Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.628/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_628/2008

Urteil vom 14. Januar 2009
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Niquille,
Gerichtsschreiberin Schüpfer.

Parteien
A.________, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Bernhard Reeb, Hauptstrasse 11a, 8280 Kreuzlingen,

gegen

Hotela Kranken- und Unfallkasse des SHV, Rue de la Gare 18, 1820 Montreux,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Jean-Michel Duc, Avenue de la Gare 1, 1003
Lausanne.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau
vom 11. Juni 2008.

Sachverhalt:

A.
Die 1961 geborene A.________ war als Hauswirtschafterin im Hotel T.________
angestellt, als sie am 24. Juli 2006 auf nassem Gras ausrutschte und sich dabei
eine Trimalleolarluxationsfraktur links zuzog. Diese wurde am Spital X.________
durch den leitenden Arzt der Klinik für Orthopädie und Taumatologie, Dr. med.
K.________, offen reponiert und mittels Osteosynthese stabilisiert. Die Hotela
Kranken- und Unfallkasse des SHV (im weiteren: Hotela), bei welcher A.________
gegen die Folgen von Unfällen und Berufskrankheiten versichert war, richtete
Leistungen in Form von Taggeld und Heilbehandlung aus. Die Versicherung zog in
der Folge Berichte des Hausarztes, Dr. med. S.________ und des Dr. med.
K.________ bei. Mit Verfügung vom 26. Juli 2007 teilte die Hotela A.________
mit, eine am 28. März 2007 erfolgte Untersuchung am Spital X.________ habe eine
vollständig konsolidierte Fraktur gezeigt; die Leistungen würden - mit Ausnahme
der Kosten für die noch vorzunehmende Metallentfernung - auf diesen Zeitpunkt
eingestellt. Hinsichtlich der seit Beginn des Jahres 2007 aufgetretenen
Rückenbeschwerden stehe nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit fest, dass
diese auf eine Fehlbelastung nach dem Unfall und damit auf diesen
zurückzuführen sei, weshalb diesbezüglich keine Leistungen erbracht würden. Auf
Einsprache hin hielt die Unfallversicherung an ihrer Einstellungsverfügung fest
(Entscheid vom 12. November 2007).

B.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau wies die dagegen geführte
Beschwerde, mit welcher auch ein medizinisches Gutachten des Dr. med.
G.________, Facharzt für Innere Medizin, speziell Rheumakrankheiten, vom 6.
März 2008 eingereicht worden war, mit Entscheid vom 11. Juni 2008 ab.

C.
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und des
Einspracheentscheides vom 12. November 2007 seien über den 28. März 2007 hinaus
Versicherungsleistungen zu erbringen; eventuell sei die Sache zu weiteren
Abklärungen und zur Neubeurteilung an die Verwaltung zurückzuweisen.

Die Hotela schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit
verzichtet auf Vernehmlassung.

D.
Mit unaufgeforderter Eingabe vom 6. Oktober 2008 liess A.________ einen Bericht
des Dr. med. K.________ vom 3. September 2008 als weiteres Beweismittel
einreichen.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Das Bundesgericht prüft
grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen,
wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die
Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur
insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).

1.2 Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2.
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch der Versicherten auf Heilbehandlung,
Taggelder, Invalidenrente und Integritätsentschädigung (vgl. Art. 10, Art. 15,
Art. 18 und Art. 24 UVG). Letztinstanzlich legt sie neu einen Bericht des Dr.
med. K.________, Spital X.________ vom 3. September 2008 auf. Da die
Beschwerdeführerin wegen der Notwendigkeit weiterer Abklärungen (E. 4.3
hienach) aus diesem Bericht nichts zu ihren Gunsten ableiten kann, kann
offenbleiben, ob das vor Bundesgericht neu eingereichte Beweismittel im Rahmen
der Kognition nach Art. 97 Abs. 2 bzw. Art. 105 Abs. 3 BGG (Geldleistungen der
Militär- oder Unfallversicherung) ein unzulässiges Novum gemäss Art. 99 Abs. 1
BGG bildet (vgl. Urteil 8C_253/2008 vom 16. Oktober 2008, E. 5.4 mit Hinweis).

3.
3.1 Dr. med. K.________ hält im Bericht über seine Untersuchung vom 28. März
2007 fest, die Beschwerdeführerin zeige einen soweit komplikationslosen Verlauf
der Verletzung und der operativen Versorgung. Wegen Fehlbelastung seien im
Bereiche des Pes anserinus und lumbal links Schmerzen aufgetreten. Zudem
bestehe der Verdacht auf einen leichten Morbus Sudeck. Über die zumutbare
Arbeitsfähigkeit äussert sich der Arzt in diesem Bericht ebenso wenig wie über
die Frage, ob die Heilbehandlung - mit Ausnahme der geplanten Metallentfernung
- abgeschlossen sei. Die Verfügung der Leistungseinstellung erfolgte vor der
Durchführung der Metallentfernung und stützt sich auf den Untersuchungsbericht
vom 28. März 2007.

3.2 Der Hausarzt berichtet am 15. November 2007, also zum Zeitpunkt des
Erlasses des Einspracheentscheides, bei Belastung des operierten Fusses träten
weiterhin Schmerzen auf. Trotz intensiver Physiotherapie sei die Dorsalflexion
am linken Fuss seit dem Unfall deutlich eingeschränkt. Auf Grund dessen sei es
zu einer Fehlbelastung des Rückens gekommen, welche seines Erachtens klar
unfallbedingt sei. Er schätzt die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit in der
angestammten Tätigkeit in seinem Bericht vom 8. Dezember 2007 wegen der
fehlenden Beweglichkeit und den lumbalen Schmerzen auf 50 %.

3.3 Nach Erlass des abweisenden Einspracheentscheides liess die Hotela ein
rheumatologischen Gutachten erstellen. Dr. med. G.________ hält in der
Expertise vom 6. März 2008 fest, der Rheumastatus der Wirbelsäule sei orthograd
und altersentsprechend frei beweglich. Es bestünden weder Druckdolenzen noch
muskuläre Verspannungen. Auch die Hüft- und Kniegelenke seien absolut
unauffällig. Hingegen läge unterhalb des linken Kniegelenkes eine leicht
ödematöse Schwellung vor. Das linke Sprunggelenk sei deutlich angeschwollen und
im oberen Sprunggelenksbereich ventral deutlich druckempfindlich. Die
Sprunggelenksbeweglichkeit sei bezüglich der Dorsalextension vollständig
blockiert, die Plantarextension bis 30 Grad möglich. Auch die Pro-/ Suppination
sei links gegenüber dem gesunden rechten Sprunggelenk deutlich eingeschränkt.
In den Zehen III bis V links bestehe zudem eine Sensibilitätsverminderung.
Radiologisch zeige ein Röntgenbild vom 22. Dezember 2007 je eine leichte
Verschmälerung des Gelenkspaltes im Bereiche des lateralen tibiotalaren
Gelenkes und im seitlichen Strahlengang der Belastungszone. Zusammenfassend
hält der Gutachter fest, es bestehe ein Verdacht auf eine unfallbedingte
beginnende Arthrose des oberen Sprunggelenkes. Eine solche Arthrose des unteren
Sprunggelenkes sei degenerativ und vorbestehend. Er empfiehlt eine vorwiegend
sitzende Tätigkeit. Bei der aktuellen Tätigkeit als Zimmermädchen in einem
Hotel, also einer vorwiegend stehenden und gehenden Arbeit, die auch mit
häufigem Treppensteigen verbunden sei, schätzt er die Arbeitsfähigkeit auf 50
%.

4.
4.1 Die Hotela führte im Einspracheentscheid vom 12. November 2007 aus,
hinsichtlich des natürlichen Kausalzusammenhanges müsse zwischen der
Trimalleolarluxationsfraktur einerseits und den Rückenbeschwerden andererseits
unterschieden werden. Da Dr. med. K.________ eine vollständig konsolidierte
Fraktur mit korrekter Gelenksflächen- sowie Achsstellung festgestellt habe, sei
der Gesundheitszustand bezüglich der Fraktur am 28. März 2007 stabilisiert
gewesen und auch eine weitere Arbeitsunfähigkeit sei nicht mehr gerechtfertigt.
Auch die Metallentfernung sei komplikationslos verlaufen. Bezüglich der
Rückenbeschwerden hätte eine Magnetresonanz-Untersuchung vom 28. Februar 2007
gezeigt, dass degenerativ bedingte Beschwerden vorlägen, wofür die
Unfallversicherung nicht aufzukommen habe.

4.2 Das kantonale Gericht interpretiert das Gutachten des Dr. med. G.________
dahingehend, dass er die von ihm gestellte Diagnose einer beginnenden Arthrose
als vorbestehend ansieht und auf die chronische Belastung durch das Übergewicht
der Beschwerdeführerin zurückführt. Er verneine eine natürliche Kausalität zum
Unfall explizit. Diese Auslegung des Gutachtens vom 6. März 2008 ist indessen
aktenwidrig. Der Arzt unterscheidet ausdrücklich zwischen der Arthrose des
oberen Sprunggelenkes links einerseits - welche er als Folge des Unfalls
ansieht - und einer beginnenden talonavikulären Arthrose andererseits, die er
auf die chronische Überlastung zurückführt. Dr. med. G.________ stützt sich auf
Röntgenbilder, die rund einen Monat nach Erlass des Einspracheentscheides
angefertigt wurden. Es ist davon auszugehen, dass bereits zu jenem Zeitpunkt
Zeichen der Arthrose vorhanden waren. Dies gilt umso mehr, als der Hausarzt
bereits früher von einer eingeschränkten Beweglichkeit trotz intensiver
Physiotherapie berichtete.

4.3 Damit besteht entgegen der vorinstanzlichen Beurteilung keine klare
Aktenlage. Die Rechtsfragen können nicht auf der Basis eines überwiegend
wahrscheinlichen Sachverhalts beantwortet werden. Die Sache ist daher an die
Hotela zurückzuweisen, damit diese abklärt, ob die Arthrose des oberen linken
Sprunggelenkes weiterer Heilbehandlung bedarf. Verneinendenfalls ist zu prüfen,
ob die unfallbedingte Arthrose die Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin in
ihrer angestammten Tätigkeit als Mitarbeiterin in einem Hotel beeinträchtigt,
welche Arbeitsfähigkeit in einer zumutbaren angepassten Tätigkeit besteht und
was die Versicherte dabei verdienen könnte. Das zu veranlassende Gutachten wird
sich auch zur Frage zu äussern haben, ob die von Dr. med. G.________ als
vorbestehend qualifizierte Arthrose im unteren linken Sprunggelenk durch den
Unfall mitbeeinflusst wurde und ob die degenerativen Veränderungen alleine zu
den aktuellen Beschwerden (Status quo sine) geführt hätten. Schliesslich wird
auch abzuklären sein, ob neben den eindeutig degenerativen Rückenbeschwerden
auch solche bestehen, welche auf die vom Hausarzt angeführte Fehlbelastung
während der Heilungsphase der Luxationsfraktur oder auf die diagnostizierte
Arthrose im oberen Sprunggelenk zurückzuführen sind. Hingegen steht fest, dass
die Wirbelsäule anlässlich des Unfalls nicht verletzt worden ist, und dass die
röntgenologisch belegte Spondylarthrose und die leichte Osteochondrose im
lumbosakralen Übergang keine Unfallfolgen darstellen.

5.
Die unterliegende Hotela hat die Gerichtskosten zu tragen und der
Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 66 Abs. 1, Art.
68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, als der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 11. Juni 2008 und der
Einspracheentscheid der Hotela Kranken- und Unfallkasse vom 12. November 2007
aufgehoben werden. Es wird die Sache an die Hotela Kranken- und Unfallkasse
zurückgewiesen, damit sie nach erfolgter Abklärung in Sinne der Erwägungen über
den Leistungsanspruch der Beschwerdeführerin neu verfüge.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen.

4.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen
Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau zurückgewiesen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und
dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 14. Januar 2009

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Schüpfer