Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.599/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_599/2008

Urteil vom 27. Februar 2009
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiber Grünvogel.

Parteien
B.________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Advokatin Nadia Tarolli,

gegen

Öffentliche Arbeitslosenkasse Basel-Stadt, Hochstrasse 37, 4053 Basel,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Arbeitslosenversicherung (Nichteintreten durch die Vorinstanz),

Beschwerde gegen die Verfügung des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom
27. Juni 2008.

Sachverhalt:

A.
Mit Eingabe vom 15. Mai 2008 führte die 1955 geborene B.________ beim
Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt Beschwerde gegen einen
Einspracheentscheid der Öffentlichen Arbeitslosenkasse Basel-Stadt vom 29.
April 2008.

Mit Verfügung vom 16. Mai 2008 setzte das kantonale Gericht B.________ eine
Frist zur Verbesserung der aus richterlicher Sicht ungenügenden Beschwerde,
verbunden mit der Androhung, bei unterlassener Verbesserung innert Frist werde
auf die Beschwerde nicht eingetreten. Nachdem B.________ die Verfügung vom 16.
Mai 2008 nicht innert der von der Post zur Abholung angesetzten Frist von
sieben Tagen abgeholt hatte, erstreckte das Gericht die Frist mit Verfügung vom
2. Juni 2008 peremptorisch bis zum 23. Juni 2008.

Mit Verfügung vom 27. Juni 2008 trat das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt
auf die Beschwerde nicht ein, da diese trotz Androhung der Säumnisfolgen innert
der angesetzten und erstreckten Frist nicht verbessert worden sei.

B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt B.________
beantragen, in Aufhebung der vorinstanzlichen Verfügung vom 27. Juni 2008 sei
die Angelegenheit zur materiellen Beurteilung an das Sozialversicherungsgericht
Basel-Stadt zurückzuweisen.

Die Kasse lässt singemäss auf Abschreibung des Verfahrens wegen
Gegenstandslosigkeit schliessen. Die Vorinstanz beantragt Abweisung der
Beschwerde.

Erwägungen:

1.
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht die Beschwerde gegen den
Einspracheentscheid vom 29. April 2008, mit welchem die Öffentliche
Arbeitslosenkasse die auf einem versicherten Verdienst von Fr. 3320.-
basierende Taggeldabrechnung für den Monat Februar 2008 bestätigte, zu Recht
mittels Nichteintreten erledigte. Ob der Versicherten ab 1. Mai 2008 die
Vermittlungsfähigkeit als eine Anspruchsvoraussetzung auf Arbeitslosentaggelder
abgesprochen worden ist, kann offen bleiben, da dieser Umstand nicht zur
Gegenstandslosigkeit des vorliegenden Verfahrens führte.

2.
Die Vorinstanz bringt vor, die Beschwerde sei innert der unter Androhung der
Säumnisfolgen angesetzten und erstreckten Frist nicht hinreichend ergänzt
worden. Auf die Beschwerde sei daher in Anwendung von § 6 Abs. 2
Sozialversicherungsgesetz/BS nicht einzutreten gewesen.

Die Beschwerdeführerin wendet ein, die im kantonalen Verfahren eingereichte
Beschwerde vom 15. Mai 2008 genüge auch ohne Ergänzung den gesetzlichen
Anforderungen und sei daher materiell zu beurteilen. Der angefochtene Entscheid
sei überspitzt formalistisch.

3.
Nach Art. 61 lit. b ATSG muss die Beschwerde eine gedrängte Darstellung des
Sachverhaltes, ein Rechtsbegehren und eine kurze Begründung enthalten. Genügt
sie diesen Anforderungen nicht, so setzt das Versicherungsgericht der
Beschwerde führenden Person eine angemessene Frist zur Verbesserung und
verbindet damit die Androhung, sonst auf die Beschwerde nicht einzutreten.

Der von der Vorinstanz angerufene § 6 Sozialversicherungsgesetz/BS entspricht
dieser Regelung inhaltlich.

4.
Erfüllt eine Beschwerde die gesetzlichen Mindestanforderungen nicht und wird
sie innert einer unter Androhung der Säumnisfolgen angesetzten Frist nicht
verbessert, ist nach dem Gesagten auf sie nicht einzutreten. Indessen geht es
nicht an, dass das Gericht bei formgerechter Beschwerde deren materielle
Beurteilung von einer Ergänzung des Rechtsmittels abhängig macht. Dies käme
einer formellen Rechtsverweigerung gleich (vgl. Urteile 8C_145/2007 vom 8.
Januar 2009 E. 4.2; U 440/99 vom 29. Februar 2000 E. 2).

5.
Mit der Eingabe vom 15. Mai 2008 beantragte die Versicherte neben weiteren, an
der Sache offenkundig vorbei zielenden Begehren eine "sachgemässe Abrechnung
laut meines Einkommens rückwirkend auf 2 Jahre". Gleichzeitig spezifizierte sie
dieses näher, indem sie verschiedene, teils global zusammengefasste
Einkommensposten aufführte. Die Eingabe schloss sie ab mit dem Hinweis "Sollten
Sie sich meinen Rechtsansprüchen widersetzen, werde ich meinen Anwalt
einsetzen".

Eine Begründung, weshalb die behaupteten Einkommenspositionen bei der
Ermittlung des versicherten Verdienstes anders Berücksichtigung finden sollten,
als im angefochtenen Einspracheentscheid vorgenommen worden, findet sich in
dieser Eingabe nicht; ebenso fehlt eine Auseinandersetzung mit den
diesbezüglichen Erwägungen im angefochtenen Einspracheentscheid. Die Eingabe
beschränkt sich vielmehr auf das Wiederholen des bereits im Einspracheverfahren
gestellten Antrags. Wenn die Vorinstanz dergestalt auf eine nicht hinreichend
begründete Beschwerde schloss, ist dies nicht zu beanstanden. Ebenso wenig kann
ihr zum Vorwurf gereichen, wenn sie - nicht zuletzt mit Blick auf den die
Eingabe vom 15. Mai 2008 abschliessenden Hinweis auf den Beizug eines Anwalts -
die Versicherte lediglich in allgemeiner Form und Wiedergabe von § 6 Abs. 2
Sozialversicherungsgesetz/BS zur Verbesserung der Beschwerdeschrift
aufforderte. Eine Verletzung der richterlichen Fürsorgepflicht ist nicht
ersichtlich. Die Vorinstanz ist auf die Eingaben der Versicherten zu Recht
nicht eingetreten.

6.
Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art.
66 Abs. 1 BGG). Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (im Sinne der
vorläufigen Befreiung von den Gerichtskosten und der unentgeltlichen
Verbeiständung) kann entsprochen werden, da die Bedürftigkeit ausgewiesen ist,
die Beschwerde - wenn auch nur knapp - nicht als aussichtslos zu bezeichnen und
die Vertretung durch einen Rechtsanwalt geboten war (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG).
Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach
die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie
später dazu im Stande ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Der Beschwerdeführerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt, indes
vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.

4.
Advokatin Nadia Tarolli wird als unentgeltliche Anwältin der Beschwerdeführerin
bestellt, und es wird ihr für das bundesgerichtliche Verfahren aus der
Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1400.- ausgerichtet.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt,
dem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) Basel und dem Staatssekretariat
für Wirtschaft schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 27. Februar 2009

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung Grünvogel