Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.476/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_476/2008

Urteil vom 24. Februar 2009
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Niquille,
Gerichtsschreiber Hochuli.

Parteien
A.________, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Alois Kessler,

gegen

IV-Stelle Schwyz, Rubiswilstrasse 8, 6438 Ibach,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz
vom 9. April 2008.

Sachverhalt:

A.
A.________, geboren 1962, ist verheiratet und Mutter von zwei Kindern (geboren
1986 und 1988). Sie hat von 1978 bis 1980 eine Handelsschule absolviert, war
sodann einige Jahre vollzeitlich erwerbstätig und widmete sich ab 1986
ausschliesslich dem Haushaltsbereich und der Kinderbetreuung. Seit 1999 leidet
sie an diagnostizierter Multipler Sklerose (MS). Erste Symptome dieser
Krankheit waren bereits 1983 aufgetreten. 2000 nahm sie eine
Teilerwerbstätigkeit als Verkäuferin mit einem Pensum von rund 30 % auf. Am 8.
Februar 2002 meldete sie sich zur Berufsberatung und Arbeitsvermittlung bei der
Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle Schwyz sprach ihr am 17. Oktober 2002
Arbeitsvermittlung zu, auf welche die Versicherte aber verzichtete, weil sie
damals ihre angestammte Arbeitsstelle aus wirtschaftlichen Gründen verloren
hatte und bereits durch das zuständige Regionale Arbeitsvermittlungszentrum der
Arbeitslosenversicherung (RAV) bei der Suche nach einer 30%igen
Erwerbstätigkeit unterstützt wurde. Seit 2. Februar 2004 arbeitet die
Versicherte als Verkäuferin mit einem 30 %-Pensum für die X.________ AG. Mit
unangefochten in Rechtskraft erwachsener Verfügung vom 24. November 2003
verneinte die IV-Stelle einen Rentenanspruch. - Am 26. Juni 2006 meldete sich
A.________ erneut bei der IV-Stelle wegen einer seit zwei Jahren zunehmenden
Gehbehinderung zum Rentenbezug an. Nach Durchführung einer Haushaltsabklärung
und Einholung von medizinischen Berichten ermittelte die IV-Stelle bei einem
Tätigkeitsanteil im erwerblichen Bereich von 30 % und im Haushaltsbereich von
70 % einen Invaliditätsgrad von 15 %, weshalb sie den Anspruch auf eine
Invalidenrente verneinte (Verfügung vom 8. November 2006).

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde der A.________ wies das Verwaltungsgericht des
Kantons Schwyz mit Entscheid vom 9. April 2008 ab.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________
beantragen, ihr sei unter Aufhebung des angefochtenen Gerichtsentscheids eine
halbe Invalidenrente (eventualiter eine Viertelsrente) zuzusprechen;
subeventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

Während das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Stellungnahme
verzichtete, liess sich die IV-Stelle - innert erstreckter Frist - nicht
vernehmen.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG)
kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu Grunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung
von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(Art. 105 Abs. 2 BGG).

1.2 Mit Blick auf diese Kognitionsregelung ist auf Grund der Vorbringen in der
Beschwerde ans Bundesgericht zu prüfen, ob der angefochtene kantonale
Gerichtsentscheid in der Anwendung der massgeblichen materiell- und
beweisrechtlichen Grundlagen (u.a.) Bundesrecht, Völkerrecht oder kantonale
verfassungsmässige Rechte verletzt (Art. 95 lit. a-c BGG), einschliesslich
einer allfälligen rechtsfehlerhaften Tatsachenfeststellung (Art. 97 Abs. 1,
Art. 105 Abs. 2 BGG). Hingegen hat unter der Herrschaft des BGG eine freie
Überprüfung des vorinstanzlichen Entscheids in tatsächlicher Hinsicht zu
unterbleiben (ausser wenn sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die
Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder
Unfallversicherung richtet; Art. 97 Abs. 2 BGG). Zur auch unter der Geltung des
BGG massgebenden Abgrenzung von Tat- und Rechtsfragen im Bereich der
Invaliditätsbemessung wird auf BGE 132 V 393 verwiesen.

2.
Streitig ist, ob der Beschwerdeführerin ein Anspruch auf Invalidenrente
zusteht. Das kantonale Gericht hat die hierfür massgeblichen Bestimmungen und
Grundsätze zutreffend dargelegt, worauf verwiesen wird.

3.
Während die Versicherte geltend macht, dass sie sich im Gesundheitsfall zu 80 %
erwerblich und zu 20 % im Haushalt betätigt hätte, weshalb bei korrekter
Bemessung ein Invaliditätsgrad von 54 % resultiere, legten die IV-Stelle und
das kantonale Gericht dem - unbestritten nach der gemischten Methode zu
ermittelnden - Invaliditätsgrad eine Aufteilung der Tätigkeitsanteile von 30 %
im erwerblichen und 70 % im Haushaltsbereich zu Grunde. Die medizinisch
ausgewiesene Einschränkung der Leistungsfähigkeit von 60 % sowie die
invaliditätsbedingte Leistungseinbusse im Haushaltsbereich von 22 % (gemäss
Haushaltsabklärungsbericht vom 11. Oktober 2006) werden zu Recht von keiner
Seite in Frage gestellt. Nachfolgend zu prüfen ist somit einzig die
Statusfrage.

3.1 Ob eine versicherte Person als ganztägig oder zeitweilig erwerbstätig oder
als nichterwerbstätig einzustufen ist, ergibt sich aus der Prüfung, was sie bei
im Übrigen unveränderten Umständen täte, wenn keine gesundheitliche
Beeinträchtigung bestünde. Bei im Haushalt tätigen Versicherten im Besonderen
sind die persönlichen, familiären, sozialen und erwerblichen Verhältnisse
ebenso wie allfällige Erziehungs- und Betreuungsaufgaben gegenüber Kindern, das
Alter, die beruflichen Fähigkeiten und die Ausbildung sowie die persönlichen
Neigungen und Begabungen zu berücksichtigen. Die Statusfrage beurteilt sich
praxisgemäss nach den Verhältnissen, wie sie sich bis zum Erlass der
Verwaltungsverfügung entwickelt haben, wobei für die hypothetische Annahme
einer im Gesundheitsfall ausgeübten (Teil-) Erwerbstätigkeit der im
Sozialversicherungsrecht übliche Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit erforderlich ist (BGE 130 V 393 E. 3.3 S. 396; 125 V 146 E.
2c S. 150 mit Hinweisen).

3.2 Die Invalidität bestimmt sich in der Folge dadurch, dass im Erwerbsbereich
ein Einkommens- und im Aufgabenbereich ein Betätigungsvergleich vorgenommen
wird (vgl. Art. 28 Abs. 2 und 2bis IVG, je in der bis am 31. Dezember 2007
gültigen Fassung [heute: Art. 28a Abs. 1 und 2 IVG]). Bei Teilerwerbstätigkeit
ergibt sich die Invalidität unter Anwendung der gemischten Methode aus der
Addierung der in beiden Bereichen ermittelten und gewichteten Teilinvaliditäten
(vgl. Art. 28 Abs. 2ter IVG in der bis am 31. Dezember 2007 gültigen Fassung
[heute: Art. 28a Abs. 3 IVG]; BGE 130 V 396 E. 3.3 S. 396, Urteil 9C_686/2008
vom 4. November 2008 E. 3.2).

4.
4.1 Im Rahmen der Haushaltsabklärung vom 9. Oktober 2006 beantwortete die
Beschwerdeführerin die Frage, ob sie ohne gesundheitliche Einschränkungen nicht
ein höheres Arbeitspensum als heute bei der Firma X.________ AG ausüben würde,
dahingehend, dass "sicher auch ein Pensum bis vielleicht 50%" denkbar wäre. Mit
Schreiben vom 6. Dezember 2006 führte die Versicherte aus, dass sie ohne
Gesundheitsschaden nicht mit einem Pensum von 30 % im Verkauf, sondern als
diplomierte Handelsschulabsolventin mit einem 80 %-Pensum im Bürobereich
arbeiten würde. Sie habe das 30%ige Verkaufspensum nur angenommen, weil sie
keine passende Bürotätigkeit gefunden habe. Bei der Wahl einer geeigneten
Arbeitsstelle sei sie auch deshalb eingeschränkt, weil sie behinderungsbedingt
darauf angewiesen sei, dass sie jemand zur Arbeit fahre und dort nach
Arbeitsschluss wieder abhole. Die teilweise stehend zu verrichtende Tätigkeit
am angestammten Arbeitsplatz im Verkauf sei für sie angesichts ihrer
körperlichen Einschränkungen eher ungünstig. Schliesslich machte die
Beschwerdeführerin geltend, es bestehe auch eine finanzielle Notwendigkeit, mit
einem viel höheren Pensum als nur zu 30 % erwerbstätig zu sein, da ihre Tochter
nach den 2007 bestandenen Maturitätsprüfungen zunächst einen mehrmonatigen
Sprachaufenthalt im Ausland absolvieren und danach die Pädagogische Hochschule
besuchen werde.

4.2 Fest steht und unbestritten ist, dass die Versicherte 1980 ihre
Schulbildung mit dem Erwerb des Handelsdiploms abschloss, sodann bis 1982
vollzeitlich im Personalwesen der Firma Y.________ und anschliessend ebenfalls
mit einem Vollzeitpensum für die Firma Z.________ AG arbeitete. Nachdem sie
1984 geheiratet hatte, reduzierte sie das Erwerbspensum 1986 im Hinblick auf
die am 21. Mai 1986 erfolgte Geburt ihres ersten Kindes auf 80 %. Per 31. März
1986 löste die Beschwerdeführerin dieses Arbeitsverhältnis auf und widmete sich
ausschliesslich der Kinderbetreuung (zweites Kind wurde am 9. April 1988
geboren) und der Haushaltsführung. Von 1992 bis 1996 erteilte sie während vier
bis sechs Stunden pro Woche Klavierunterricht. Nach dem ersten Auftreten von
möglichen Symptomen der MS im Jahre 1983 litt die Versicherte 1996 erneut an
einem Beschwerdeschub. 1999 wurde MS diagnostiziert.

4.3 Obwohl die IV-Stelle auf Abklärungen zur Ermittlung der geltend gemachten
finanziellen Notwendigkeit einer Pensumserhöhung verzichtete, ist davon
auszugehen, dass die noch junge, 1962 geborene Beschwerdeführerin angesichts
ihres Berufsdiplomes und ihrer Arbeitserfahrung unter den gegebenen Umständen
ohne Betreuungsaufgaben gegenüber ihren erwachsenen Kindern im Gesundheitsfall
eher ein Erwerbspensum von 50 % als bloss die 30%ige Tätigkeit im Verkauf
ausgeübt hätte. Diese Frage braucht indes nicht abschliessend beantwortet zu
werden, da auch bei Annahme eines 50%igen Erwerbspensums kein
rentenanspruchsbegründender Invaliditätsgrad von mindestens 40 % resultiert,
wie die IV-Stelle mit vorinstanzlicher Vernehmlassung vom 17. Februar 2008
zutreffend dargelegt hat.

4.4 Soweit die Versicherte eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes rügt,
kommt der angeblich zu Unrecht nicht abgeklärten Frage, ob eine finanzielle
Notwendigkeit der Erhöhung des Erwerbspensums tatsächlich bestanden habe, unter
den gegebenen Umständen nach dem Gesagten keine ausschlaggebende Bedeutung zu.
Ist die versicherte Person im Rahmen ihrer Schadenminderungspflicht gehalten,
im Umfang der noch vorhandenen Leistungsfähigkeit eine dem Leiden angepasste
erwerbliche Tätigkeit auszuüben (vgl. Art. 28 Abs. 2ter IVG [vgl. dazu hievor
E. 3.2 in fine] in Verbindung mit Art. 16 ATSG; BGE 130 V 97 E. 3.2 S. 99 mit
Hinweisen), ist es ihr zumutbar, eine Beschäftigung zu wählen, bei der sich die
gesundheitliche Limitierung so gering als möglich auswirkt (Urteil 9C_265/2007
vom 4. Januar 2008 E. 5.1). Obwohl die Beschwerdeführerin schon 2002
behinderungsbedingt keine ganztags stehende Tätigkeit mehr zu verrichten
vermochte (Bericht des Dr. med. F.________ vom 25. September 2002) und ihr die
IV-Stelle als Eingliederungsmassnahme Arbeitsvermittlung zugesprochen hatte
(Mitteilung der IV-Stelle vom 17. Oktober 2002), verzichtete sie darauf, die
Unterstützung der Invalidenversicherung bei der Suche nach einer
behinderungsangepassten Tätigkeit zu beanspruchen, um ab 2. Februar 2004 erneut
eine - mit Blick auf diese vorwiegend stehend zu verrichtende Tätigkeit -
ungünstige Teilzeit-Arbeitsstelle als Verkäuferin mit 30 %-Pensum anzunehmen.
Die Vorinstanz hat daher zu Recht von weiteren Abklärungen zu dieser Frage
Umgang genommen.

4.5 Eine Verletzung des Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) ist
nicht ersichtlich, legte doch das kantonale Gericht im angefochtenen Entscheid
ausführlich und nachvollziehbar dar, auf welche tatsächlichen Verhältnisse es
die Sachverhaltsfeststellung abstützte und in Anwendung welcher
Rechtsgrundlagen es die Beschwerde abwies.

4.6 Kann offenbleiben, ob die Versicherte im Gesundheitsfall mit einem Pensum
von nur 30 % oder 50 % erwerbstätig gewesen wäre (E. 4.3 hievor), ist der
angefochtene Entscheid, mit welchem die Vorinstanz die von der IV-Stelle
verfügte Verneinung eines Rentenanspruchs bestätigt hat, im Ergebnis nicht zu
beanstanden. Daran vermögen die von der Beschwerdeführerin im Übrigen gegen den
kantonalen Gerichtsentscheid erhobenen Einwände nichts zu ändern. Die auf einer
Würdigung der konkreten Umstände basierende vorinstanzliche Feststellung zur
Tatfrage des hypothetischen Umfanges der Erwerbstätigkeit (BGE 133 V 477 E. 6.1
S. 485) erweist sich jedenfalls unter dem Blickwinkel der eingeschränkten
Kognition (E. 1 hievor) nicht als offensichtlich unrichtig oder sonstwie
rechtsfehlerhaft.

5.
Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art.
66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 24. Februar 2009
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung Hochuli