Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.51/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_51/2008

Urteil vom 1. Juli 2008
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiber Holzer.

Parteien
S.________, Beschwerdeführerin,
vertreten durch B.________,

gegen

AXA Winterthur, General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur, Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn
vom 23. November 2007.

Sachverhalt:

A.
Die 1980 geborene S.________ war als Pflegeassistentin der Genossenschaft
X.________ bei den Winterthur Versicherungen (heute: AXA Winterthur) gegen die
Folgen von Unfällen versichert, als sie am 28. Mai 2001 auf einer Treppe
stürzte und sich am linken Sprungbein verletzte. Die Versicherung anerkannte
ihre Leistungspflicht und erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Mit Schreiben
vom 26. August 2004 und vom 4. November 2005 machte die Winterthur die
Versicherte auf ihre Mitwirkungspflichten aufmerksam und drohte ihr eine
Einstellung bzw. Kürzung der Taggeldleistungen an, sollte sie diesen weiterhin
nicht nachkommen. Mit Verfügung vom 16. Dezember 2005 stellte die Versicherung
ihre Taggeldleistungen per 2. März 2006 ein, verneinte den Anspruch der
Versicherten auf eine Rente und sprach ihr eine Integritätsentschädigung von
Fr. 16'020.- zu. Die eingeschriebene Postsendung mit dieser Verfügung, welche
die Versicherung am 19. Dezember 2005 der Post übergab, wurde von der
Versicherten nicht abgeholt. Am 10. Januar 2006 liess die Winterthur die
Verfügung vom 16. Dezember 2005 der Versicherten mit gewöhnlicher Post
zukommen, wobei sie im Begleitbrief ausdrücklich darauf aufmerksam machte, dass
die Rechtsmittelfrist bereits mit dem Nichtabholen der ersten Sendung ausgelöst
worden sei. Auf die von der Versicherten daraufhin erhobene Einsprache vom 9.
Februar 2006 trat die Winterthur mit Entscheid vom 21. Juli 2006 nicht ein, da
sie verspätet erhoben worden sei.

B.
Die von S.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht
des Kantons Solothurn mit Entscheid vom 23. November 2007 ab.

C.
Mit Beschwerde beantragt S.________, die AXA Winterthur sei unter Aufhebung des
Einsprache- und des kantonalen Gerichtsentscheides zu verpflichten, auf die
Einsprache vom 9. Februar 2006 einzutreten.
Während die AXA Winterthur auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet
das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
1.1 Streitig und zu prüfen ist die Rechtzeitigkeit der Einsprache der
Versicherten vom 9. Februar 2006. Die Beschwerde richtet sich somit nicht gegen
einen Entscheid über Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der
Militär- oder der Unfallversicherung (Urteil 8C_236/2007 vom 23. Januar 2008,
E. 1; vgl. auch BGE 130 V 560 E. 1 S. 561), weshalb die Feststellung des
Sachverhalts nur gerügt werden kann, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG); im Übrigen ist das Bundesgericht an die vorinstanzliche
Sachverhaltsfeststellung gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG).

1.2 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente
noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus
einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer
von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE
130 III 136 E. 1.4 S. 140). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche
Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen, wenn diese vor
Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden.

2.
2.1 Über Leistungen, Forderungen und Anordnungen, die erheblich sind oder mit
denen die betroffene Person nicht einverstanden ist, hat der
Versicherungsträger gemäss Art. 49 Abs. 1 ATSG schriftlich Verfügungen zu
erlassen. Nach Art. 52 Abs. 1 ATSG kann gegen Verfügungen innerhalb von 30
Tagen bei der verfügenden Stelle Einsprache erhoben werden. Berechnet sich eine
Frist nach Tagen oder Monaten und bedarf sie der Mitteilung an die Parteien, so
beginnt sie am Tag nach ihrer Mitteilung zu laufen (Art. 38 Abs. 1 ATSG).

2.2 Erfolgt der Versand der Verfügung per eingeschriebener Post, so gilt sie
grundsätzlich in jenem Zeitpunkt als mitgeteilt, in welchem der Adressat die
Sendung tatsächlich in Empfang nimmt. Verläuft der Zustellversuch der Post
erfolglos, so gilt die Sendung jedoch am letzten Tag der siebentägigen
Abholungsfrist als zugestellt (BGE 119 V 89 E. 4b/aa S. 94, Ueli Kieser,
ATSG-Kommentar, Zürich 2003, N. 8 zu Art. 38 ATSG; dieser Grundsatz wurde
nunmehr in dem am 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Art. 38 Abs. 2bis ATSG
kodifiziert). Ein allfälliger zweiter Versand und die spätere Entgegennahme der
Sendung vermögen an diesem Ergebnis grundsätzlich nichts zu ändern.
Voraussetzung für diese Zustellfiktion ist allerdings, dass die Zustellung
eines behördlichen Aktes während der Abwesenheit mit einer gewissen
Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und ein Prozessrechtsverhältnis besteht,
welches die Parteien verpflichtet, sich nach Treu und Glauben zu verhalten,
d.h. unter anderem dafür zu sorgen, dass ihnen Entscheide, welche das Verfahren
betreffen, zugestellt werden können (BGE 119 V 89 E. 4b/aa S. 94; vgl. auch BGE
130 III 396 E. 1.2.3 S. 399).

2.3 Die Versicherten und ihre Arbeitgeber haben beim Vollzug der
Sozialversicherungsgesetze unentgeltlich mitzuwirken (Art. 28 Abs. 1 ATSG). Wer
Versicherungsleistungen beansprucht, muss gemäss Art. 28 Abs. 2 ATSG
unentgeltlich alle Auskünfte erteilen, die zur Abklärung des Anspruchs und zur
Festsetzung der Versicherungsleistungen erforderlich sind.

3.
3.1 Es ist zu Recht unbestritten, dass die Einsprache der Beschwerdeführerin
vom 9. Februar 2006 dann verspätet war, wenn sie sich den ersten Zustellversuch
der Verfügung mittels eingeschriebenem Brief (Postaufgabe: 19. Dezember 2005,
Ablauf der Abholfrist: 28. Dezember 2005) entgegenhalten lassen muss.

3.2 Aus den Akten geht hervor, dass sie der Beschwerdegegnerin mit
Unfallmeldung vom 11. Juni 2001 einen Unfall meldete und damit um Leistungen
der Unfallversicherung ersuchte. Während einer Besprechung mit der Versicherten
und ihrer damaligen anwaltlichen Vertretung beklagte ihr Case Manager am 3.
Juni 2004 eine mangelnde Kooperation der Beschwerdeführerin. Am 26. August 2004
wurde die Versicherte schriftlich auf ihre Mitwirkungspflichten aufmerksam
gemacht. In der Folge scheint sich die Zusammenarbeit zunächst verbessert zu
haben, am 4. November 2005 sah sich die Winterthur allerdings erneut
veranlasst, die Versicherte auf ihre gesetzlichen Mitwirkungspflichten
hinzuweisen. Dieses Schreiben wurde von der Post als nicht abgeholt
retourniert. Nach einem Gespräch zwischen dem Case Manager und der Versicherten
in der Woche vom 28. November 2005 drohte dieser mit Schreiben vom 8. Dezember
2005, sein Mandat niederzulegen, sollte sie sich nicht umgehend bei ihm melden.
Eine Reaktion der Versicherte unterblieb. Angesichts dieser Vorgeschichte hat
die Vorinstanz zutreffend erwogen, dass die Beschwerdeführerin, welche
verpflichtet war, sich gegenüber ihrer Unfallversicherung nach Treu und Glauben
zu verhalten, mit der Zustellung einer Mitteilung der Versicherung rechnen
musste (vgl. die Urteile U 195/96 vom 11. März 1997, E. 2c und I 680/05 vom 8.
Mai 2006, E. 2). Was die Versicherte dagegen vorbringt, vermag daran nichts zu
ändern. Insbesondere ist nicht erheblich, ob sie die Zustellung einer
leistungseinstellenden Verfügung erwarten musste. Entscheidend ist nur, dass
sie im Dezember 2005 davon ausgehen musste, eine Mitteilung ihrer
Unfallversicherung zu erhalten. Da dies bei der Beschwerdeführerin zutrifft,
muss sie sich die Zustellungsfiktion entgegenhalten lassen.

3.3 Da die Einsprache vom 9. Februar 2006 somit verspätet erfolgte, ist die
Beschwerdegegnerin zu Recht nicht auf sie eingetreten. Die Beschwerde ist
abzuweisen.

4.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten der
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn
und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 1. Juli 2008

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung Holzer