Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.570/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_570/2008

Urteil vom 4. Mai 2009
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Maillard,
Gerichtsschreiberin Durizzo.

Parteien
T.________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Advokat Dr. Costantino Testa,

gegen

IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 30.
Mai 2008.

Sachverhalt:

A.
T.________, geboren 1969, meldete sich am 28. November 2003 unter Hinweis auf
einen am 8. Oktober 2002 erlittenen Unfall mit Schleudertrauma bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Bern zog die Akten
der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) bei, holte einen Bericht
des Hausarztes Dr. med. H.________, Allgemeine Medizin FMH, vom 9. Januar 2005
ein, liess die Versicherte psychiatrisch durch Dr. med. B.________, Psychiatrie
und Psychotherapie FMH, untersuchen (Gutachten vom 19. Januar 2006) und klärte
die erwerbliche Situation und die Einschränkung im Haushalt ab (Bericht vom 20.
März 2007). Mit Verfügung vom 27. August 2007 lehnte sie den Anspruch auf eine
Invalidenrente ab.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
mit Entscheid vom 30. Mai 2008 ab.

C.
T.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei die Sache zur
neuen Beurteilung an die IV-Stelle zurückzuweisen.

Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG)
kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung
von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(Art. 105 Abs. 2 BGG).

1.2 Die Feststellung des Gesundheitsschadens, d.h. die Befunderhebung, die
gestützt darauf gestellte Diagnose, die ärztliche Stellungnahme zu dem noch
vorhandenen Leistungsvermögen oder (bei psychischen Gesundheitsschäden) zur
Verfügbarkeit von Ressourcen der versicherten Person sowie die aufgrund der
medizinischen Untersuchungen gerichtlich festgestellte Arbeits(un)fähigkeit
betreffen Tatfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 398), welche sich nach der
dargelegten Regelung der Kognition einer Überprüfung durch das Bundesgericht
weitgehend entziehen.

2.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze zum Begriff der
Invalidität (Art. 8 ATSG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 IVG), insbesondere
auch bei psychischen Gesundheitsschäden (BGE 131 V 49 E. 1.2 S. 50), zum
Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 Abs. 1 IVG) sowie zum Beweiswert von
Arztberichten und medizinischen Gutachten (BGE 125 V 351 E. 3 S. 352 ff., 122 V
157 E. 1c S. 160 ff. mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Darauf wird
verwiesen.

3.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass die vorliegenden medizinischen Akten
keine rechtsgenügliche Grundlage für die zuverlässige Festsetzung der
zumutbaren Arbeitsfähigkeit bildeten. Gegenstand der Abklärungen hätte die
Invalidisierung durch die gesundheitlichen Beschwerden sein müssen, nicht die
Kausalität der Beeinträchtigungen mit dem am 8. Oktober 2002 erlittenen Unfall.

4.
4.1 Die Beschwerdeführerin klagt seit einem Heckauffahrunfall vom 8. Oktober
2002 über Schmerzen, insbesondere Kopf- und Rückenschmerzen. Das kantonale
Gericht hat die entsprechenden medizinischen Akten einlässlich und sorgfältig
gewürdigt.

4.2 Gestützt darauf können Befunde, die auf einen invalidisierenden
Gesundheitsschaden schliessen liessen, nicht ausgemacht werden.
4.2.1 Was zunächst das somatische Leiden betrifft, äusserte sich Dr. med.
A.________, Abteilung Versicherungsmedizin der SUVA, am 25. Januar 2007 in
einer ausführlichen Beurteilung über den Verlauf. Demnach hatten sich 20
Ärztinnen und Ärzte um die Versicherte gekümmert und es waren etwa ein Dutzend
medizinische Fachdisziplinen herangezogen worden. Indessen hätten keine
körperlichen Befunde festgestellt werden können. Überdies habe sich keine der
angewandten Therapien (zahlreiche Medikamente, verschiedenste Physiotherapien,
Solbäder, Chiropraktik, Akupunktur, Fazetteninfiltrationen, Lymphdrainagen) als
nützlich oder gar wirksam erwiesen. Dass die geklagten Schmerzen der
Versicherten keine Arbeitsunfähigkeit begründen können, geht übereinstimmend
auch aus dem Bericht des Dr. med. G.________ vom Regionalen Ärztlichen Dienst
(RAD) vom 11. Mai 2005 hervor.
4.2.2 Die Beschwerdeführerin bringt Vorbehalte an gegenüber den Berichten der
SUVA sowie des RAD mit der Begründung, dass sie von den betreffenden Ärzten
nicht untersucht worden sei. Die Tatsache, dass es sich bei den genannten
Berichten um Aktengutachten handelt, spricht indessen nicht grundsätzlich gegen
deren Beweiswert (Urteil U 260/04 vom 12. Oktober 2005 E. 5b mit Hinweis auf
RKUV 1988 Nr. U 56 S. 371 E. 5b). Dass Dr. med. A.________ und Dr. med.
G.________ sich nicht auf eigene Untersuchungen stützen konnten, kann sich für
die Beschwerdeführerin deshalb nicht nachteilig auswirken, weil ihnen eine
Vielzahl von Berichten von Ärzten vorlag, welche die Versicherte behandelt
hatten. Ihre Einschätzungen beruhen somit auf eingehenden medizinischen
Untersuchungsberichten. Im Übrigen trifft es nicht zu, dass sich die fraglichen
Berichte nur auf die für den Unfallversicherer massgebliche Frage der
Kausalität der Beschwerden beziehen.
4.2.3 In diesem Zusammenhang ist anzufügen, dass hinsichtlich des
festgestellten Vestibularisfunktionsverlustes links gemäss Bericht des Dr. med.
M.________ vom 29. März 2006 in einer leidensangepassten Tätigkeit keine
zeitliche Limitierung der Arbeitsfähigkeit besteht. Des weiteren konnte ein
klinisch manifestes Lymphödem nicht gefunden werden und eine Lymphografie wurde
nach Absprache zwischen dem Kreisarzt der SUVA und dem RAD der IV-Stelle
deshalb nicht veranlasst, weil diese Untersuchung nach ärztlicher Einschätzung
zu aggressiv wäre, um eine "fast unwahrscheinlich anmutende Diagnose"
auszuschliessen, besteht doch die Gefahr, dass erst durch diesen diagnostischen
Eingriff eine Schädigung der Lymphgefässe auftritt.
4.2.4 Zusammengefasst ist ein somatischer Gesundheitsschaden, welcher zu einer
Arbeitsunfähigkeit zu führen vermöchte, nicht ausgewiesen. Subjektive
Schmerzangaben der versicherten Person allein genügen rechtsprechungsgemäss
nicht für die Begründung einer (teilweisen) Arbeitsunfähigkeit, sondern es muss
im Rahmen der sozialversicherungsrechtlichen Leistungsprüfung verlangt werden,
dass die Schmerzangaben durch damit korrelierende, fachärztlich schlüssig
feststellbare Befunde hinreichend erklärbar sind (BGE 130 V 396 E. 5.3.1 S.
399).
4.2.5 Es bleibt zu prüfen, wie es sich mit dem psychischen Leiden verhält. Die
IV-Stelle hat die Versicherte psychiatrisch durch Dr. med. B.________
untersuchen lassen. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 19. Januar 2006 die
Diagnose einer belastenden Lebenssituation nach HWS-Schleudertrauma mit
chronifiziertem Schmerzverlauf ohne relevante psychische Auffälligkeit,
insbesondere ohne Aggravationstendenz, bestehend seit 8. Oktober 2002 (ICD-10
Z73).

Bei den sogenannten Z-Kodierungen handelt es sich um Faktoren, die den
Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens
führen. Die Kategorien Z00-Z999 sind für Fälle vorgesehen, in denen
Sachverhalte als "Diagnosen" oder "Probleme" angegeben sind, die nicht als
Krankheit, Verletzung oder äussere Ursache unter den Kategorien A00-Y89
klassifizierbar sind (www.dimdi.de/static/de/klassi/diagnosen/icd10/htmlgm2009/
chapter-xxi.htm). Diese Belastungen fallen als solche nicht unter den Begriff
des rechtserheblichen Gesundheitsschadens (SVR 2008 IV Nr. 15 S. 43, I 514/06
E. 2.2.2.2). Aus der Stellungnahme des Dr. med. E.________ vom RAD zum
Gutachten des Dr. med. B.________ (Ärztlicher Bericht vom 16. November 2007)
geht denn auch hervor, dass die psychische Situation überwiegend unauffällig
sei. Der Psychiater erwähne häufiges Lachen, ohne auffallende depressive
Zeichen, eine mässig spürbare reaktive depressive Verstimmung, einen guten
affektiven Kontakt, eine ungetrübte affektive Schwingungsfähigkeit und eine
lebhafte, freie Stimmung. Angesichts der Schilderung einer stabilen und blanden
Versicherten könne ein relevanter psychiatrischer Gesundheitsschaden nicht
genannt werden und seien Einbussen der Leistungsfähigkeit nicht zu begründen.

Damit sind nach der Diagnose des Psychiaters soziale Faktoren für die
Erwerbslosigkeit der Beschwerdeführerin verantwortlich (vgl. BGE 127 V 294 E.
5a S. 299; SVR 2007 IV Nr. 33 S. 117 E. 5.2, I 738/05), welche indessen nicht
unter das bei der Beschwerdegegnerin versicherte Risiko fallen. Mit dem
kantonalen Gericht kann daher eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit aus
psychischen Gründen nicht angenommen werden.

5.
Entgegen dem Einwand der Beschwerdeführerin, es bestehe keine rechtsgenügliche
Grundlage für die zuverlässige Festsetzung der zumutbaren Arbeitsfähigkeit und
deren erwerbliche Verwertbarkeit, ergibt sich aus den vorstehenden Erwägungen,
dass sie sowohl in somatischer als auch in psychischer Hinsicht umfassend
abgeklärt worden ist. Abgesehen von der psychiatrischen Einschätzung der
Arbeitsfähigkeit, auf die indessen aus den genannten Gründen nicht abzustellen
ist, finden sich in den Akten keine anderen fachärztlichen Meinungsäusserungen,
die der Beschwerdeführerin in einer leidensangepassten Tätigkeit eine tiefere
Arbeitsfähigkeit attestieren würden. Es besteht daher kein Anlass für weitere
Abklärungen (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 132 V 393 E. 4.1 S. 400, 124 V
90 E. 4b S. 94; SVR 2001 IV Nr. 10 S. 27, I 362/99 E. 4b), weshalb dem
gestellten Antrag auf Rückweisung nicht stattzugeben ist.

6.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden der
unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 65 Abs. 4 lit. a in
Verbindung mit Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse für milch- und
landwirtschaftliche Organisationen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 4. Mai 2009
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Durizzo