Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.502/2008
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008


Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_502/2008

Urteil vom 14. April 2009
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiberin Weber Peter.

Parteien
L.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Philip Stolkin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Freiburg,
route du Mont-Carmel 5, 1762 Givisiez,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des
Kantonsgerichts Freiburg
vom 8. Mai 2008.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 20. April 2004 sprach die IV-Stelle des Kantons Freiburg dem
1957 geborenen L.________, angelernter Schweisser und Forstwart, der sich am 4.
November 2003 unter Hinweis auf diverse Beschwerden zum Leistungsbezug (Rente)
bei der Invalidenversicherung angemeldet hatte, nach verschiedenen
medizinischen Abklärungen basierend auf einem Invaliditätsgrad von 64 % für die
Monate November und Dezember 2003 eine halbe und ab 1. Januar 2004 eine
Dreiviertelsrente zu. Die dagegen erhobene Einsprache wies sie nach Beizug
eines polydisziplinären Gutachtens des Instituts X.________ vom 16. September
2005 ab (Einspracheentscheid vom 10. Februar 2006).

B.
Das Kantonsgericht Freiburg, Sozialversicherungsgerichtshof, wies die dagegen
erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 8. Mai 2008 ab.

C.
Der Versicherte lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
führen mit den Rechtsbegehren, in Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides
und des Einspracheentscheides sei ihm eine Invalidenrente auf der Basis von
mindestens 80 % zuzusprechen. Zudem sei die Vorinstanz zu verpflichten, dem
beschwerdeführenden Anwalt eine Entschädigung von mindestens Fr. 2000.- für
seine Aufwendungen zu entrichten. Ferner wird um Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht.

Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.

D.
Mit Schreiben vom 21. August 2008 wurde das Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege zufolge Kostengutsprache durch die Rechtsschutzversicherung wieder
zurückgezogen.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes
wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2
BGG). Mit Blick auf diese Kognitionsregelung ist auf Grund der Vorbringen in
der Beschwerde ans Bundesgericht zu prüfen, ob der angefochtene kantonale
Gerichtsentscheid in der Anwendung der massgeblichen materiell- und
beweisrechtlichen Grundlagen (u.a.) Bundesrecht verletzt (Art. 95 lit. a BGG),
einschliesslich einer allfälligen rechtsfehlerhaften Tatsachenfeststellung
(Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). Hingegen hat unter der Herrschaft des
BGG eine freie Überprüfung des vorinstanzlichen Entscheids in tatsächlicher
Hinsicht zu unterbleiben (ausser wenn sich die Beschwerde gegen einen Entscheid
über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder
Unfallversicherung richtet; Art. 97 Abs. 2 BGG).

2.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze über den Anspruch auf
eine Invalidenrente (Art. 28 Abs. 1 IVG in der bis Ende 2003 gültig gewesenen
und in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung) und die Invaliditätsbemessung
bei Erwerbstätigen nach der Einkommensvergleichsmethode (bis Ende 2002: Art. 28
Abs. 2 IVG; während des Jahres 2003: Art. 16 ATSG; seit 1. Januar 2004: Art. 28
Abs. 2 IVG in Verbindung mit Art. 16 ATSG; BGE 130 V 343 E. 3.4 S. 348, 128 V
29 E. 1 S. 30) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt für die Ausführungen über
den Beweiswert und die Beweiswürdigung medizinischer Berichte und Gutachten
(BGE 125 V 351 E. 3 S. 352 ff.). Darauf wird verwiesen.

3.
3.1 Streitig und zu prüfen ist der Rentenanspruch des Versicherten und dabei
namentlich das durch die Vorinstanz dem Einkommensvergleich zu Grunde gelegte
Invalideneinkommen.

3.2 Auf der nichtmedizinischen beruflich-erwerblichen Stufe der
Invaliditätsbemessung charakterisieren sich als Rechtsfragen die gesetzlichen
und rechtsprechungsgemässen Regeln über die Durchführung des
Einkommensvergleichs (BGE 130 V 343 E. 3.4 S. 348 f., 128 V 29 E. 1 S. 30 f.,
104 V 135 E. 2a und b S. 136 f.), einschliesslich derjenigen über die Anwendung
der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung/LSE (BGE 129 V 472 E. 4.2.1 S. 475 f.,
126 V 75 E. 3b/bb S. 76 f., 124 V 321 E. 3b/aa S. 322 f.) und der Dokumentation
von Arbeitsplätzen/DAP (BGE 129 V 472). In dieser Sicht stellt sich die
Feststellung der beiden hypothetischen Vergleichseinkommen als Tatfrage dar,
soweit sie auf konkreter Beweiswürdigung beruht, hingegen als Rechtsfrage,
soweit sich der Entscheid nach der allgemeinen Lebenserfahrung richtet. Letztes
betrifft etwa die Frage, ob Tabellenlöhne anwendbar sind, welches die
massgebliche Tabelle ist und ob ein (behinderungsbedingt oder anderweitig
begründeter) Leidensabzug vorzunehmen sei. Demgegenüber beschlägt der Umgang
mit den Zahlen in der massgeblichen LSE-Tabelle und in den
Arbeitsplatznachweisen der DAP Tatfragen (BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399).

4.
Was zunächst die gesundheitliche Beeinträchtigung und die daraus resultierende
Arbeitsunfähigkeit anbelangt, stützte sich das kantonale Gericht auf das
polydisziplinäre Gutachten des Instituts X.________ vom 16. September 2005, dem
es zu Recht vollen Beweiswert zuerkannte (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352). Gemäss
diesem Gutachten ist beim Beschwerdeführer von einer morbiden Adipositas, einem
metabolischen Syndrom, einer gemischten Ventilationsstörung, einem leicht bis
mässig ausgeprägten Zervikalsyndrom mit leichter bis mässiger, schmerzhafter
Funktionseinschränkung sowie einem mässigen, rechtsbetonten
Lumbovertebralsyndrom auszugehen. Es liegt seit dem November 2002 eine volle
Arbeitsunfähigkeit für körperlich schwere und überwiegend mittelschwere
Tätigkeiten vor. Rein medizinisch-theoretisch sei dem Versicherten eine maximal
halbtägige Arbeitsfähigkeit zumutbar. Im aktuellen medizinischen Stand, solange
der Versicherte eine derart massive Adipositas mit den Co-Morbiditäten
aufweise, bestehe eine zusätzliche Leistungseinbusse, so dass insgesamt eine
maximal 30%ige Restarbeitsfähigkeit vorliege für körperlich leichte bis selten
mittelschwere, adaptierte Tätigkeiten.

5.
5.1 Im Rahmen der Invaliditätsbemessung ging die Vorinstanz von einem
unbestrittenen Valideneinkommen von Fr. 61'304.- (im Jahr 2004) aus. Bezüglich
des Invalideneinkommens stützte sie sich auf die Tabellenlöhne gemäss
Schweizerischen Lohnstrukturerhebungen (LSE 2004) und ging dabei abweichend von
der IV-Stelle, in Anwendung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 129 V
472 E. 4.3.2 S. 483; RKUV 2001 Nr. U 439 S. 347, U 240/99) von einem
durchschnittlichen monatlichen Bruttolohn (Total) für Männer bei einfachen und
repetitiven Tätigkeiten (Anforderungsniveau 4) im privaten Sektor (LSE 2004,
Tabelle TA1) aus, was Fr. 4'588.- ergab. Diesen Betrag passte sie der
durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 41,7 Stunden an, und
errechnete ein jährliches Einkommen von Fr. 57'396.- (12 x 4'783.-), was nicht
zu beanstanden ist und vom Beschwerdeführer auch nicht gerügt wird. In der
Folge erwog sie in Analogie zum Einspracheentscheid, dass daraus bei einer
50%igen Tätigkeit ein Jahreslohn von Fr. 28'698.- resultiere. Unter
Berücksichtigung einer 20 % Leistungseinschränkung sowie einer zusätzlichen
Reduktion von 10 % für leichte Tätigkeiten ergebe dies einen Jahreslohn von Fr.
20'662.55. Demnach entspreche der durch den Gesundheitsschaden verursachte
Erwerbsverlust Fr. 40'641.45, was einen Invaliditätsgrad von 66 % ergebe. Als
Folge davon verneinte sie einen Anspruch des Versicherten auf eine ganze
Invalidenrente.

5.2 Der Beschwerdeführer sieht in dieser Vorgehensweise zu Recht eine
Verletzung von Bundesrecht. Indem die Vorinstanz bei der Ermittlung des
hypothetischen Invalideneinkommens nicht die ausgewiesene Restarbeitsfähigkeit
von 30 % (vgl. E. 5 vorne) berücksichtigte - welche der Versicherte aufgrund
der massiven Adipositas aktuell aufwies -, ist ihr eine rechtsfehlerhafte, da
offensichtlich unrichtige Feststellung des hypothetischen Invalideneinkommens
vorzuwerfen, woran das Bundesgericht nicht gebunden ist. Wie der
Beschwerdeführer zu Recht anführt, ist aufgrund der medizinischen Aktenlage von
einer Restarbeitsfähigkeit des Versicherten von 30 % auszugehen, die er in
einer Dauer von 4 Stunden erbringen kann. Damit ist der Invalidenlohn um 70 %
reduziert anzunehmen, was einem Jahresgehalt von Fr. 17'219.- (30 % von Fr.
57'396.- (12 x 4'783.-)) entspricht. Mithin resultiert, selbst ohne
Berücksichtigung des von der Vorinstanz zusätzlich gewährten Abzugs von 10 %
(für leichte Tätigkeiten), bereits ein Invaliditätsgrad von über 70 % (nämlich
72 %), womit der Beschwerdeführer Anspruch auf eine ganze Rente der
Invalidenversicherung ab November 2003 hat.

6.
Die Gerichtskosten sind der Beschwerdegegnerin als der unterliegenden Partei
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sie hat dem obsiegenden Beschwerdeführer
überdies eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

7.
Bei diesem Verfahrensausgang erweist sich der Antrag des beschwerdeführenden
Anwalts auf eine höhere Entschädigung als unentgeltlicher Rechtsbeistand im
kantonalen Verfahren als gegenstandslos, womit die Frage, ob darauf überhaupt
einzutreten gewesen wäre, offen bleiben kann.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Kantonsgerichts Freiburg,
Sozialversicherungsgerichtshof, vom 8. Mai 2008 und der Einspracheentscheid der
IV-Stelle des Kantons Freiburg vom 10. Februar 2006 werden aufgehoben. Es wird
festgestellt, dass der Beschwerdeführer ab 1. November 2003 Anspruch auf eine
ganze Rente der Invalidenversicherung hat.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.

4.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Kantonsgericht Freiburg zurückgewiesen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Freiburg,
Sozialversicherungsgerichtshof, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 14. April 2009
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Weber Peter