Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.529/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_529/2008

Urteil vom 19. Dezember 2008
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterinnen Widmer, Leuzinger,
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold.

Parteien
M.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch
Rechtsanwalt Urs Schaffhauser, Seidenhofstrasse 14, 6003 Luzern,

gegen

IV-Stelle des Kantons Aargau, Kyburgerstrasse 15, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom
12. März 2008.

Sachverhalt:

A.
M.________, geboren 1959, ist verheiratet und Mutter eines 1987 geborenen
Kindes. Am 10. Juli 1996 erlitt sie einen schweren Unfall. In der Folge konnte
sie ihre Tätigkeit als Kursleiterin bei der Schule X.________ wieder aufnehmen.
Nachdem sie einen Rückfall erlitten hatte, sprach ihr der zuständige
Unfallversicherer am 13. Oktober 2004 eine Invalidenrente bei einem
Invaliditätsgrad von 60 % und eine Integritätsentschädigung bei einer Einbusse
der Integrität von 50 % zu. Am 11. Juli 1997 ersuchte sie um Leistungen der
Invalidenversicherung. Die IV-Stelle des Kantons Aargau (nachfolgend:
IV-Stelle) lehnte dies am 22. Mai 2000 ab. Mit Verfügung vom 8. April 2003,
bestätigt mit Einspracheentscheid vom 3. Februar 2004, trat sie auf eine
Neuanmeldung nicht ein. In Gutheissung der dagegen erhobenen Beschwerde ordnete
das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 8. Juni 2004 die
Rückweisung der Sache zur materiellen Abklärung an. Dr. med. W.________, RAD,
zweifelte am 6. April 2006 die Diagnose im Gutachten des Medizinischen Zentrums
Y.________ vom 5. Januar 2006 an und ersuchte das Medizinische Zentrum
Y.________ um Ergänzung. Die begutachtenden Ärzte präzisierten ihre
Schlussfolgerungen dahingehend, dass sie an der Diagnose nicht mehr
festhielten, aber die attestierte Arbeitsunfähigkeit von 60 % mit Zusatzbericht
vom 14. Juli 2006 bestätigten. Nachdem die IV-Stelle mit Vorbescheid vom 24.
Juli 2006 mitgeteilt hatte, M.________ habe ab 1. Februar 2001 Anspruch auf
eine halbe Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 50 %, liess diese am
13. September 2006 geltend machen, ihr stehe auf Grund ihrer vollen
Arbeitsunfähigkeit seit Dezember 2005 ab März 2006 eine ganze Invalidenrente
zu. Mit Verfügung vom 9. November 2006 sprach die IV-Stelle M.________ eine
halbe Invalidenrente ab 1. Februar 2001 zu. Ihr Hausarzt, Dr. med. L.________,
Facharzt für Allgemeine Medizin, bestätigte am 21. November 2006 und 16. Januar
2007 eine volle Arbeitsunfähigkeit seit Dezember 2005. Mit Vorbescheid vom 5.
Februar 2007 teilte die IV-Stelle M.________ mit, gestützt auf die Berichte des
Dr. med. L.________ rechtfertige sich keine Erhöhung der Invalidenrente.
Nachdem M.________ dagegen hatte Einwände erheben lassen, ersuchte die
IV-Stelle Dr. med. G.________, Facharzt für Rheumatologie, RAD, um eine
Stellungnahme. Gestützt auf dessen Bericht vom 25. April 2007 lehnte die
IV-Stelle mit Verfügung vom 30. April 2007 eine Erhöhung der Rente ab.

B.
Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau wies die dagegen erhobene
Beschwerde mit Entscheid vom 12. März 2008 ab.

C.
M.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, es seien der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und die
IV-Stelle zu verpflichten, ihr ab 1. Februar 2001 eine halbe und ab 1. März
2006 eine ganze Invalidenrente auszurichten. Eventualiter sei die Sache zur
Neuentscheidung und Vornahme weiterer Abklärungen, insbesondere in
neurologischer, neuropsychologischer und psychiatrischer Hinsicht, an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der
Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine
Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. zur
Invaliditätsbemessung auch BGE 132 V 393).

2.
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über das zeitlich anwendbare
Recht (BGE 132 V 215 E.3.1.1 S. 220 mit Hinweis), die Begriffe der Invalidität
(Art. 4 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 ATSG), der
Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG in der bis 31. Dezember 2007 geltenden Fassung)
und der Arbeitsunfähigkeit (Art. 6 ATSG), die Voraussetzungen der Revision
einer Invalidenrente (Art. 17 ATSG; BGE 133 V 108 E. 5.2 S. 111, 130 V 343 E.
3.5 S. 349, je mit Hinweisen) und der dabei zu vergleichenden Sachverhalte (BGE
133 V 108 E. 5.4 S. 114, 130 V 343 E. 3.5.2 S. 351, je mit Hinweisen)
zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt für den Untersuchungsgrundsatz (Art. 43
Abs. 1 und Art. 61 lit. c ATSG), die Aufgabe des Arztes bei der Ermittlung des
Invaliditätsgrades (BGE 132 V 93 E. 4 S. 99 mit Hinweisen) und die
Anforderungen an einen ärztlichen Bericht sowie dessen beweisrechtliche
Würdigung (BGE 125 V 351 E. 3 S. 352 mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen.

3.
Die Versicherte macht geltend, die IV-Stelle habe gegen das Vertrauensprinzip
verstossen, indem sie am 9. November 2006 eine Verfügung erliess, obwohl sie
beim Hausarzt noch einen Bericht zur Verschlechterung des Gesundheitszustandes
eingefordert hatte. Zudem rügt sie eine offensichtlich unrichtige
Sachverhaltsfeststellung sowie eine bundesrechtswidrige Beweiswürdigung.

4.
Die Vorinstanz hat mit einlässlicher und überzeugender Begründung gestützt auf
das Gutachten des Medizinischen Zentrums Y.________ vom 5. Januar 2006 und den
Zusatzbericht vom 14. Juli 2006 in für das Bundesgericht verbindlicher Weise
(E. 1) festgestellt, dass keine rechtserhebliche gesundheitliche Veränderung
mit einhergehender erhöhter Arbeitsunfähigkeit ab Dezember 2005 ausgewiesen
ist. Sie hat insbesondere zutreffend erkannt, dass die beiden Berichte des Dr.
med. L.________ vom 21. November 2006 und 16. Januar 2007 nicht geeignet sind,
eine über die Feststellungen des Medizinischen Zentrums Y.________
hinausgehende Arbeitsunfähigkeit infolge Verschlechterung des
Gesundheitszustandes zu belegen. Entgegen den Ausführungen der Versicherten war
für die Beweiswürdigung der Berichte des Dr. med. L.________ nicht der Umstand
massgebend, dass er Allgemeinmediziner ist; ins Gewicht fiel vielmehr, dass er
als Hausarzt in einem besonderen Vertrauensverhältnis zur Versicherten steht,
weshalb rechtsprechungsgemäss im Zweifelsfall seinen Aussagen nicht zu folgen
ist (BGE 125 V 351 E. 3b/cc S. 353 mit Hinweisen), und dass seine äusserst
knapp gehaltenen Berichte nicht darzutun vermögen, der Gesundheitszustand habe
sich gegenüber jenem bei Begutachtung durch das Medizinische Zentrum Y.________
verschlimmert. Der Umstand, dass die Gutachter des Medizinischen Zentrums
Y.________ ihre Diagnosen auf Nachfrage des RAD-Arztes überprüften und
abänderten, vermag das Gutachten des Medizinischen Zentrums Y.________
ebenfalls nicht in Zweifel zu ziehen, da die Gutachter mit Zusatzbericht vom
14. Juli 2006 an den inhaltlichen Schlussfolgerungen (Auswirkungen der
Beschwerden, zumutbare Arbeitsfähigkeit) festhielten und überzeugend darlegten,
dass sie auf Grund vorbestehender Arztberichte jene Diagnose stellten. Nicht zu
beanstanden ist, dass die Vorinstanz keine zusätzlichen medizinischen
Abklärungen veranlasste, erachtete doch selbst Dr. med. L.________ die
Einholung weiterer Gutachten als wenig sinnvoll (vgl. Bericht vom 21. November
2006). Nach dem Gesagten haben Vorinstanz und Verwaltung zu Recht eine Erhöhung
der Invalidenrente abgelehnt. Daran ändert auch der Einwand nichts, die
IV-Stelle habe gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossen, indem sie
nach der Stellungnahme des Rechtsvertreters zum Vorbescheid vom 24. Juli 2006
mit dem Erlass der Verfügung nicht zugewartet habe. Einerseits liess die
Versicherte mehrmals auf einen unverzüglichen Erlass der Rentenverfügung
drängen (vgl. Schreiben vom 31. Mai und 14. Juni 2006). Andererseits hat die
IV-Stelle zutreffend festgehalten, dass der Versicherten auch rückwirkend eine
höhere Rente zugesprochen würde, sofern die geltend gemachte vollständige
Arbeitsunfähigkeit seit Dezember 2005 medizinisch ausgewiesen sei. Denn die
Herauf- oder Herabsetzung von Invalidenrenten untersteht auch bei der
Zusprechung abgestufter Renten in derselben Verfügung stets den
Revisionsvoraussetzungen (vgl. Urteil I 262/06 vom 16. Oktober 2006, E. 2.2 und
2.3, je mit Hinweisen). Nachdem die behauptete Verschlechterung des
Gesundheitszustandes mit voller Arbeitsunfähigkeit nicht belegt werden konnte,
hätte auch ein Zuwarten mit dem Erlass der (erstmaligen) Rentenverfügung an
deren Höhe ab Dezember 2005 nichts geändert.

5.
Das Verfahren ist kostenpflichtig. Die unterliegende Versicherte hat die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau,
der Ausgleichskasse X.________ und dem Bundesamt für Sozialversicherungen
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 19. Dezember 2008

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Riedi Hunold