Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.746/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_746/2008

Urteil vom 17. August 2009
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Niquille, Bundesrichter Maillard,
Gerichtsschreiber Grünvogel.

Parteien
C.________, vertreten durch Rechtsanwalt Patrick Sutter, Kessler Wassmer
Giacomini + Landolt, Rechtsanwälte,
Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern, Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung, (psychisches Leiden, Kausalzusammenhang),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz vom
14. Juli 2008.

Sachverhalt:

A.
Der 1963 geborene C.________ war bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die Folgen von Unfällen versichert, als
er am 24. April 2005 als Lenker eines Motorrads mit einem Personenwagen
kollidierte. Die SUVA erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Am 4. September
2007 sprach sie ihm per 1. September 2007 eine Invalidenrente auf der Basis
einer Erwerbsunfähigkeit von 24 % und eine Entschädigung auf der Grundlage
einer Integritätseinbusse von 20 % zu. Mit Einspracheentscheid vom 26. März
2008 hielt die SUVA an dieser Leistungszusprechung fest.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz
mit Entscheid vom 14. Juli 2008 ab.

C.
C.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit den Anträgen auf Zusprechung einer vollen Invalidenrente, einer
Hilflosenentschädigung und einer Integritätsentschädigung auf der Basis einer
Integritätseinbusse von 35 %, eventuell 30 %; ansonsten sei die Angelegenheit
an die Vorinstanz zur Sachverhaltsergänzung und Neubeurteilung zurückzuweisen.

Die SUVA schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit
verzichtet auf eine Stellungnahme.

Erwägungen:
1.1
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von
der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 132
II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140).
Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen
der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die
vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art.
97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2.
Soweit der Beschwerdeführer der Vorinstanz in verfahrensmässiger Hinsicht
vorwirft, mit dem Entscheid in der Sache selbst das Gesuch um Wiederherstellung
der aufschiebenden Wirkung als erledigt betrachtet zu haben, ist nicht
einsichtig, inwiefern mit dieser Vorgehensweise Bundesrecht verletzt sein
könnte.

3.
Wie vom kantonalen Gericht unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 UVG und die
Rechtsprechung zutreffend dargelegt, hat der Unfallversicherer nur für
unfallursächliche Schäden aufzukommen (BGE 126 V 360 E. 5b; 119 V 337 E. 1; 117
V 360 E. 4a, 376 E. 3a), wobei ein bloss natürlicher Kausalzusammenhang nicht
genügt (BGE 129 V 181 E. 3.2; 125 V 461). Es bedarf darüber hinaus einer
adäquaten, d.h. rechtserheblichen Kausalität zwischen Ereignis und
Gesundheitsschaden; dieser kommt bei gesundheitlichen Beschwerden und damit
verbundener Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit, die sich durch organische
Unfallfolgen nicht (hinreichend) oder höchstens teilweise erklären lassen, eine
eigenständige Bedeutung zu (BGE 134 V 109 E. 2.1 S. 112). Bei psychisch
bedingten Schmerzsyndromen erfolgt die Adäquanzprüfung unter Ausschluss
psychischer Aspekte nach den in BGE 115 V 133 genannten Kriterien (statt
vieler: SVR 2009 UV Nr. 19 S. 69 E. 4.5 f., 8C_744/2007).

4.
Das kantonale Gericht erwog, der Versicherte leide neben den
unbestrittenermassen aus somatischer Sicht unfallbedingten Beschwerden
zusätzlich an einer psychischen Beeinträchtigung, für welche es an der Adäquanz
mangle, weshalb die Frage nach dem diesbezüglichen natürlichen
Kausalzusammenhang in Übereinstimmung mit dem Vorgehen der SUVA im
Einspracheverfahren erst gar nicht zu beantworten sei. Ferner bestätigte es den
vom Unfallversicherer festgelegten Invaliditätsgrad für den unfallbedingten
(somatischen) Gesundheitsschaden, das Ausmass des Integritätsschadens sowie die
Verweigerung einer Hilflosenentschädigung.

5.
Richtig ist, dass die Frage nach dem natürlichen Kausalzusammenhang zwischen
den psychischen Beschwerden und dem Unfall unbeantwortet bleiben kann, wenn der
adäquate Kausalzusammenhang ohnehin zu verneinen ist (SVR 1995 UV Nr. 23 S. 67
E. 3c, U 183/03; in jüngerer Zeit etwa auch das von der Vorinstanz angerufene,
einschlägige Urteil 8C_42/2007 vom 14. April 2008 E. 2 mit weiteren Hinweisen).

Letzteres ist indessen vorliegend nicht der Fall:

5.1 Bei der Beurteilung der Adäquanz ist zunächst vom augenfälligen
Geschehensablauf ausgehend die Schwere des Unfalls zu bestimmen. Zu prüfen ist
dabei im Rahmen einer objektivierten Betrachtungsweise, ob der Unfall eher als
leicht, als mittelschwer oder als schwer erscheint, wobei im mittleren Bereich
gegebenenfalls eine weitere Differenzierung nach der Nähe zu den leichten oder
schweren Unfällen erfolgt. Massgebend sind der augenfällige Geschehensablauf
mit den sich dabei entwickelnden Kräften, nicht jedoch Folgen des Unfalles oder
Begleitumstände, die nicht direkt dem Unfallgeschehen zugeordnet werden können.
Derartigen, dem eigentlichen Unfallgeschehen nicht zuzuordnenden Faktoren ist
gegebenenfalls bei den Adäquanzkriterien Rechnung zu tragen (SVR 2008 UV Nr. 8
S. 26, U 2/07, E. 5.3.1).
5.1.1 Der Beschwerdeführer kollidierte als Lenker eines Motorrads mit einem
entgegen kommenden Personenwagen frontal. Die Geschwindigkeit des
Personenwagens soll dabei gemäss Aussagen der involvierten Personen und Zeugen
rund 40 bis 50 km/h und jene des Motorrads ungefähr 50 km/h betragen haben. Die
linke Seite und Front des Motorrads wurden beim Zusammenstoss massiv
eingedrückt und die Lenkvorrichtung gebrochen. Die Front und der Kotflügel
rechts des Personenwagens waren ebenfalls erheblich geschädigt, darüber hinaus
die Frontscheibe defekt. Der Versicherte und die Mitfahrerin wurden beim
Zusammenstoss über das Auto hinweg rund zehn Meter durch die Luft geschleudert.
5.1.2 Gemeinsam mit der Vorinstanz ist dieser Geschehensablauf der Kategorie
der mittelschweren Unfälle zuzuordnen, indessen - und dies im Unterschied zur
Wertung des kantonalen Gerichts - nicht nur mit Tendenz zu den schweren
Unfallereignissen, sondern im Grenzbereich zu diesen. Dies vor allem auch, weil
im Unterschied zu einem Zusammenstoss zweier Personenwagen etwa gleicher Masse
bei einer Frontalkollision zwischen Motorrad und Auto das erstere, viel
leichtere Gefährt, den weitaus grösseren Teil der hier nicht unerheblichen
Aufprallgeschwindigkeit von 90 bis 100 km/h zu absorbieren hat mit
entsprechender Weitergabe der damit ausgelösten Kräfte an den Motorradlenker.
Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von den vom kantonalen Gericht
zu Vergleichszwecken angerufenen, im Einspracheentscheid näher erwähnten
Urteilen des Bundesgerichts, welche Frontalkollisionen zweier Personenwagen zum
Gegenstand hatten, wobei auch dort - genau so wie teilweise bei der anderen vom
kantonalen Gericht ebenfalls angeführten Unfallkategorie von Fussgängern, die
von Autos angefahrenen worden sind - das Ereignis oftmals in den Grenzbereich
zu den schweren Unfällen gelegt worden ist, wie von der Vorinstanz denn auch
erkannt worden ist (RKUV 1999 Nr. U 335 S. 207, U 287/97; Urteile U 47/90 vom
8. April 1991, Sachverhaltszusammenfassung in RKUV 2005 Nr. U 555 S. 322 E.
3.4.1, U 458/04; U 214/04 vom 15. März 2005; nicht so: Urteile U 34/03 vom 28.
Januar 2004; U 317/97 vom 3. Mai 1999; U 115/98 vom 19. Februar 1999; U 81/98
vom 28. Januar 1999).

5.2 Somit genügt die Erfüllung eines der Adäquanzkriterien, um den natürlichen
Kausalzusammenhang zwischen dem Ereignis und den organisch nicht nachweisbaren
Beschwerden als adäquat und damit als rechtsgenüglich erscheinen zu lassen (BGE
115 V 133 E. 6c/bb S. 140).
5.2.1 Das Kriterium der Schwere oder besonderen Art der erlittenen Verletzung,
insbesondere ihre erfahrungsgemässe Eignung, psychische Fehlentwicklungen
auszulösen, verneint die Vorinstanz mit der Begründung, die Operation habe in
klinischer Hinsicht bis auf die verbliebene Beinverkürzung, Kraftminderung im
Bein, Beweglichkeitseinschränkungen sowie gewissen Restbeschwerden ein gutes
Resultat gebracht. Damit lässt das kantonale Gericht das Alter und den
Gesundheitszustand des Beschwerdeführers zum Unfallzeitpunkt unberücksichtigt.
Eine Beinlängenverkürzung von immerhin mehreren Zentimetern erscheint objektiv
gesehen gemeinsam mit den weiteren, oben geschilderten Beschwerden durchaus
geeignet, die Psyche eines bisher körperlich gesunden, dafür umgekehrt
psychisch seit rund 1 ½ Jahren (zu 50 % arbeitsunfähig wegen einer reaktiven
depressiven Störung) erheblich angeschlagenen, erst 42jährigen Versicherten
(zusätzlich) zu beeinträchtigen.
5.2.2 Da bereits die Erfüllung dieses einen Kriteriums den möglicherweise
gegebenen natürlichen Kausalzusammenhang als adäquat erscheinen lässt, brauchen
die übrigen Kriterien nicht geprüft zu werden.

5.3 Dergestalt ist die Angelegenheit an die SUVA zurückzuweisen, damit sie,
allenfalls nach weiteren Abklärungen zur Frage des natürlichen
Kausalzusammenhangs zwischen Unfall und psychisch bedingten Beschwerden, über
den Leistungsanspruch neu befinde.
5.3.1 Dabei wird Art. 36 UVG, wonach Invalidenrenten und
Integritätsentschädigungen angemessen gekürzt werden, wenn die
Gesundheitsschädigung nur teilweise die Folge eines Unfalls ist, allenfalls zu
beachten sein.
5.3.2 Dagegen entfaltet der von der IV-Stelle festgelegte Invaliditätsgrad
ungeachtet der Ergebnisse allfälliger weiteren Abklärungen für den
Unfallversicherer keine bindende Wirkung. Wenn der Beschwerdeführer BGE 126 V
288 anruft, übersieht er die seit diesem Urteil ergangene Rechtsprechung. So
hat das Eidgenössische Versicherungsgericht in AHI 2004 S. 181, I 564/02
(bestätigt in BGE 133 V 549) die Rechtsprechung gemäss BGE 126 V 288 in
zweifacher Hinsicht präzisiert. Es hat dargelegt, dass die
Invaliditätsschätzung der Invalidenversicherung gegenüber dem Unfallversicherer
mangels rechtserheblichen "Berührtseins" im Sinne von Art. 129 Abs. 1 UVV
keinerlei Bindungswirkung entfaltet, auch nicht im Sinne einer
Richtigkeitsvermutung, und dass das Gesetz dem Unfallversicherer kein
Beschwerderecht gegen Verfügungen der IV-Stelle in Bezug auf Rentenanspruch und
Invaliditätsgrad einräumt, weshalb er sich deren Verwaltungsakte auch nicht
entgegen halten lassen muss.

5.4 Die weiteren Einwände des Beschwerdeführers gegen den angefochtenen
Entscheid, soweit sich auf die somatischen Beschwerden und deren Auswirkungen
auf die Erwerbsfähigkeit als Grundlage für die Invalidenrente, auf die
Integritätseinbusse und die daraus abzuleitende Integritätsentschädigung und
auf den Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung beziehend, sind unbegründet.
Es kann auf die diesbezüglich zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen
werden, denen nichts beizufügen ist.

6.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten der überdies
entschädigungsverpflichteten Beschwerdegegnerin zu überbinden (Art. 65 Abs. 1
und Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz vom 14. Juli 2008 und der
Einspracheentscheid der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt vom 26. März
2008 aufgehoben werden und die Sache an die Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt zurückgewiesen wird, damit sie im Sinne der
Erwägungen verfahre.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen.

4.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen
Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz zurückgewiesen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz und
dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 17. August 2009

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber:

Leuzinger Grünvogel