unterlagen hätten gezeigt, dass
ergänzende Abklärungen in neurologischer Hinsicht erforderlich seien.
3.2
3.2.1 Die Argumentation, der medizinische Sachverhalt sei in neurologischer
Hinsicht unzureichend abgeklärt worden, wurde im kantonalen Verfahren nicht
vorgebracht. Die ihr zugrunde liegenden Behauptungen sind neu und wurden nicht
im Sinne von Art. 99 Abs. 1 BGG durch den vorinstanzlichen Entscheid
veranlasst. Sie könnten deshalb nur berücksichtigt werden, wenn sie -
entsprechend E. 1.2 am Ende hiervor - geeignet wären, eine Revision des
bundesgerichtlichen Urteils zu begründen.
3.2.2 Den Akten ist zu entnehmen, dass Dr. med. S.________ bereits am 30.
September 2005 ein neurologisches Konsilium (inkl. EMG-Bericht) zuhanden von
Dr. med. T.________, Orthopädie FMH, verfasste. Dr. med. S.________ wies schon
damals auf eine Quadricepsatrophie hin. Zudem hielt er fest, er habe eine
massiv erhöhte Muskelinkonsistenz gefunden, wie sie für eine ischämische
Muskelschädigung oder Myositis typisch sei. Da der Patient neurophysiologisch
nur schwer untersuchbar sei, rate er zu einem ergänzenden seitenvergleichenden
MRI der Oberschenkelmuskulatur. Eine ischämische Alteration wäre im
Seitenvergleich durchaus erkennbar. Dr. med. T.________ hielt in einem
Schreiben vom 21. November 2005 an die Klinik Z.________ fest, eine
MRI-Untersuchung habe den Verdacht von Dr. med. S.________ nicht bestätigt. Im
Gutachten des ärztlichen Begutachtungsinstituts X.________ werden sowohl der
Bericht von Dr. med. S.________ als auch - unter der Rubrik "nachträglich
eingereichte Unterlagen" - der Befundbericht MRI des Oberschenkels beidseits
durch I.________ an Dr. med. T.________ vom 9. November 2005 erwähnt. Letzterer
wird zusammengefasst. Die Gutachter gelangten auf dieser Basis offenbar zum
Ergebnis, ein neurologisches Teilgutachten sei entbehrlich. Vor diesem
Hintergrund konnte das kantonale Gericht das Gutachten des ärztlichen
Begutachtungsinstituts X.________ ohne Verletzung von Bundesrecht
(einschliesslich des Untersuchungsgrundsatzes [Art. 61 lit. c ATSG]) als
beweiskräftig ansehen und in antizipierter Beweiswürdigung auf weitere
Abklärungen - auch solche in neurologischer Hinsicht - verzichten. An diesem
Ergebnis ändern die letztinstanzlich aufgelegten Unterlagen nichts. Der
Umstand, dass Dr. med. S.________ eine ischämische Muskelschädigung mit
ischämischer Neuropathie vermutet, bildet angesichts der bereits bestehenden
Vorakten keine Basis für einen Revisionsgrund. Ebenso wenig besteht Anlass für
die beantragte Sistierung des Verfahrens. Eine nach dem 19. April 2007 (Erlass
der Verwaltungsverfügung und damit zeitliche Grenze der gerichtlichen Prüfung;
BGE 132 V 215 E. 3.1.1 S. 220) eingetretene Veränderung des
Gesundheitszustandes wäre im Rahmen eines Neuanmeldungsverfahrens (Art. 87 Abs.
4 IVV) geltend zu machen. Die Beschwerde ist abzuweisen.

4.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 Abs. 1 und Abs. 4 lit. a BGG). Die
Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer als der unterliegenden Partei
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Das Sistierungsgesuch wird abgewiesen.

2.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung
Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 7. April 2009
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung Flückiger