Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.646/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_646/2008

Urteil vom 15. Dezember 2008
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Bundesrichterin Leuzinger,
Gerichtsschreiber Krähenbühl.

Parteien
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,
Beschwerdeführerin,

gegen

L.________, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Max Auer,
Bahnhofstrasse 32a, 8360 Eschlikon.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 17. Juli 2008.

Sachverhalt:

A.
Mit Einspracheentscheid vom 7. Februar 2007 bestätigte die IV-Stelle des
Kantons St. Gallen ihre Verfügung vom 24. Februar 2006, mit welcher sie das
Begehren von L.________ (Jg. 1960) um Gewährung einer Invalidenrente mangels
anspruchsrelevanter Invalidität abgelehnt hatte.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen mit Entscheid vom 17. Juli 2008 insoweit gut, als es den Anspruch von
L.________ auf eine Viertelsrente feststellte und die Sache zur Bestimmung von
Rentenbeginn und Rentenhöhe an die IV-Stelle zurückwies.

C.
Die IV-Stelle erhebt Beschwerde mit dem Begehren um Aufhebung des kantonalen
Entscheids.

L.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Das kantonale Gericht hat im Rahmen eines Einkommensvergleichs nach Art. 16
ATSG einen Invaliditätsgrad von rund 42 % ermittelt. Bei der Bestimmung des
trotz Invalidität zumutbarerweise erzielbaren Verdienstes (Invalideneinkommen)
billigte es der Beschwerdegegnerin - abweichend von der Verwaltung - einen
10%igen leidensbedingten Abzug vom anhand der vom Bundesamt für Statistik für
das Jahr 2002 durchgeführten Lohnstrukturerhebung (LSE 2002) ermittelten, der
Nominallohnentwicklung bis 2003 (allfälliger Rentenbeginn) angepassten
Einkommen zu (vgl. BGE 129 V 472 E. 4.2.3 S. 481 mit Hinweisen), womit sich
ergab, dass die erwerblichen Auswirkungen der behinderungsbedingten
Einschränkung des Leistungsvermögens ein den Anspruch auf eine Viertelsrente
begründendes Ausmass erreichen. Nicht festgelegt hat das Gericht den
Anspruchsbeginn und den resultierenden Rentenbetrag. Zu diesem Zweck hat es die
Sache an die Verwaltung zurückgewiesen.

2.
2.1 Bei diesem Rückweisungsentscheid handelt es sich, da das Verfahren damit
nicht abgeschlossen wird und die Rückweisung auch nicht einzig der Umsetzung
des oberinstanzlich Angeordneten dient (vgl. Urteil 9C_684/2007 vom 27.
Dezember 2007 E. 1.1 mit Hinweisen, in: SVR 2008 IV Nr. 39 S. 131), um einen -
selbstständig eröffneten - Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG (BGE 133
V 477 E. 4.2 S. 481 f. mit Hinweisen). Die Zulässigkeit der Beschwerde setzt
somit - alternativ - voraus, dass der Entscheid einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Abs. 1 lit. a) oder dass die Gutheissung
der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen
bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren
ersparen würde (Abs. 1 lit. b).

2.2 Rechtsprechungsgemäss bewirkt ein Rückweisungsentscheid in der Regel keinen
irreversiblen Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG, da der
Rechtsuchende ihn später zusammen mit dem neu zu fällenden Endentscheid wird
anfechten können (vgl. Art. 93 Abs. 3 BGG). Anders verhält es sich allerdings
für die Verwaltung, wenn diese durch den Rückweisungsentscheid gezwungen wird,
eine ihres Erachtens rechtswidrige Verfügung zu erlassen. Diesfalls kann
bereits der Rückweisungsentscheid angefochten werden, ohne dass der
Endentscheid abgewartet werden müsste (BGE 133 V 477 E. 5.2 S. 483 ff.).

2.3 Im angefochtenen kantonalen Entscheid werden materiell verbindliche
Anordnungen getroffen, indem ein Anspruch auf eine Viertelsrente festgestellt
wird. Damit wird die IV-Stelle zu einer ihrer Auffassung nach
ungerechtfertigten Leistungszusprache verpflichtet. Ein nach definitiver
Festlegung des Rentenbeginns und rechnerischer Ermittlung der Rentenhöhe
ergangener Endentscheid könnte bezüglich des Rentenanspruchs als solchem
praktisch nicht mehr angefochten und das Ergebnis insoweit auch nicht mehr
korrigiert werden. Für die Beschwerdeführerin stellt dies offensichtlich einen
nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG
dar, weshalb auf das erhobene Rechtsmittel einzutreten ist.

3.
3.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG)
kann wegen Rechtsverletzung gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung
von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(Art. 105 Abs. 2 BGG).

3.2 In Zusammenhang mit der - auch unter der Geltung des BGG massgebenden -
Abgrenzung von Tat- und Rechtsfragen im Bereich der Invaliditätsbemessung Art.
16 ATSG hat das damalige Eidgenössische Versicherungsgericht (seit 1. Januar
2007: I. und II. sozialrechtliche Abteilung des Bundesgerichts) in BGE 132 V
393 erkannt, dass sich der Entscheid darüber, ob ein behinderungsbedingter oder
anderweitig begründeter Abzug von anhand der LSE ermittelten Lohndaten als
Rechtsfrage darstellt. Die Höhe eines grundsätzlich angezeigten Abzuges gilt
demgegenüber als typische Ermessensfrage, deren Beantwortung einer
letztinstanzlichen Korrektur nur mehr dort zugänglich ist, wo das kantonale
Gericht sein Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt hat, also
Ermessensüberschreitung, -missbrauch oder -unterschreitung vorliegt (BGE 132 V
393 E. 3.3 S. 399).

3.3 Die gesetzliche Grundlage für den Anspruch auf eine Rente der
Invalidenversicherung und deren Umfang (Art. 28 Abs. 1 IVG in der bis 31.
Dezember 2007 gültig gewesenen Fassung) hat das kantonale Gericht zutreffend
wiedergegeben, worauf verwiesen wird. Richtig ist auch der Hinweis auf Art. 16
ATSG, welcher die Invaliditätsbemessung bei Erwerbstätigen nach der
Einkommensvergleichsmethode betrifft. Dasselbe gilt hinsichtlich der
Ausführungen über die Bedeutung ärztlicher Arbeitsfähigkeitsschätzungen im
Rahmen der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 256 E. 4 S. 261 mit Hinweisen).

4.
Das kantonale Gericht gelangte im Rahmen des Einkommensvergleichs nach Art. 16
ATSG einzig zu einem rentenbegründenden Invaliditätsgrad, weil es der
Beschwerdegegnerin anders als zuvor die IV-Stelle bei der Bestimmung des
Invalideneinkommens einen so genannt leidens- oder behinderungsbedingten Abzug
von 10 % von dem anhand der LSE ermittelten Verdienst zubilligte (E. 1 hievor;
BGE 129 V 472 E. 4.2.3 S. 481 mit Hinweisen). Dagegen richtet sich die hier zu
beurteilende Beschwerde.

4.1 Die vom damaligen Eidgenössischen Versicherungsgericht erarbeitete
Rechtsprechung, wonach der mit Blick auf eine Behinderung gewährte Abzug nicht
schematisch, sondern in Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles
vorzunehmen ist, verfolgt den Zweck, ausgehend von statistischen Werten ein
Invalideneinkommen zu ermitteln, welches der im Einzelfall zumutbaren
erwerblichen Verwertung der verbliebenen (Rest-)Arbeitsfähigkeit am ehesten
entspricht. Dabei ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass neben der
eigentlichen Behinderung weitere persönliche und berufliche Merkmale einer
versicherten Person wie etwa das Lebensalter, die Dauer der
Betriebszugehörigkeit, die Anzahl der Dienstjahre, die Nationalität oder die
Aufenthaltskategorie sowie der Beschäftigungsgrad Auswirkungen auf die Lohnhöhe
haben können. Ein Abzug soll aber auch diesbezüglich nicht automatisch, sondern
nur dann erfolgen, wenn im Einzelfall Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die
versicherte Person wegen eines oder mehrerer dieser Merkmale ihre aus
gesundheitlichen Gründen reduzierte Restarbeitsfähigkeit auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt nur mit unterdurchschnittlichem erwerblichem Erfolg verwerten
kann. Der Einfluss all dieser entscheidwesentlichen Merkmale auf das
Invalideneinkommen ist unter Würdigung der konkreten Umstände im Einzelfall
nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen (BGE 126 V 75 E. 5b S. 79
f. mit Hinweisen).

4.2 Das kantonale Gericht hat gestützt auf das Gutachten der Medizinischen
Abklärungsstelle (MEDAS) vom 30. November 2005 der ärztlicherseits
ausschliesslich aus psychischer Sicht attestierten Einschränkung der
Arbeitsfähigkeit um 35 % richtigerweise dadurch Rechnung getragen, dass es den
im Rahmen der LSE für gesunde und voll einsatzfähige Personen ermittelten Lohn
entsprechend auf 65 % reduzierte. Darüber hinaus hat es dem Umstand Bedeutung
beigemessen, dass die Beschwerdegegnerin wegen ihrer multiplen körperlichen
Leiden selbst bei den ärztlicherseits als zumutbar bezeichneten leichten
wechselbelastenden Tätigkeiten nur unter Beachtung gewisser weiterer
einschränkender Voraussetzungen (Vermeidung von repetitivem Lastenheben über 15
kg, Arbeiten in ausgesprochenen Wirbelsäulen-Zwangshaltungen, Tätigkeiten in
kniender Position, in der Hocke oder verbunden mit repetitiven Knieflexionen/
-extensionen) einsatzfähig ist. Dass die Vorinstanz damit für die körperlich
bedingten Arbeitseinschränkungen zusätzlich einen leidensbedingten Abzug
zubilligte, ist mit der Rechtsprechung vereinbar und daher nicht zu
beanstanden. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin berücksichtigt die
Arbeitsfähigkeitsschätzung im MEDAS-Gutachten vom 30. November 2005 einzig die
psychisch bedingte Beeinträchtigung, nicht auch die funktionalen
Einschränkungen aus internistisch-rheumatologischen Gründen, welche zwar keine
Verminderung der medizinisch-theoretischen Arbeitsfähigkeit bewirken mögen, im
Rahmen eines Einkommensvergleichs aber doch als leidensbedingter Abzug ihren
Niederschlag finden können.

5.
Entsprechend dem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten von der
Beschwerdeführerin als unterliegender Partei zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1'000.- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen, der Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 15. Dezember 2008

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung Krähenbühl