Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.623/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_623/2008

Urteil vom 11. Februar 2009
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Maillard,
Gerichtsschreiberin Polla.

Parteien
L.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Fürsprecher Thomas Laube,

gegen

Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich,
Brunngasse 6, 8400 Winterthur,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Arbeitslosenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 5. Juni 2008.

Sachverhalt:

A.
Der 1952 geborene L.________ meldete sich am 16. Februar 2006 bei der
Arbeitslosenversicherung zur Stellenvermittlung an mit dem Vermerk, eine
Vollzeitstelle zu suchen. Ab 1. Mai 2006 erhob er Anspruch auf
Arbeitslosenentschädigung, wobei er angab, er sei bereit und in der Lage, im
Umfang von 50 % zu arbeiten. Die Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich erbrachte
für die Monate Mai bis August 2006 Arbeitslosenentschädigung auf der Grundlage
eines anrechenbaren Arbeitsausfalls von 100 %. Nachdem die Arbeitslosenkasse
eine Mutationsbestätigung vom 30. Oktober 2006 des Regionalen
Arbeitsvermittlungszentrums (RAV) erhielt, worin L.________ bestätigte, ab 1.
Mai 2006 nur im Umfang von 50 % der Stellenvermittlung zur Verfügung zu stehen,
forderte die Kasse verfügungsweise am 1. November 2006 zu viel ausbezahlte
Arbeitslosenentschädigung für die Monate Mai bis August 2006 in der Höhe von
Fr. 7'214.90 zurück. Daran hielt sie auf Einsprache hin fest
(Einspracheentscheid vom 6. Februar 2007).

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 5. Juni 2008 ab.

C.
L.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erheben
und beantragen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei
festzustellen, dass er keine Arbeitslosenentschädigung zurückzuerstatten habe.
Die Arbeitslosenkasse schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das
Staatssekretariat für Wirtschaft hat auf eine Stellungnahme verzichtet.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG)
kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung
von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(Art. 105 Abs. 2 BGG).

1.2 Mit Blick auf diese Kognitionsregelung ist aufgrund der Vorbringen in der
Beschwerde ans Bundesgericht zu prüfen, ob der angefochtene kantonale
Gerichtsentscheid in der Anwendung der massgeblichen materiell- und
beweisrechtlichen Grundlagen Bundesrecht, Völkerrecht oder kantonale
verfassungsmässige Rechte verletzt (Art. 95 lit. a-c BGG), einschliesslich
einer allfälligen rechtsfehlerhaften Tatsachenfeststellung (Art. 97 Abs. 1,
Art. 105 Abs. 2 BGG). Hingegen hat unter der Herrschaft des BGG eine freie
Überprüfung des vorinstanzlichen Entscheides in tatsächlicher Hinsicht zu
unterbleiben. Ebenso entfällt eine Prüfung der Ermessensbetätigung nach den
Grundsätzen zur Angemessenheitskontrolle (BGE 126 V 75 E. 6 S. 81 zu Art. 132
lit. a OG [in der bis 30. Juni 2006 gültig gewesenen Fassung]).

2.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und die von der Rechtsprechung
entwickelten Grundsätze zur Vermittlungsfähigkeit im Allgemeinen (Art. 8 Abs. 1
lit. f in Verbindung mit Art. 15 Abs. 1 AVIG) und von behinderten Personen im
Speziellen (Art. 8 Abs. 1 lit. f in Verbindung mit Art. 15 Abs. 2 AVIG und Art.
15 Abs. 3 AVIV), zur Pflicht der Rückerstattung unrechtmässig bezogener
Leistungen (Art. 95 Abs. 1 AVIG in Verbindung mit Art. 25 Abs. 1 ATSG) und zu
den für eine Rückerstattungsforderung verlangten Voraussetzungen für eine
Wiedererwägung oder prozessuale Revision der fehlerhaften - auch formlosen -
Leistungsgewährung (BGE 122 V 367 E. 3 S. 368 mit Hinweisen) zutreffend
dargelegt. Darauf wird verwiesen. Ergänzend ist festzuhalten, dass der Begriff
der Vermittlungsfähigkeit als Anspruchsvoraussetzung graduelle Abstufungen
ausschliesst. Entweder ist die versicherte Person vermittlungsfähig,
insbesondere bereit, eine zumutbare Arbeit (im Umfang von mindestens 20 % eines
Normalarbeitspensums; vgl. Art. 5 AVIV und BGE 120 V 385 E. 4c/aa S. 390)
anzunehmen, oder nicht (BGE 126 V 124 E. 2 S. 126; 125 V 51 E. 6a S. 58).

3.
Streitig sind die Höhe der Arbeitslosenentschädigung ab 1. Mai 2006 und die
Frage, ob die Verwaltung auf die formlos erfolgte Leistungszusprechung
wiedererwägungs- oder revisionsweise zurückkommen durfte.

3.1 Das kantonale Gericht hat in Würdigung der Aktenlage festgestellt, dass
sich der Versicherte am 16. Februar 2006 beim RAV im Umfang von 100 % der
Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt hat, hingegen bei der am 20. April
2006 erfolgten Anmeldung zum Leistungsbezug angab, er sei nur im Umfang von 50
% bereit und in der Lage, zu arbeiten. Die Arbeitslosenkasse habe sich bemüht,
diesen Widerspruch zu klären und den Versicherten mit Schreiben vom 16. Juni
2006 aufgefordert, schriftlich mitzuteilen, in welchem Umfang er sich der
Arbeitsvermittlung zur Verfügung stelle. Daraufhin habe der Beschwerdeführer
gemäss Abklärungsprotokoll vom 19. Juni 2006 telefonisch angegeben, er sei
nicht bereit und in der Lage, eine Vollzeitstelle zu suchen und er werde auf
gar keinen Fall eine 100 %-Stelle antreten. Ab Juni 2006 habe er eine 50
%-Stelle. Mithin sei das Arztzeugnis des Dr. med. B.________, Allgemeine
Medizin FMH, vom 27. Januar 2006, worin ihm eine 100%ige Arbeitsfähigkeit für
leichte bis mittelschwere, wechselbelastende, nicht überwiegend kälte- oder
nässeexponierte Arbeiten attestiert werde, eindeutig falsch. Die Vorinstanz
hielt weiter fest, dass Dr. med. G.________, Facharzt FMH für Kardiologie und
Innere Medizin, im Bericht vom 18. Juli 2006 von einer vollen
Arbeitsunfähigkeit für schwere körperliche Arbeiten ausging und
leidensadaptierte Tätigkeiten im Umfang von 50 % für zumutbar erachtete. Das
Gericht kam gestützt auf die Aktenlage zum Schluss, der Versicherte sei
allenfalls bei der Anmeldung zur Stellenvermittlung im Februar 2006 noch von
der Suche einer Vollzeitstelle ausgegangen, hingegen sei er im April 2006 zur
Überzeugung gelangt, nur im Umfang von 50 % arbeiten zu wollen. Demnach sei die
Bemessung des Entschädigungsanspruchs seit der Anmeldung zum Leistungsbezug
unrichtig gewesen, da ein volles Taggeld ausgerichtet worden sei und dessen
Berichtigung mit einem Betrag von Fr. 7'214.90 von erheblicher Bedeutung,
weshalb die Rückforderung rechtens sei.

3.2 Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, er habe keine
missverständlichen Angaben gemacht. Mindestens zweimal (am 20. April 2006 und
am 19. Juni 2006) habe er sich klar dazu geäussert, dass er im Umfang von 50 %
bereit und in der Lage sei, zu arbeiten. Es obliege jedoch den Ärzten, sich zur
Arbeitsfähigkeit zu äussern, welche hier die Arbeitsfähigkeit in einer
angepassten Tätigkeit unterschiedlich beurteilt hätten. Dr. med. B.________
habe nicht nur am 27. Januar 2006, sondern auch am 23. Juni 2006 festgehalten,
dass der Versicherte für eine angepasste, mittelschwere Arbeit vollständig
arbeitsfähig sei. Wenn die Kasse bei dieser Sachlage weiterhin ein volles
Taggeld ausgerichtet habe, sei dies nicht zu beanstanden. Im Weiteren habe die
Invalidenversicherung die Einschätzung des Dr. med. B.________ bestätigt und
lediglich einen Invaliditätsgrad von 18 % ermittelt. Überdies schliesse der
Begriff der Vermittlungsfähigkeit graduelle Abstufungen aus. Der anrechenbare
Arbeitsausfall sei von der Kasse und nicht vom Versicherten zu prüfen. Eine
zweifellose Unrichtigkeit als Wiedererwägungsvoraussetzung sei nicht gegeben.
Schliesslich hätte die Vorinstanz den Entscheid der IV-Stelle abwarten müssen,
um zu prüfen, ob die Arbeitslosenversicherung eine rechtmässige Vorleistung
erbracht habe. Es sei davon auszugehen, dass die Kasse in Kenntnis aller
notwendigen Sachverhalte gehandelt habe und ihrem Versicherten gestützt auf das
Zeugnis des Dr. med. B.________ und bestätigt durch den IV-Entscheid ein volles
Taggeld habe ausrichten wollen.
3.3
3.3.1 Dem Beschwerdeführer ist insofern zuzustimmen, als die Schätzung der
verbleibenden Arbeitsfähigkeit den Ärzten obliegt. Er verkennt jedoch, dass die
Vermittlungsfähigkeit drei Elemente beschlägt, wovon die Arbeitsfähigkeit und
die Arbeitsberechtigung objektiver Natur sind, die hier interessierende Frage
der Vermittlungsbereitschaft jedoch subjektiver Natur (THOMAS NUSSBAUMER,
Arbeitslosenversicherung, in: Ulrich Meyer [Hrsg.], Schweizerisches
Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Band XIV, Soziale Sicherheit, 2. Aufl., Basel
2007, Rz. 261) Mit Blick auf die objektive, ärztlicherseits festgehaltene
Restarbeitsfähigkeit bestand in der Tat bei der Arbeitslosenkasse aufgrund der
widersprüchlichen Einschätzungen der Dres. med. B.________ und G.________
Unklarheit, sodass sie den Versicherten am 31. Juli 2006 nochmals schriftlich
aufforderte, seine Akten hinsichtlich der attestierten Arbeitsfähigkeit mit
einem entsprechenden Arztzeugnis über eine Arbeitsfähigkeit (im Umfang von 50 %
oder 100 %) zu ergänzen. Dies führte auch, wie der Versicherte beschwerdeweise
anmerkte, zu verschiedenen handschriftlichen Bemerkungen bezüglich der
Arbeitsfähigkeit, wie beispielsweise auf dem nicht versandten Schreiben vom 12.
Juli 2006 oder dem Schreiben vom 4. Oktober 2006 hinsichtlich Aktenergänzung.
Inwiefern damit der Grundsatz von Treu und Glauben verletzt sein soll, wie
geltend gemacht wird, ist nicht ersichtlich. Die im Schreiben vom 16. Juni 2006
an den Versicherten gerichtete Frage, in welchem Umfang er sich dem
Arbeitsmarkt zur Verfügung stelle, beschlägt hingegen das subjektive Merkmal
der Vermittlungsbereitschaft. Dieses subjektive Element ist auch bei der
Überprüfung der Vermittlungsfähigkeit behinderter Personen zu beachten. Denn
eine versicherte Person, die sich bis zum Entscheid der Invalidenversicherung
als nicht arbeitsfähig erachtet und weder Arbeit sucht noch eine zumutbare
Arbeit annimmt, ist nicht vermittlungsfähig. Dementsprechend bedeutet die
Vorleistungspflicht der Arbeitslosenversicherung gemäss der Vermutungsregel des
Art. 15 Abs. 3 AVIV nicht die vorbehaltlose Zusprechung von
Arbeitslosenentschädigung bis zum rechtskräftigen Entscheid der
Invalidenversicherung oder Unfallversicherung. Zur Vermittlungsfähigkeit
gehört, wie erwähnt, die Arbeitsfähigkeit im objektiven Sinne und subjektiv
auch die Bereitschaft, die Arbeitskraft entsprechend den persönlichen
Verhältnissen während der üblichen Arbeitszeit einzusetzen (ARV 2004 S. 124, C
272/02).
3.3.2 Ausgehend von einem nicht offensichtlich unrichtig oder unvollständig
festgestellten Sachverhalt durfte die Vorinstanz angesichts des Dargelegten
ohne Bundesrecht zu verletzen zum Schluss gelangen, es fehle an der
Bereitschaft des Versicherten, sich für mehr als eine Teilzeitstelle im Umfang
von 50 % vermitteln zu lassen, womit die Vermittlungsfähigkeit grundsätzlich zu
bejahen ist, da der Begriff keine graduellen Abstufungen kennt (vgl. E. 2;
NUSSBAUMER, a.a.O. S. 2258 Rz. 263 mit Hinweisen). Dass aber die
Arbeitslosenkasse hinsichtlich des anrechenbaren Arbeitsausfalls nicht bereits
anhand der lediglich telefonischen Angaben des Versicherten am 19. Juni 2006
von einer fehlenden Bereitschaft, sich mehr als 50 % dem Arbeitsmarkt zur
Verfügung zu stellen, ausging und erst nach Eingang der schriftlichen
Bestätigung seitens des zuständigen RAV vom 30. Oktober 2006 diesen Sachverhalt
als gewiss ansah, ist ihr nicht anzulasten. Stellte sich der Versicherte somit
nur im Umfang von 50 % dem Arbeitsmarkt zur Verfügung, erlitt er lediglich
einen hälftigen Arbeitsausfall, weshalb sich der Entschädigungsanspruch
entsprechend reduziert.

3.4 Demzufolge war die Ausrichtung der Arbeitslosenentschädigung insoweit
gesetzwidrig und damit offensichtlich unrichtig (BGE 126 V 401 E. 2b/bb), als
die Arbeitslosenkasse bei der Bemessung des Entschädigungsanspruchs ab
Anmeldung zum Leistungsbezug von einem vollständigen, anstelle eines
teilweisen, 50%igen Arbeitsausfalles ausging und die Arbeitslosenentschädigung
dementsprechend zu hoch ausfiel (BGE 125 V 51 E. 6c/aa S. 59; ARV 2004 S. 118).
Die Berichtigung ist sodann angesichts der Höhe der zu Unrecht gewährten
Leistungen von erheblicher Bedeutung, sodass die Voraussetzungen für ein
wiedererwägungsweises Zurückkommen auf die Leistungsausrichtung erfüllt sind,
weshalb das kantonale Gericht auch diesbezüglich kein Bundesrecht verletzt hat
(vgl. SEILER/VON WERDT/GÜNGERICH, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, N. 9
zu Art. 95).

4.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 62 BGG). Die Gerichtskosten sind dem
Beschwerdeführer als der unterliegenden Partei aufzuerlegen (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, dem Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich und dem
Staatssekretariat für Wirtschaft schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 11. Februar 2009
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Polla