Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.596/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_596/2008

Urteil vom 20. Oktober 2008
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, nebenamtliche Bundesrichterin Buerki Moreni,
Gerichtsschreiber Batz.

Parteien
N.________,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 19.
Juni 2008.

Sachverhalt:

A.
N.________ erhob am 8. April 2008 beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern
Beschwerde, mit welcher er die - nicht beigelegte - Verfügung der IV-Stelle
Bern vom 18. März 2008 beanstandete. Das Verwaltungsgericht forderte ihn am 22.
April 2008 zur Bezahlung eines Kostenvorschusses von Fr. 700.- und zur
Einreichung der angefochtenen Verfügung auf. Nachdem der Versicherte dieser
Aufforderung nicht nachgekommen war, setzte ihm das Gericht mit Verfügung vom
28. Mai 2008 eine Frist bis 9. Juni 2008 zur Bezahlung des Kostenvorschusses
und zur Einreichung der angefochtenen Verfügung. Mit Entscheid vom 19. Juni
2008 trat das Verwaltungsgericht androhungsgemäss auf die Beschwerde nicht ein,
weil der Versicherte der Aufforderung gemäss Verfügung vom 28. Mai 2008
innerhalb der bis 9. Juni 2008 laufenden Frist nicht nachgekommen sei.

B.
Gegen diesen Entscheid erhob N.________ beim Bundesgericht Beschwerde, indem er
sinngemäss die Zusprechung einer ganzen Invalidenrente beantragte. Nach
entsprechender Aufforderung durch das Bundesgericht (Verfügung bzw. Mitteilung
vom 23. Juli 2008) reichte der Versicherte am 25. August 2008 unter Zustellung
des kantonalen Entscheides ein ergänzte Beschwerde ein, mit der sinngemäss das
Eintreten auf seine vorinstanzliche Beschwerde und die Gewährung der
unentgeltlichen Prozessführung verlangt wurde.

Die Vorinstanz und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine
Vernehmlassung. Die IV-Stelle erklärt ebenfalls - mit dem Begehren um Abweisung
- den Verzicht auf eine Stellungnahme zur Beschwerde.

Erwägungen:

1.
Das Rechtsmittel des Versicherten, das nach der Ergänzung vom 25. August 2008
eine rechtsgenügliche Beschwerde darstellt, richtet sich gegen den
vorinstanzlichen Nichteintretensentscheid. Das Bundesgericht hat daher zu
prüfen, ob die Vorinstanz zu Recht auf die bei ihr erhobene Beschwerde nicht
eingetreten ist. Dagegen kann auf das materielle, die Zusprechung einer
Invalidenrente betreffende Begehren hier nicht eingetreten werden (BGE 132 V 74
E. 1.1 S. 76, 117 V 121 E. 1 S. 122 f. mit Hinweisen).

2.
2.1 Die Vorinstanz forderte den Beschwerdeführer am 22. April und am 28. Mai
2008 zur Bezahlung eines Kostenvorschusses sowie zur Einreichung der
angefochtenen Verfügung auf und setzte ihm hiefür eine Frist bis 9. Juni 2008
an. Nachdem der Beschwerdeführer dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten
Frist nicht nachgekommen war, trat die Vorinstanz androhungsgemäss auf die
Beschwerde nicht ein.

2.2 In der Folge stellte sich jedoch heraus, dass sich der Beschwerdeführer
nach der Einforderung des Kostenvorschusses durch die Vorinstanz zur
Gemeindeschreiberei seiner Wohngemeinde begeben und ein Zeugnis zur
unentgeltlichen Prozessführung einverlangt hatte, welches ihm am 3. Juni 2008
ausgestellt, indessen irrtümlicherweise an die IV-Stelle bzw. an die
Ausgleichskasse Bern gesandt worden war. Das Verwaltungsgericht des Kantons
Bern bestätigte denn auch am 16. Juli 2008 zu Handen des Beschwerdeführers, das
genannte Zeugnis am 15. Juli 2008 erhalten zu haben, welches irrtümlicherweise
an die IV-Stelle gelangt sei. Damit hatte der Beschwerdeführer - wie auch das
Verwaltungsgericht in der erwähnten Bestätigung vom 16. Juli 2008 anzunehmen
scheint - innerhalb der mit Verfügung vom 28. Mai 2008 gesetzten Frist ein
Zeugnis zur Erlangung der unentgeltlichen Prozessführung eingereicht, womit der
Aufforderung des kantonalen Gerichts - wenn auch an eine unzuständige Behörde,
was jedoch nicht schadet, da eine Frist auch diesfalls als gewahrt gilt, wobei
die unzuständige Behörde die Eingabe unverzüglich an die zuständige Amtsstelle
weiterzuleiten hat (BGE 121 I 93 E. 1c S. 95 f. und 120 V 413 E. 3a S. 415 mit
weiteren Hinweisen; Urteil D. vom 3. August 2001, U 179/01) - im Wesentlichen
Genüge getan war. Da zudem die Einreichung der angefochtenen Verfügung zwar
noch nicht erfolgt war, aber der Vorinstanz die verfügende Stelle ohne weiteres
bekannt gewesen zu sein scheint, womit der Zweck der entsprechenden Vorkehr
erreicht war (vgl. BGE 116 V 353 E. 3b und c S. 358 mit Hinweisen) - das
Verwaltungsgericht hat denn auch im Nichteintretensentscheid vom 19. Juni 2008
diesen Punkt nicht mehr explizit beanstandet -, ist der vorinstanzliche
Nichteintretensentscheid zu Unrecht ergangen. Dieser muss demzufolge aufgehoben
und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückgewiesen werden, damit es den
Fall neu beurteile. Indessen ist damit nichts über die Voraussetzungen für die
Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung im vorinstanzlichen Verfahren
(insbesondere über die Frage der Aussichtslosigkeit der Beschwerde) gesagt,
worüber zunächst das kantonale Gericht zu befinden hat.

3.
Auf die Erhebung von Gerichtskosten wird unter den Umständen des vorliegenden
Falles verzichtet (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Begehren des Beschwerdeführers um
Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung erweist sich als gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist. Der Entscheid
des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche
Abteilung, vom 19. Juni 2008 wird aufgehoben. Die Sache wird an die Vorinstanz
zurückgewiesen, damit sie über die Beschwerde gegen die Verfügung vom 18. März
2008 erneut entscheide.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 20. Oktober 2008

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung Batz