Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.712/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_712/2008

Urteil vom 5. Februar 2009
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Niquille,
Gerichtsschreiber Lanz.

Parteien
N.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Advokat Dr. Marco Biaggi,

gegen

IV-Stelle Basel-Stadt, Lange Gasse 7, 4052 Basel,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt
vom 14. Mai 2008.

Sachverhalt:

A.
Der 1950 geborene N.________ arbeitete zuletzt ab 1999 als Chef de Service/
Kellner im Restaurant G.________. Im Dezember 2004 meldete er sich unter
Hinweis auf eine nach einem Unfall vom 31. Dezember 2002 aufgetretene
Lumboischialgie bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die
IV-Stelle Basel-Stadt zog die Akten des zuständigen obligatorischen
Unfallversicherers bei, traf erwerbliche Abklärungen und holte Berichte der
behandelnden Ärzte sowie ein rheumatologisches-psychiatrisches Gutachten der
Dres. med. J.________ und S.________ vom 17. Januar 2007 (mit Ergänzung Dr.
med. S.________ vom 13. August 2007) ein. Gestützt darauf verneinte sie mit
Verfügung vom 25. Juli 2007 einen Anspruch auf eine Invalidenrente mangels
eines leistungsbegründenden Invaliditätsgrades.

B.
Die von N.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das
Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt mit Entscheid vom 14. Mai 2008 ab.

C.
N.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei die Sache
zur Neubeurteilung an die Verwaltung zurückzuweisen. Weiter wird um
unentgeltliche Rechtspflege für das letztinstanzliche Verfahren ersucht.
Die IV-Stelle beantragt die Abweisung der Beschwerde, ohne sich weiter zur
Sache zu äussern. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine
Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG)
kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung
von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(Art. 105 Abs. 2 BGG).

1.2 Mit Blick auf diese Kognitionsregelung ist aufgrund der Vorbringen in der
Beschwerde ans Bundesgericht zu prüfen, ob der angefochtene kantonale
Gerichtsentscheid in der Anwendung der massgeblichen materiell- und
beweisrechtlichen Grundlagen (u.a.) Bundesrecht, Völkerrecht oder kantonale
verfassungsmässige Rechte verletzt (Art. 95 lit. a-c BGG), einschliesslich
einer allfälligen rechtsfehlerhaften Tatsachenfeststellung (Art. 97 Abs. 1,
Art. 105 Abs. 2 BGG). Hingegen hat unter der Herrschaft des BGG eine freie
Überprüfung des vorinstanzlichen Entscheids in tatsächlicher Hinsicht zu
unterbleiben (ausser wenn sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die
Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder
Unfallversicherung richtet; Art. 97 Abs. 2 BGG). Zur auch unter der Geltung des
BGG massgebenden Abgrenzung von Tat- und Rechtsfragen im Bereich der
Invaliditätsbemessung wird auf BGE 132 V 393 verwiesen.

2.
Streitig ist der Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung.
Die relevanten Bestimmungen und Grundsätze sind im angefochtenen Entscheid und
in der Verwaltungsverfügung vom 25. Juli 2007 zutreffend dargelegt. Es betrifft
dies die Regelung des Rentenanspruchs nach Massgabe des Invaliditätsgrades
(Art. 28 Abs. 1 IVG in den vor und ab 2004 gültig gewesenen Fassungen), die
Invaliditätsbemessung bei erwerbstätigen Versicherten mittels
Einkommensvergleich (Art. 16 ATSG), die Aufgabe des Arztes bei der
Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 256 E. 4 S. 261 mit Hinweisen; vgl. auch BGE
132 V 93 E. 4 S. 99 f. mit Hinweisen) und die Beweiswürdigung in Bezug auf
ärztliche Berichte und Gutachten (BGE 125 V 351 E. 3 S. 352 ff.; vgl. auch BGE
134 V 231 E. 5.1 S. 232). Darauf wird verwiesen. Anzufügen bleibt, dass die im
Rahmen der 5. IV-Revision Anfang Januar 2008 in Kraft getretenen
Rechtsänderungen intertemporalrechtlich nicht anwendbar sind.

3.
Das kantonale Gericht ist zum Ergebnis gelangt, in einer leidensangepassten
Tätigkeit bestehe eine Restarbeitsfähigkeit von 80 %. Es stützt sich dabei auf
das rheumatologische-psychiatrische Gutachten der Dres. med. J.________ und
S.________ vom 17. Januar 2007 (mit Ergänzung vom 13. August 2007). Danach ist
dem Versicherten aufgrund einer Osteochondrose L5/S1 mit Discopathie keine
körperliche Schwerarbeit zumutbar; er kann zudem nicht über 10 kg heben,
stossen oder schieben, nicht dauernd vorüber gebeugt arbeiten und sich nicht
dauernd rezidivierend bücken. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen ist
ihm aus somatischer-rheumatologischer Sicht ein vollschichtiges Arbeitspensum
zumutbar. Aus psychiatrischer Sicht liegt aufgrund einer leichtgradigen
depressiven Störung eine Arbeitsunfähigkeit von höchstens 20 % vor. Gesamthaft
bestätigen die Experten, dass ein 80%iges Arbeitspensum zumutbar ist, wenn den
genannten körperlich bedingten Einschränkungen Rechnung getragen wird.

3.1 In der Beschwerde wird geltend gemacht, der rechtserhebliche Sachverhalt
sei unvollständig abgeklärt worden. Zum einen hätte noch eine orthopädische
Abklärung vorgenommen werden müssen. Der Versicherte bezieht sich dabei auf den
Bericht des Prof. Dr. med. E.________, Orthopädische Universitätsklinik des
Spitals X.________, vom 11. Juni 2004, in welchem eine operative Dekompression
mit PLIF auf Höhe L5/S1 vorgeschlagen wurde, und die Aussagen des behandelnden
Rheumatologen Dr. med. K.________. Zum anderen hätte aufgrund von Diskrepanzen
zwischen den Aussagen des Experten Dr. med. S.________ und denjenigen des
behandelnden Psychiaters Dr. med. B.________ ein psychiatrisches Obergutachten
angeordnet werden müssen.

3.2 Das kantonale Gericht hat sich im angefochtenen Entscheid mit diesen schon
vorinstanzlich erhobenen Einwänden einlässlich auseinandergesetzt. Es hat
dargelegt, weshalb es den medizinischen Sachverhalt aufgrund des
bidisziplinären Gutachtens vom 17. Januar 2007 als genügend abgeklärt erachtet.
Dabei hat es insbesondere erwogen, zwar habe sich Dr. med. J.________ im
Gutachten vom 17. Januar 2007 nicht weiter mit dem Bericht des Prof. Dr. med.
E.________ auseinandergesetzt. Er führe diesen Bericht aber bei der Aufzählung
der ihm vorgelegenen Akten auf. Es könne deshalb davon ausgegangen werden, dass
der Experte seine Beurteilung in Kenntnis des Berichts vorgenommen und diesen
berücksichtigt habe. Der Bericht des Prof. Dr. med. E.________ enthalte zudem
lediglich einen Vorschlag für eine Operation. Es erübrigten sich daher weitere
orthopädische Abklärungen, zumal Dr. med. K.________ im Schreiben vom 15. Mai
2007 bestätige, dass keine fassbaren Zeichen einer
Wurzelkompressionssymptomatik bestünden. Das Gutachten vom 17. Februar 2007
werde durch den Bericht des Prof. Dr. med. E.________ nicht in Zweifel gezogen.
Zum psychischen Gesundheitszustand führt das kantonale Gericht aus, Dr. med.
S.________ habe sich eingehend mit der Frage der mittelgradigen oder
leichtgradigen depressiven Episode befasst und sei, anders als Dr. med.
B.________, zum Ergebnis gelangt, es liege keine mittelgradige Episode vor. Dr.
med. S.________ führe im Gutachten vom 17. Januar 2007 auch mit einlässlicher
Begründung aus, die rezidivierende depressive Störung sei hier eher als eine
sekundäre Auswirkung der zugrunde liegenden narzisstisch-neurotischen Störung
zu interpretieren. Zu beachten sei sodann, dass Hausärzte und behandelnde
Fachärzte mitunter im Hinblick auf ihre auftragsrechtliche Vertrauensstellung
in Zweifelsfällen eher zu Gunsten ihrer Patienten aussagten. Dies spreche
ebenfalls dafür, dem bidisziplinären Gutachten vom 17. Januar 2007 höheren
Beweiswert beizumessen als den Berichten der Dres. med. K.________ und
B.________.

3.3 In der Beschwerde wird nichts vorgebracht, was diese Beurteilung als
offensichtlich unrichtig oder rechtsfehlerhaft erscheinen liesse.
In somatisch-medizinischer Hinsicht wird im Wesentlichen geltend gemacht, der
Experte Dr. med. J.________ setze sich nicht mit dem von Prof. Dr. med.
E.________ erwähnten MRI auseinander. Es besteht indessen kein Anlass,
diesbezüglich anders zu entscheiden als bezüglich des auf das MRI gestützten
Berichtes des Prof. Dr. med. E.________ vom 11. Juni 2004. Die Würdigung dieses
Berichts im angefochtenen Entscheid ist im Rahmen der bundesgerichtlichen
Überprüfungsbefugnis nicht zu beanstanden. Eingewendet wird sodann, die Aussage
des Dr. med. K.________, wonach zurzeit keine fassbaren Zeichen einer
Wurzelkompressionssymptomatik bestünden, werde dadurch relativiert, dass der
Rheumatologe zugleich orthopädische Abklärungen postuliere. Dies ändert aber
nichts daran, dass Dr. med. K.________ eben keine Zeichen einer
Wurzelkompressionssymptomatik finden konnte. Dies hat das kantonale Gericht,
nach Lage der Akten zu Recht, mit zum Anlass genommen, die Notwendigkeit
weiterer (orthopädischer) Abklärungen zu verneinen.
Bezüglich des psychischen Gesundheitszustandes beschränkt sich der Versicherte
im Wesentlichen darauf, die Aussagen des Experten Dr. med. S.________ und des
behandelnden Psychiaters Dr. med. B.________ zu interpretieren und
gegeneinander abzuwägen. Die Folgerung des kantonalen Gerichts, wonach auf Dr.
med. S.________ abzustellen und kein psychiatrisches Obergutachten erforderlich
ist, wird dadurch nicht in Zweifel gezogen. Die Beschwerde ist demnach auch
diesbezüglich unbegründet.

4.
Die erwerblichen Auswirkungen der gesundheitlichen Beeinträchtigung hat die
Verwaltung mittels Einkommensvergleichs bestimmt. Dabei setzte sie das im
Gesundheitsfall mutmasslich erzielte Einkommen (Valideneinkommen) anhand des
früheren Lohnes und das trotz invalidisierender Gesundheitsschädigung
zumutbarerweise noch erzielbare Einkommen (Invalideneinkommen) anhand von
statistischen Durchschnittslöhnen fest. Dies führt zu einem Invaliditätsgrad,
welcher mit 20 % unter den für einen Rentenanspruch mindestens erforderlichen
40 % (Art. 28 Abs. 1 in der bis Ende 2007 gültig gewesenen Fassung) liegt. Das
kantonale Gericht hat erwogen, bei der Bestimmung des Invalideneinkommens sei
teilweise anders vorzugehen, als dies die Verwaltung getan habe. Dies ändere
aber nichts am Ergebnis eines nicht rentenbegründenden Invaliditätsgrades.
Die Beschwerde äussert sich hiezu nicht. Sie ist daher, ohne dass noch geprüft
werden müsste, ob nun das Vorgehen der Verwaltung oder das des kantonalen
Gerichts bei der Bestimmung des Invalideneinkommens richtig ist, abzuweisen.

5.
Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art.
66 Abs. 1 BGG). Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (im Sinne der
vorläufigen Befreiung von den Gerichtskosten und der unentgeltlichen
Verbeiständung) kann entsprochen werden, da die Bedürftigkeit ausgewiesen ist,
die Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die Vertretung durch
einen Rechtsanwalt geboten war (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Es wird indessen
ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte
Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im
Stande ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.

4.
Advokat Dr. Marco Biaggi wird als unentgeltlicher Anwalt des Beschwerdeführers
bestellt, und es wird ihm für das bundesgerichtliche Verfahren aus der
Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2800.- ausgerichtet.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 5. Februar 2009
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung Lanz