Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.534/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_534/2008

Urteil vom 17. Dezember 2008
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterinnen Widmer, Leuzinger,
Gerichtsschreiberin Schüpfer.

Parteien
Y._________, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Advokat Dr. Matthias Aeberli, Freie Strasse 82, 4010 Basel,

gegen

IV-Stelle Basel-Stadt, Lange Gasse 7,
4052 Basel, Beschwerdegegnerin,

Basler Versicherungs-Gesellschaft, Aeschengraben 21, 4051 Basel.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt
vom 2. April 2008.

Sachverhalt:

A.
Die 1962 geborene Y._________ ist verheiratet und Mutter von mehreren Kindern.
Geboren und aufgewachsen in der Türkei, folgte sie 1988 ihrem Ehemann in die
Schweiz und war hier in verschiedenen Tätigkeiten beschäftigt. Zuletzt
arbeitete sie von 1999 bis zum 23. März 2003 in einem Pensum von 90 % als
Betreuerin im Altersheim T.________. Vom 24. März bis 20. Mai 2003 war sie in
der psychiatrischen Klinik X.________ hospitalisiert. Eine weitere stationäre
Behandlung wurde vom 5. Juni bis 24. Oktober 2003 an der Psychiatrischen Klinik
Z._________ durchgeführt, in deren Depressionsabteilung die Versicherte auch
vom 20. April bis 8. Juni 2004 weilte. Das Arbeitsverhältnis im Altersheim
wurde auf Ende September 2003 aufgelöst. Y._________ nahm keine weitere
Erwerbstätigkeit auf. Am 2. April 2004 meldete sie sich infolge seit März 2003
bestehender psychischer Beschwerden bei der IV-Stelle Basel-Stadt zum Bezug
einer Invalidenrente an. Nach verschiedenen Abklärungen, insbesondere einer
interdisziplinären Begutachtung durch den Psychiater Dr. med. S._________ und
den Rheumatologen Dr. med. B._________ sprach die IV-Stelle der Versicherten
mit Verfügung vom 15. August 2007 für die befristete Dauer vom 1. März bis 30.
Juni 2004 eine ganze Invalidenrente zu.

B.
Das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt wies die dagegen erhobene
Beschwerde, mit welcher beantragt worden war, die Verfügung vom 15. August 2007
sei insoweit aufzuheben, als die ganze Rente befristet wurde, ab (Entscheid vom
2. April 2008).

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt Y._________
beantragen, ihr sei unter Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheids auch ab
1. Juli 2004 eine ganze Invalidenrente auszurichten.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen lässt sich nicht vernehmen.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat. Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes
wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf
einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2
BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Es darf nicht über die Begehren der Parteien hinausgehen (Art. 107 Abs. 1
BGG) und prüft grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht
gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen
Fragen zu prüfen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden.
Es kann die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem
Recht nur insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht
und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).

2.
Streitig und zu prüfen ist, ob der Anspruch der Beschwerdeführerin auf eine
Invalidenrente zu Recht auf den 30. Juni 2004 befristet wurde.

2.1 Die streitige Verfügung datiert vom 15. August 2007, weshalb die am 1.
Januar 2008 in Kraft getretenen Änderungen des IVG vom 6. Oktober 2006 und der
IVV vom 28. September 2007 (5. IV-Revision) nicht anwendbar sind (BGE 131 V 329
E. 4.6 S. 337).

2.2 Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über die Invalidität
(Art. 8 Abs. 1 ATSG; Art. 4 Abs. 1 IVG), die Invaliditätsbemessung bei
erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG;
Art. 28 Abs. 2 IVG) und bei zusätzlich in einem anderen Aufgabenbereich Tätigen
nach der gemischten Methode (Art. 28 Abs. 2ter IVG), die Voraussetzungen und
den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG in der seit 1. Januar 2004
geltenden Fassung), die Ermittlung des ohne Invalidität erzielbaren Einkommens
(Valideneinkommen; BGE 129 V 222 E. 4.3.1 S. 224 mit Hinweis) sowie die
Bestimmung des trotz Gesundheitsschädigung zumutbarerweise noch erzielbaren
Einkommens (Invalideneinkommen) nach den vom Bundesamt für Statistik in der
Lohnstrukturerhebung (LSE) ermittelten Tabellenlöhnen (BGE 129 V 472 E. 4.2.1
S. 475 und E. 4.2.3 S. 481) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

2.3 Zu ergänzen ist, dass die rückwirkend ergangene Verfügung über eine
befristete oder im Sinne einer Reduktion abgestufte Invalidenrente einerseits
die Zusprechung der Leistung und andererseits deren Aufhebung oder Herabsetzung
umfasst. Letztere setzt voraus, dass Revisionsgründe (Art. 17 Abs. 1 ATSG; BGE
113 V 273 E. 1a S. 275 mit Hinweisen) vorliegen, wobei der Zeitpunkt der
Aufhebung oder Herabsetzung nach Massgabe des analog anwendbaren (AHI 1998 S.
119 E. 1b mit Hinweisen) Art. 88a IVV festzusetzen ist (vgl. BGE 121 V 264 E.
6b/dd S. 275 mit Hinweis). Ob eine für den Rentenanspruch erhebliche Änderung
des Invaliditätsgrades eingetreten und damit der für die Befristung oder
Abstufung erforderliche Revisionsgrund gegeben ist, beurteilt sich in dieser
Konstellation durch Vergleich des Sachverhalts im Zeitpunkt der
Rentenzusprechung oder des Rentenbeginns mit demjenigen zur Zeit der Aufhebung
bzw. Herabsetzung der Rente (BGE 125 V 413 E. 2d S. 418 am Ende, 368 E. 2 S.
369, 113 V 273 E. 1a S. 275, 109 V 262 E. 4a S. 265, je mit Hinweisen). In
anfechtungs- und streitgegenständlicher Hinsicht ist es irrelevant, ob eine
rückwirkende Zusprechung einer abgestuften und/ oder befristeten Invalidenrente
in einer oder in mehreren Verfügungen gleichen Datums eröffnet wird. Es gelten
die Grundsätze gemäss BGE 125 V 413 (BGE 131 V 164 E. 2.3.4 S. 166).

3.
Die aufgrund medizinischer Untersuchungen gerichtlich festgestellte Arbeits(un)
fähigkeit ist Entscheidung über eine Tatfrage. Tatfrage ist weiter, in welchem
Umfang eine versicherte Person vom funktionellen Leistungsvermögen und vom
Vorhandensein bzw. von der Verfügbarkeit psychischer Ressourcen her eine
(Rest-)Arbeitsfähigkeit aufweist und ihr die Ausübung entsprechend profilierter
Tätigkeiten zumutbar ist, es sei denn, andere als medizinische Gründe stünden
der Bejahung der Zumutbarkeit im Einzelfall in invalidenversicherungsrechtlich
erheblicher Weise entgegen. Soweit die Beurteilung der Zumutbarkeit von
Arbeitsleistungen auf die allgemeine Lebenserfahrung gestützt wird, geht es um
eine Rechtsfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.). Die Beachtung des
Untersuchungsgrundsatzes sowie der Beweiswürdigungsregeln nach Art. 43 Abs. 1
und Art. 61 lit. c ATSG ist Rechtsfrage. Die konkrete Beweiswürdigung wie auch
die antizipierte Beweiswürdigung (als Teil derselben) betreffen Tatfragen.

4.
4.1 Das kantonale Gericht hat in einlässlicher Würdigung der medizinischen
Akten festgestellt, dass die Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin ein Jahr
nach der ersten Hospitalisation ab März 2003 bis Ende Juni 2004 wesentlich
herabgesetzt war. Ab Juli 2004, nach Entlassung aus der Psychiatrischen Klinik
Z._______, sei sie hingegen für leidensangepasste Tätigkeiten wieder zu sechs
Stunden täglich einsetzbar.

4.2 Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringen lässt, vermag diese
Tatsachenfeststellungen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397) weder als offensichtlich
unrichtig noch sonstwie bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen. Das gilt
insbesondere auch für die Argumentation, die behandelnden Ärzte schätzten die
Arbeitsunfähigkeit der Beschwerdeführerin höher ein als die Gutachter, auf
deren Einschätzung der vorinstanzliche Entscheid beruht. Das kantonale Gericht
hat insbesondere auch überzeugend erklärt, dass ab Mitte Juni 2004 insofern
eine Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten ist, als die
Beschwerdeführerin zu jenem Zeitpunkt aus der Hospitalisation entlassen wurde,
während welcher tatsächlich eine volle Arbeitsunfähigkeit bestand, was auch mit
der Zusprechung der befristeten ganzen Rente anerkannt worden war. Soweit die
Beschwerdeführerin die bereits im vorinstanzlichen Verfahren erhobenen und vom
kantonalen Gericht mit zutreffender Begründung entkräfteten Vorbringen
wiederholt, wird auf den angefochtenen Entscheid verwiesen. Insoweit
vorgebracht wird, der Gesundheitszustand habe sich in der Zwischenzeit wieder
verschlechtert, ist dieser Sachverhalt nicht im vorliegenden Verfahren zu
prüfen, da darüber noch nicht verfügt wurde. Anzumerken bleibt, dass entgegen
der Darstellung in der Beschwerde weder die Vorinstanz noch die IV-Stelle in
der Bemessung des Invaliditätsgrades davon ausgegangen sind, die
Beschwerdeführerin sei weiter als Pflegehilfe tätig. Vielmehr ist das
Invalideneinkommen aufgrund statistischer Werte für Durchschnittslöhne
weiblicher Hilfskräfte ermittelt worden, welche auch mit einer dem
Gesundheitszustand (Adipositas per magna und Kniebeschwerden) angepassten
sitzenden Tätigkeit erzielt werden können.

4.3 Schliesslich lässt die Beschwerdeführerin vorbringen, es sei zu Unrecht
kein sogenannter leidensbedingter Abzug von dem nicht grundsätzlich
beanstandeten hypothetischen Invalideneinkommen vorgenommen worden. Konkret
macht sie einen solchen von 25 % geltend.
4.3.1 Die Frage, ob ein Abzug nach Massgabe der Grundsätze von BGE 126 V 75
vorzunehmen sei, ist rechtlicher Natur, die Bestimmung eines solchen Abzuges
dagegen Ermessensfrage, die im Gegensatz zum früheren Recht (vgl. Art. 104 lit.
c OG) nicht zu prüfen ist (Art. 95 und 97 BGG). Gerügt werden kann die Höhe des
Abzuges im Hinblick auf Ermessensüberschreitung oder -missbrauch als Formen
rechtsfehlerhafter (Art. 95 lit. a BGG) Ermessensbetätigung (132 V 393 E. 3.3
S. 399).
4.3.2 Die Vorinstanz hat die Frage, ob es grundsätzlich gerechtfertigt sei
einen Abzug vorzunehmen, offengelassen und dargelegt, dass ein solcher
höchstens 10 % betragen könne, was ab Juli 2004 zu einem nicht
rentenbegründenden Invaliditätsgrad von 32 % führen würde. Die
Beschwerdeführerin hat nicht dargelegt, inwiefern darin eine rechtsfehlerhafte
Ermessensbetätigung liegt. Damit bleibt es bei der bis Juni 2004 befristeten
Rente. Die Beschwerde wird abgewiesen.

5.
Die Gerichtskosten werden der Beschwerdeführerin als unterliegender Partei
auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt,
der Ausgleichskasse Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherungen
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 17. Dezember 2008
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Schüpfer