Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.537/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_537/2008

Urteil vom 6. Februar 2009
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Maillard,
Gerichtsschreiberin Polla.

Parteien
F.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Reinhard Pitschmann, Werdenbergerweg 11, 9490
Vaduz,

gegen

Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen, Davidstrasse 21, 9000 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Arbeitslosenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 30. Mai 2008.

Sachverhalt:

A.
Der 1960 geborene F.________ war vom 1. Februar bis 2. Mai 2005 bei der Firma
X.________ AG tätig. Ab 30. Mai 2005 bezog er Taggelder der
Arbeitslosenversicherung. Das vom 1. bis 31. Oktober 2006 zuständige Amt für
Industrie, Gewerbe und Arbeit (KIGA) verneinte die Vermittlungsfähigkeit für
diese Zeit, da F.________ seit 19. April 2005 im Handelsregister des Kantons
Y.________ als Inhaber der Einzelfirma Z.________ eingetragen sei und die hiezu
gestellten Fragen nur ungenau beantwortet habe, weshalb sich der Umfang der
selbstständigen Tätigkeit nicht ermitteln liesse (Verfügung vom 5. Dezember
2006 und Einspracheentscheid vom 10. Januar 2007). Das Bundesgericht bestätigte
dies letztinstanzlich mit Urteil 8C_447/2007 vom 3. Juli 2008. Das ab 1.
November 2006 aufgrund des erneuten Wohnortwechsels wie vor dem 1. Oktober 2006
zuständige RAV bejahte zwar die Vermittlungsfähigkeit weiterhin, stellte aber
fest, dass vor allem im Jahr 2006 aus selbstständiger Erwerbstätigkeit
erzieltes Einkommen nicht abgerechnet worden sei, weshalb es die Sache zur
weiteren Abklärung an die Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen überwies
(Verfügung vom 12. Februar 2007). Mit Verfügung vom 23. Juli 2007 verneinte die
Arbeitslosenkasse daraufhin einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, da
F.________ keinen Arbeits- und Verdienstausfall nachweisen könne, und forderte
die in der Zeit vom 30. Mai 2005 bis 30. September 2006 ausbezahlten Taggelder
in der Höhe von Fr. 45'291.05 zurück. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid
vom 10. September 2007 fest.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen mit Entscheid vom 30. Mai 2008 ab.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt F.________ die
Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids vom 30. Mai 2008 beantragen.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes
wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2
BGG). Eine unvollständige Sachverhaltsfeststellung stellt eine vom
Bundesgericht ebenfalls zu korrigierende Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95
lit. a BGG dar (SEILER/VON WERDT/GÜNGERICH, Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz,
Bern 2007, N. 24 zu Art. 97).

2.
Der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung setzt unter anderem voraus, dass die
versicherte Person ganz oder teilweise arbeitslos ist (Art. 8 Abs. 1 lit. a in
Verbindung mit Art. 10 AVIG) und einen anrechenbaren Arbeitsausfall erlitten
hat (Art. 8 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Art. 11 AVIG). Der Arbeitsausfall
ist gemäss Art. 11 Abs. 1 AVIG anrechenbar, wenn er einen Verdienstausfall zur
Folge hat und mindestens zwei aufeinanderfolgende volle Arbeitstage dauert. Wie
das kantonale Gericht weiter richtig festgehalten hat, gilt als
Zwischenverdienst jedes Einkommen aus unselbstständiger oder selbstständiger
Erwerbstätigkeit, das die arbeitslose Person innerhalb einer Kontrollperiode
erzielt, wobei als Verdienstausfall die Differenz zwischen dem in der
Kontrollperiode erzielten Zwischenverdienst gilt, mindestens aber dem berufs-
und ortsüblichen Ansatz für die betreffende Arbeit, und dem versicherten
Verdienst. Ist das Einkommen geringer als die dem Versicherten zustehende
Arbeitslosenentschädigung, so besteht innerhalb der Rahmenfrist für den
Leistungsbezug ein Anspruch auf Kompensationszahlungen (Art. 41a Abs. 1 AVIV).
Die Vorinstanz hat sodann die Bestimmungen zur Rückforderung von zu Unrecht
bezogenen Leistungen (Art. 95 Abs. 1 AVIG in Verbindung mit Art. 25 Abs. 1
ATSG) sowie zu den Auskunfts- und Mitwirkungspflichten der versicherten Person
(Art. 28 Abs. 2 und Art. 43 Abs. 3 ATSG) zutreffend wiedergegeben. Darauf wird
verwiesen.

3.
3.1 Nachdem der Versicherte im Januar 2007 die Abschlussbilanzen der Jahre 2005
und 2006 seiner selbstständigen Erwerbstätigkeit eingereicht sowie Angaben über
seine zeitliche Verfügbarkeit gemacht hatte, forderte ihn die Arbeitslosenkasse
am 20. Februar 2007 auf, die Steuerveranlagungsprotokolle der Steuerjahre 2005
und 2006, die Zwischenverdienstbescheinigungen der einzelnen Kontrollperioden,
in denen ein Zwischenverdienst erzielt worden war (ab Mai 2005), sowie
sämtliche Debitoren- und Kreditorenrechnungen und Bankbelege der Geschäftsjahre
2005 und 2006 einzureichen. Damit brachte die Kasse den zusätzlichen
Abklärungsbedarf zum Ausdruck, da sich, entgegen den Vorbringen in der
Beschwerde, insbesondere ein allfälliger monatlicher Verdienstausfall im Lichte
der ausgeübten Zwischenverdienste (Art. 24 AVIG) gerade nicht zuverlässig
anhand der eingereichten Jahresbilanzen errechnen liess und ausser für den
Monat September 2005 nie eine Zwischenverdiensttätigkeit deklariert worden war.
Dass die Verwaltung bei der Beschaffung der benötigten Unterlagen weitestgehend
auf die Mitwirkung des Beschwerdeführers angewiesen war, steht ausser Frage.
Mit Schreiben vom 20. März 2007 erinnerte sie ihn sodann an die bis dahin
fehlenden Unterlagen und machte darauf aufmerksam, dass der Taggeldanspruch
ohne die verlangten Dokumente nicht geprüft werden könnte. Nach einer weiteren
Mahnung vom 20. April 2007 bat der Beschwerdeführer am 1. Mai 2007 um eine
Fristverlängerung zur Einreichung der verlangten Unterlagen, die ihm mit Blick
auf die Steuerveranlagungsprotokolle bis zum 31. Mai 2007 gewährt wurde
(Schreiben der Arbeitslosenkasse vom 2. Mai 2007). Am 6. Juni 2007 gelangte die
Kasse erneut zur Gewährung des rechtlichen Gehörs mit einem Schreiben an den
Versicherten und führte aus, ohne die Einreichung der Bescheinigungen könne sie
den Anspruch nicht weiter prüfen, und sie gehe davon aus, dass er keinen
Verdienstausfall erlitten habe, weshalb auch die bereits ausbezahlten Taggelder
zurückgefordert werden müssten. Der Versicherte reagierte gemäss Aktenlage auch
auf diesen Brief der Verwaltung nicht, die ihn daraufhin am 21. Juni 2007
nochmals aufforderte, die fehlenden Unterlagen bis zum 6. Juli 2007
nachzureichen, wobei der Beschwerdeführer ausdrücklich darauf aufmerksam
gemacht wurde, dass die Kasse ohne seine Antwort anhand der Akten entscheiden
werde, was die Ablehnung der Anspruchsberechtigung zur Folge hätte. Eine
weitere verlangte Fristverlängerung um ca. zwei Monate gewährte die Verwaltung
nicht mehr und forderte die Unterlagen bis 13. Juli 2007 ein (Schreiben vom 4.
Juli 2007). Am 12. Juli 2007 reichte der Versicherte einzig die bereits bei der
Kasse vorhandenen Jahresbilanzen der Jahre 2005 und 2006 nach, worauf am 23.
Juli 2007 die Rückforderungsverfügung erging.

3.2 Ausgehend von einem nicht offensichtlich unrichtig oder unvollständig
festgestellten Sachverhalt durfte die Vorinstanz gestützt hierauf ohne
Bundesrecht zu verletzen zum Schluss gelangen, dass der Beschwerdeführer seine
Mitwirkungspflicht in unentschuldbarer Weise verletzt hat (BGE 125 V 193 E. 2
S. 195; 122 V 157 E. 1a S. 158, je mit Hinweisen), indem er namentlich die für
die selbstständige Erwerbstätigkeit aufgewendete Zeit nicht angab und die
geforderten Unterlagen nicht einreichte, womit ein Arbeits- und
Verdienstausfall nicht nachgewiesen war. Kann - wie hier - im Rahmen der
Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen ein Arbeits- und Verdienstausfall
aufgrund der vorliegenden Unterlagen nicht zuverlässig ermittelt und ebenso
wenig die Höhe eines allfälligen Verdienstausfalles in Zusammenhang mit der
während der Arbeitslosigkeit ausgeübten Zwischenverdiensttätigkeit berechnet
werden, da am Ende der jeweiligen Kontrollperioden keine Angaben über
Zeitaufwand und erzieltes Einkommen gemacht wurden, ist gegen die Verneinung
des Arbeitslosenentschädigungsanspruchs ab 30. Mai 2005 nichts einzuwenden.
Schliesslich war die Auszahlung demnach zweifellos unrichtig und somit die
Rückforderung von Fr. 45'291.05 zulässig, weshalb das kantonale Gericht auch
diesbezüglich Bundesrecht nicht verletzte (vgl. SEILER/VON WERDT/GÜNGERICH,
a.a.O., N. 9 zu Art. 95).

3.3 Inwiefern der Gehörsanspruch verletzt wurde, wie der Beschwerdeführer
einwendet, ist nach dem soeben Dargelegten (E. 3.1), nicht ersichtlich. Weiter
ist der in der Beschwerde erhobene Vorwurf aktenwidrig, die Kasse hätte es
unterlassen, auf die drohende Rückerstattungspflicht hinzuweisen. Der
Beschwerdeführer wurde vielmehr mehrfach auf die drohenden Rechtsfolgen
aufmerksam gemacht und im Schreiben vom 6. Juni 2007 hielt die
Arbeitslosenkasse ausdrücklich fest, dass ohne die geforderten Unterlagen der
Taggeldanspruch nicht geprüft werden könnte und somit die Anspruchsberechtigung
verneint werden würde, was die Rückforderung der bereits ausbezahlten Taggelder
in der Zeit vom 30. Mai 2005 bis 30. September 2006 zur Folge hätte. Dass die
Verwaltung den Beschwerdeführer vor Verfügungserlass nicht persönlich
vorgeladen hat, verletzt weder das rechtliche Gehör noch den
Untersuchungsgrundsatz. Was schliesslich die behauptete Gutgläubigkeit während
des Leistungsbezugs angeht, so betrifft dies nicht die Frage der Zulässigkeit
einer Rückforderung, sondern diejenige des guten Glaubens, die erst im
allenfalls nachfolgenden Erlassverfahren (Art. 4 ATSV) zu prüfen sein wird
(Art. 25 Abs. 1 Satz 2 ATSG).

4.
Die Gerichtskosten werden dem Beschwerdeführer als unterliegender Partei
auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen, dem Amt für Arbeit des Kantons St. Gallen und dem Staatssekretariat für
Wirtschaft schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 6. Februar 2009
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Polla