Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.75/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_75/2008

Urteil vom 14. November 2008
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Widmer, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiberin Hofer.

Parteien
H.________, Beschwerdeführer, vertreten durch
Advokat Guido Ehrler, Rebgasse 1, 4058 Basel,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom
5. November 2007.

Sachverhalt:

A.
Der 1951 geborene H.________ war zuletzt bis August 1999 als Metallarbeiter in
der X.________ AG angestellt. Die Arbeitgeberin meldete der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) am 5. August 1999 einen Rückfall zum Unfall
vom 15. Januar 1997, bei welchem sich der Versicherte nach einem Sturz eine
mediale Malleolarfraktur links zugezogen hatte. Die SUVA kam für die
Heilbehandlung auf, richtete ein Taggeld aus und sprach H.________ mit
Verfügung vom 25. Oktober 2005 eine Integritätsentschädigung basierend auf
einer Integritätseinbusse von 25 Prozent sowie mit Wirkung ab 1. September 2005
eine Invalidenrente auf Grund einer unfallbedingten Beeinträchtigung der
Erwerbsfähigkeit von 24 Prozent zu. Daran hielt der Unfallversicherer mit
Einspracheentscheid vom 14. August 2006 fest.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde des H.________ hiess das
Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt mit Entscheid vom 5. November 2007 in
dem Sinne gut, als es feststellte, dass der Versicherte rückwirkend ab 1.
September 2005 Anspruch auf eine Rente entsprechend einer Erwerbsunfähigkeit
von 32 Prozent habe.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt H.________
beantragen, es sei ihm ab 1. September 2005 eine Rente auf Grund eines
Invaliditätsgrades von mindestens 69 Prozent zuzusprechen; eventuell sei die
Sache zur Einholung eines medizinischen Gutachtens an die SUVA zurückzuweisen.

Die SUVA schliesst auf Abweisung der Beschwerde, während das Bundesamt für
Gesundheit auf eine Stellungnahme verzichtet.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Das Bundesgericht prüft
grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen,
wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die
Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur
insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).

Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen
der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die
vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art.
97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze über die Invalidität
(Art. 8 Abs. 1 ATSG), die Bestimmung des Invaliditätsgrades nach der
Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG) und den Anspruch auf eine
Invalidenrente (Art. 18 Abs. 1 UVG) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt
betreffend die Ermittlung des ohne Invalidität erzielbaren Einkommens
(Valideneinkommen; BGE 129 V 222 E. 4.3 S. 224), die Festsetzung des trotz
Gesundheitsschädigung zumutbarerweise noch erzielbaren Einkommens
(Invalideneinkommen) nach den vom Bundesamt für Statistik in der
Lohnstrukturerhebung (LSE) ermittelten Tabellenlöhne und die von diesen
zulässigen Abzüge (BGE 129 V 472 E. 4.2.1 S. 475 und E. 4.2.3 S. 481). Darauf
wird verwiesen.

3.
Streitig und zu prüfen ist der Invaliditätsgrad.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe den medizinischen
Sachverhalt unvollständig abgeklärt und eine rechtsfehlerhafte Beweiswürdigung
vorgenommen, indem sie gestützt auf den Bericht des SUVA-Kreisarztes Dr. med.
S.________ vom 16. Juni 2005 von einer ganztägigen Arbeitsfähigkeit ausgegangen
sei und nicht geprüft habe, in welchem Ausmass sich die von Dres. med.
L.________ A.________ postulierten betriebsunüblichen Pausen auf die
Leistungsfähigkeit auswirkten. Bei einem Pausenbedarf von täglich drei Stunden
betrage die Arbeitsfähigkeit höchstens 65 Prozent, während diese bei einem
Pausenbedarf von einer Stunde auf 88 Prozent zu veranschlagen sei. Wie es sich
diesbezüglich verhalte, müsse von den Ärzten in einem medizinischen Gutachten
beurteilt werden und könne nicht - wie die Vorinstanz dies mit einem Abzug vom
hypothetischen Invalideneinkommen von 20 Prozent getan habe - vom Gericht
mittels einer ermessensweisen Kürzung der statistisch ermittelten Lohnansätze
(sog. leidensbedingter Abzug; BGE 129 V 472 E. 4.2.3 S. 481; 126 V 75)
abgegolten werden.

4.
4.1 Die Frage, ob ein Abzug nach Massgabe der Grundsätze von BGE 126 V 75
vorzunehmen sei, ist rechtlicher Natur, die Bemessung eines solchen Abzuges
dagegen Ermessensfrage, welche als solche nicht überprüfbar ist (Art. 95 und 97
BGG). Gerügt werden kann - auch auf dem Gebiet der Geldleistungen der Militär-
und Unfallversicherung - nur die Höhe des Abzuges im Hinblick auf
Ermessensüberschreitung oder -missbrauch als Formen rechtsfehlerhafter (Art. 95
lit. a BGG) Ermessensbetätigung (BGE 132 V 393 E. 3.3. S. 399; Urteil 8C_664/
2007 vom 14. April 2008).

4.2 Aufgabe des Arztes oder der Ärztin ist es, den Gesundheitszustand zu
beurteilen und dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher
Tätigkeiten die versicherte Person arbeitsunfähig ist. Im Weiteren sind die
ärztlichen Auskünfte eine wichtige Grundlage für die Beurteilung der Frage,
welche Arbeitsleistungen der Person noch zugemutet werden können (BGE 125 V 256
E. 4 S. 261 mit Hinweisen).

4.3 Ist über die ärztliche Bezeichnung des massgebenden Pensums hinaus
zusätzlichen Einschränkungen - wie vermindertes Rendement pro Zeiteinheit wegen
verlangsamter Arbeitsweise, Bedarf nach ausserordentlichen Pausen - Rechnung zu
tragen oder ist die funktionelle Einschränkung ihrer besonderen Natur nach
nicht ohne weiteres mit den Anforderungen vereinbar, vermag dieser Umstand
grundsätzlich einen leidensbedingten Abzug zu begründen (Urteil 9C_119/2008 vom
16. Juli 2008). Zu beachten ist jedoch, dass allfällige bereits in der
Beurteilung der medizinischen Arbeitsfähigkeit enthaltene gesundheitliche
Einschränkungen nicht zusätzlich in die Bemessung des leidensbedingten Abzuges
einfliessen und so zu einer doppelten Anrechnung desselben Gesichtspunktes
führen.

5.
5.1 Gemäss Bericht des SUVA-Kreisarztes Dr. med. S.________ vom 16. Juni 2005
besteht beim Beschwerdeführer ein Zustand nach medialer und lateraler
Malleolarspitzenfraktur und Vorfusskontusion sowie zwischenzeitlich zweimaliger
Arthrodese des Metatarsophalangealgelenkes I links und Metallentfernung.
Aufgrund der Unfallrestfolgen am linken Fuss seien dem Versicherten leichte,
überwiegend sitzende Tätigkeiten - einschliesslich kürzere ebenerdig gehende
oder stehende Intervalle - ganztags zumutbar. Nicht mehr möglich seien hingegen
Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten sowie das Herumgehen in unebenem Gelände
oder rein stehende oder gehende Tätigkeiten. Zu vermeiden seien Zwangshaltungen
in kauernder oder kniender Stellung.

5.2 Frau Dr. med. L.________ hält im Bericht vom 28. Juni 2006 zu Handen der
IV-Stelle Basel-Stadt fest, sitzende Tätigkeiten seien dem Versicherten nur
während rund 30 Minuten und mit zusätzlichen Pausen möglich. Die Frage nach
Anzahl und Länge der betriebsunüblichen Pausen hat sie mit: "Zwischen 1h - 3h
Pausen" beantwortet und damit einen relativ grossen Ermessensspielraum
belassen. Hinsichtlich der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit verweist die Ärztin
auf den Bericht des Dr. med. A.________. Dieser führt im Bericht vom 8. Juni
2006 etwas präziser aus, der Versicherte müsse alle fünf Minuten die Wadenpumpe
betätigen und dreimal täglich ein isometrisches Training mit vier Übungen zu 10
mal 10 Sekunden durchführen. Falls die Arbeit nicht sitzend ausgeübt werden
könne, bestehe volle Erwerbsunfähigkeit. Dr. med. E.________ hält im Schreiben
an Dr. med. A.________ vom 26. Oktober 2006 dafür, der Versicherte könne kaum
30 Minuten in der gleichen Stellung verharren, ohne dass sein linker Fuss
anschwelle und schmerzhaft werde. Daher könne er nur mühevoll anlaufen, müsse
sich allenfalls hinlegen, hochlagern und Muskelbewegungen durchführen. Wegen
der notwendigen Pausen könne er höchstens vier Stunden arbeiten. Damit vermag
der behandelnde Arzt die Beurteilung der beiden anderen Mediziner indessen
nicht in Frage zu stellen, zumal er seine abweichende Betrachtungsweise nicht
nachvollziehbar begründet und sein Bericht überdies aufgrund seiner Stellung
als Hausarzt mit der notwendigen Zurückhaltung zu würdigen ist (vgl. BGE 125 V
351 E. 3b/cc S. 353). Daran ändert nichts, dass sich Dr. med. A.________ im
Anschluss an das obige Schreiben der Meinung des Dr. med. E.________
anzuschliessen scheint, weil auch er die Gründe nicht darlegt. Da die Akten
eine zuverlässige Beurteilung der verbleibenden Arbeitsfähigkeit erlauben,
besteht für die beantragte ergänzende medizinische Abklärung keine
Veranlassung.

5.3 In Würdigung der medizinischen Unterlagen ging das kantonale Gericht davon
aus, dass der im Zeitpunkt des Einspracheentscheids 55 Jahre alte Versicherte
nur noch leichte sitzende Tätigkeiten ausführen könne und die Gelegenheit zu
häufigen betriebsunüblichen Pausen gewährleistet sein müsse, weshalb ein Abzug
vom statistischen Tabellenlohn von 20 Prozent als angemessen erscheine. Dieser
Abzug entspricht bei der vom kantonalen Gericht veranschlagten
durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 41.6 Stunden einer Einsatzfähigkeit
von 33.28 Stunden in der Woche und damit einer Reduktion von durchschnittlich
rund 1 ½ Stunden pro Tag (8.3 Stunden ./. 6.66 Stunden). Mit der von der
Vorinstanz anerkannten Pensenbeschränkung von 20 Prozent und der entsprechenden
Reduktion des hypothetischen Invalideneinkommens sind die von Dr. med.
A.________ gemäss Bericht vom 8. Juni 2006 und die von Dr. med. L.________ laut
Bericht vom 28. Juni 2008 attestierten gesundheitlichen Einschränkungen
ausreichend berücksichtigt. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers
beruht die Art und Weise, wie die Vorinstanz den Invaliditätsgrad festgelegt
hat, weder auf einer Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes und einer
rechtsfehlerhaften Würdigung der medizinischen Unterlagen, noch hat diese ihr
Ermessen missbraucht, über- oder unterschritten.

5.4 Aus dem Vergleich des unbestrittenen Valideneinkommens von Fr. 67'082.- mit
dem Invalideneinkommen von Fr. 45'806.- resultiert eine unfallbedingte
Erwerbseinbusse von (gerundet) 32 Prozent, weshalb die Beschwerde abzuweisen
ist.

6.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend trägt der Beschwerdeführer die
Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt und
dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 14. November 2008

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Die Gerichtsschreiberin:

i.V. Leuzinger Hofer