Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.582/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_582/2008

Urteil vom 14. Januar 2009
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Niquille,
Gerichtsschreiber Lanz.

Parteien
G.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Ehrenzeller, Engelgasse 214, 9053 Teufen,

gegen

IV-Stelle Appenzell Ausserrhoden,
Kasernenstrasse 4, 9100 Herisau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts von Appenzell
Ausserrhoden
vom 22. Mai 2008.

Sachverhalt:

A.
Der 1971 geborene G.________ hat verschiedene Ausbildungen insbesondere im
Kunstbereich absolviert und betätigte sich danach als frei schaffender Künstler
sowie vorübergehend als Kursleiter. Im Juni 2006 meldete er sich unter Hinweis
auf "Suchtproblematik, psychische Instabilität, psychische Probleme" bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Appenzell
Ausserrhoden traf erwerbliche und medizinische Abklärungen (u.a. Einholung des
psychiatrischen Gutachtens der Klinik X.________ vom 20. Juli 2007). Mit
Verfügung vom 8. November 2007 verneinte sie einen Rentenanspruch mit der
Begründung, die diagnostizierte spezifische isolierte Phobie (im Sinne einer
Miktionsphobie) wirke sich nicht relevant auf die Arbeitsfähigkeit aus und die
bestehende Suchtproblematik bewirke nach der Rechtsprechung keine
leistungsbegründende Invalidität.

B.
Die von G.________ hiegegen erhobene Beschwerde mit dem Antrag auf Zusprechung
mindestens einer halben Invalidenrente wies das Verwaltungsgericht von
Appenzell Ausserrhoden mit Entscheid vom 22. Mai 2008 ab.

C.
G.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Rechtsbegehren, es sei der kantonale Entscheid aufzuheben und mit
Wirkung ab Juni 2005 mindestens eine halbe Invalidenrente zuzusprechen,
eventuell die Sache im Sinne der Erwägungen an die Verwaltung oder die
Vorinstanz zurückzuweisen.
Die IV-Stelle beantragt die Abweisung der Beschwerde, ohne sich weiter zur
Sache zu äussern. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine
Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes
wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2
BGG). Mit Blick auf diese Kognitionsregelung ist auf Grund der Vorbringen in
der Beschwerde ans Bundesgericht zu prüfen, ob der angefochtene kantonale
Gerichtsentscheid in der Anwendung der massgeblichen materiell- und
beweisrechtlichen Grundlagen (u.a.) Bundesrecht, Völkerrecht oder kantonale
verfassungsmässige Rechte verletzt (Art. 95 lit. a-c BGG), einschliesslich
einer allfälligen rechtsfehlerhaften Tatsachenfeststellung (Art. 97 Abs. 1,
Art. 105 Abs. 2 BGG). Hingegen hat unter der Herrschaft des BGG eine freie
Überprüfung des vorinstanzlichen Entscheids in tatsächlicher Hinsicht zu
unterbleiben, ausser wenn sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die
Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder
Unfallversicherung richtet (Art. 97 Abs. 2 BGG).

2.
Streitig ist der Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung und dabei
die Frage, ob eine invaliditätsbegründende Gesundheitsschädigung vorliegt.
Das kantonale Gericht hat im angefochtenen Entscheid, auf welchen verwiesen
wird, die Bestimmungen über die Begriffe Invalidität (Art. 8 ATSG) und
Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG) zutreffend wiedergegeben. Ebenfalls richtig
ist, dass nach der Rechtsprechung eine Drogensucht, wie auch Alkoholismus und
eine Medikamentenabhängigkeit, für sich allein betrachtet noch keinen
invalidisierenden Gesundheitsschaden darstellt, sondern erst dann bedeutsam
wird, wenn sie durch einen solchen Gesundheitsschaden bewirkt worden ist oder
einen solchen zur Folge hat (vgl. BGE 124 V 265 E. 3c S. 268; AHI 2002 S. 28, I
454/99, und 2001 S. 227, I 138/98; Urteil I 50/07 vom 23. Oktober 2007 E. 5.1
und 5.2 mit weiteren Hinweisen).

3.
Der Versicherte leidet unstreitig seit der Kindheit an einer spezifisch
isolierten Phobie im Sinne einer Miktionsphobie. Zudem liegt ein
Abhängigkeitssyndrom mit multiplem Substanzgebrauch vor.

4.
Das kantonale Gericht hat zunächst erwogen, die Miktionsphobie begründe keine
relevante Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit und damit keine Invalidität.
Die Beschwerde äussert sich hiezu widersprüchlich, indem zum einen die
vorinstanzliche Betrachtungsweise bestätigt, zum anderen aber zumindest die
Möglichkeit einer invalidisierenden Wirkung der Phobie geltend gemacht wird. Es
wird indessen nichts vorgebracht, was die Beurteilung durch das kantonale
Gericht in Frage stellen könnte. Damit erübrigt sich auch, auf die Ausführungen
des Versicherten zur kausalen Bedeutung der Miktionsphobie für das
Abhängigkeitssyndrom weiter einzugehen.
Ein anderes, für sich allein betrachtet invalidisierendes Leiden, welches als
Ursache für das Abhängigkeitssyndrom zu betrachten wäre, steht nicht zur
Diskussion. Die geltend gemachten Faktoren, wie eine Veranlagung zu labiler
Psyche, familiäre Umstände, der Abbruch einer Ausbildung und eine erfolgte
Ausweitung/Verlagerung von weichen auf harte Drogen genügen hiefür nicht.

5.
Zu prüfen bleibt, ob das Abhängigkeitssyndrom oder eine daraus folgende
Gesundheitsschädigung eine Invalidität bewirkt.

5.1 Das kantonale Gericht hat vorab erkannt, die Abhängigkeit alleine vermöge
keine Invalidität zu begründen. Diese Beurteilung entspricht der dargelegten
Rechtsprechung (E. 2 hievor). In der Beschwerde wird nichts vorgebracht, was
ein Abweichen von dieser Praxis zu rechtfertigen vermöchte. Namentlich genügt
der Umstand, dass in einem Teil der medizinischen Akten davon ausgegangen wird,
die Arbeitsfähigkeit sei infolge des Abhängigkeitssyndroms eingeschränkt,
nicht.

5.2 Die Vorinstanz hat sich im Weiteren mit der Äusserung des Versicherten
auseinandergesetzt, wonach ein Drogenentzug eine andere (invalidisierende)
psychische Erkrankung demaskieren könnte, was nicht abgeklärt worden sei. Sie
hat erwogen, der Beschwerdeführer sei in schwer intoxikiertem Zustand zur
psychiatrischen Begutachtung an der Klinik X.________ erschienen und habe damit
und durch seine mangelnde Bereitschaft für einen Drogenentzug die geforderte
"Demaskierung" einer psychischen Erkrankung selber vereitelt.
5.2.1 Der Versicherte erneuert die Rüge, die Abklärungspflicht sei verletzt
worden. Zwar möge sein, dass infolge eines chronisch intoxikierten Zustandes
eine Aussage zur Arbeitsfähigkeit nicht möglich sei, wie dies im Gutachten der
Klinik X.________ vom 20. Juli 2007 festgehalten worden sei. Doch könne nicht
Drogen- oder Alkoholfreiheit verlangt werden, auch nicht im Rahmen der
Schadenminderungspflicht.
5.2.2 Die vorinstanzliche Beurteilung, wonach unter den gegebenen Umständen
auch von weiteren psychiatrischen Abklärungen keine zuverlässigen Hinweise auf
eine invalidisierende psychische Erkrankung zu erwarten sind, ist als
antizipierte Beweiswürdigung im Rahmen der bundesgerichtlichen
Überprüfungsbefugnis nicht zu beanstanden. Es kann darin namentlich auch keine
Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (vgl. Art. 61 lit. c ATSG) gesehen
werden. Ergibt sich nun aber bei korrekter Anwendung dieses Grundsatzes nicht
zumindest mit dem im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der
überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 353 E. 5b S. 360 mit Hinweisen) ein
solches Leiden, trägt der Versicherte, welcher daraus Rechte ableiten wollte,
die Folgen der Beweislosigkeit (BGE 117 V 261 E. 3b S. 264). Dies gilt
unabhängig davon, ob hier vom Versicherten im Rahmen der Mitwirkungspflichten
bei der Sachverhaltsabklärung (BGE 125 V 193 E. 2 S. 195 mit Hinweisen),
gegebenenfalls auch der Schadenminderungspflicht (BGE 129 V 460 E. 4.2 S. 463
mit Hinweisen), ein Drogenverzicht hätte erwartet werden dürfen.

5.3 Festzuhalten bleibt, dass sich aus den medizinischen Akten keine
Anhaltspunkte ergeben, welche auf eine invalidisierende organische
Gesundheitsschädigung hindeuten oder auch nur einen diesbezüglichen
Abklärungsbedarf zu begründen vermöchten. Auch der Hausarzt stellt im Bericht
vom 1. Juni 2006 keine solchen Diagnosen. Soweit in der Beschwerde allfällige
weitere Leiden postuliert werden, beruht dies lediglich auf - durch die Akten
nicht gestützte - Mutmassungen über mögliche Auswirkungen des
Substanzgebrauchs. Dies rechtfertigt keine andere Betrachtungsweise.

5.4 Zusammenfassend begründet das Abhängkeitssyndrom keine Invalidität und
liegt auch anderweitig keine invalidisierende Gesundheitsschädigung vor. Die
Beschwerde ist daher abzuweisen.

6.
Die Kosten des Verfahrens sind vom unterliegenden Beschwerdeführer zu tragen
(Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht von Appenzell
Ausserrhoden und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 14. Januar 2009
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung Lanz