Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.439/2008
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008


Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_439/2008

Urteil vom 10. Dezember 2008
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Frésard,
Gerichtsschreiber Flückiger.

Parteien
L.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Volker Pribnow, Stadtturmstrasse 10, 5400
Baden,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 16. April 2008.

Sachverhalt:

A.
Der 1963 geborene L.________ war am 18. März 2000 von einem Auffahrunfall
betroffen. Dabei zog er sich gemäss Arztzeugnis UVG des Dr. med. P.________,
Innere Medizin FMH, speziell Rheumatologie, vom 25. April 2000 eine
HWS-Distorsion zu. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) als
obligatorischer Unfallversicherer traf Abklärungen zum Unfallhergang und holte
Auskünfte des Versicherten ein. Ausserdem zog sie Verlaufsberichte des Dr. med.
P.________ sowie des Dr. med. E.________, Spezialarzt FMH für
Ohren-Nasen-Halskrankheiten bei und liess Dr. med. G.________, Facharzt FMH für
Ohren-, Nasen- und Halskrankheiten, Hals- und Gesichtschirurgie, Allergologie,
klinische Immunologie und Arbeitsmedizin, SUVA-Abteilung Unfallmedizin, zur
medizinischen Sachlage Stellung nehmen. Der Versicherte nahm die Arbeit ab 22.
März 2000 zu 50 %, ab 1. Mai 2000 zu 75 % und ab 12. Juli 2000 zu 100 % wieder
auf. Auf Nachfrage der SUVA erklärte Dr. med. E.________ am 11. Februar 2002,
die Behandlung bei ihm sei am 30. April 2001 abgeschlossen worden. Auch Dr.
med. P.________ teilte der SUVA mit, der Patient habe sich nicht mehr gemeldet
(Berichte vom 14. November 2001 und 11. April 2002).
Am 16. Juli 2004 erstattete der (neue) Arbeitgeber des Versicherten erneut eine
Unfallmeldung wegen des Ereignisses vom 18. März 2000. Er hielt fest, die
Behandlung sei wieder aktiviert worden, weil sich die Nacken- und Hörprobleme
nicht stabilisiert hätten. Die SUVA holte Berichte des Dr. med. O.________,
Facharzt FMH für Allgemeinmedizin, des Dr. med. E.________, der Klinik
H.________ (MRT der LWS vom 26. Juli 2006) und des Dr. med. S.________,
Neurologie FMH sowie weitere Stellungnahmen der Abteilung Unfallmedizin (Dr.
med. G.________; Dr. med. W.________, Chirurgie FMH) ein. Sie erbrachte
Leistungen im Zusammenhang mit dem geltend gemachten Tinnitus. Mit Verfügung
vom 14. Februar 2007 lehnte es die SUVA jedoch ab, für die vom Versicherten
geltend gemachten Halswirbelsäule-Beschwerden Leistungen zu erbringen. Daran
wurde mit Einspracheentscheid vom 22. Mai 2007 festgehalten.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons
Aargau ab (Entscheid vom 16. April 2008).

C.
L.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Rechtsbegehren, es sei die SUVA zu verpflichten, ihm "für sämtliche am
16. Juli 2004 als Rückfall gemeldeten Beschwerden, insbesondere auch die von
der Halswirbelsäule ausgehenden Beschwerden, die gesetzlichen Leistungen zu
erbringen."
Die SUVA schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit
verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze über die
Leistungspflicht des obligatorischen Unfallversicherers (Art. 6 Abs. 1 UVG) in
Form von Heilbehandlung (Art. 10 Abs. 1 UVG), Taggeld (Art. 16 Abs. 1 UVG) und
Invalidenrente (Art. 18 Abs. 1) sowie den für die entsprechenden Ansprüche
vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang zwischen Unfallereignis und
Gesundheitsschaden (BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181, 402 E. 4.3.1 S. 406, 119 V 335
E. 1 S. 337, 118 V 286 E. 1b S. 289, je mit Hinweisen) zutreffend dargelegt.
Darauf wird verwiesen. Richtig sind auch die vorinstanzlichen Erwägungen zum
Leistungsanspruch bei Rückfällen (Art. 11 UVV) sowie zur Adäquanz des
Kausalzusammenhangs im Allgemeinen (BGE 129 V 177 E. 3.2 S. 181, 402 E. 4.3.1
S. 405; 125 V 456 E. 5a S. 461) und bei spezifischen Verletzungen der
Halswirbelsäule (HWS) im Speziellen (BGE 134 V 109).

2.
Strittig und zu prüfen ist die Leistungspflicht der SUVA für die ihr durch die
Unfallmeldung vom 16. Juli 2004 (im Sinne eines Rückfalls) mitgeteilten
HWS-Beschwerden. Das kantonale Gericht gelangte zum Ergebnis, der natürliche
Kausalzusammenhang zum Unfallereignis sei nicht mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit erstellt. Ein Leistungsanspruch bestehe aber auch dann
nicht, wenn die natürliche Kausalität bejaht und von einem Schleudertrauma im
Sinne der Rechtsprechung ausgegangen werde, denn es fehle in jedem Fall an der
Adäquanz des Kausalzusammenhangs. Der Beschwerdeführer macht dagegen geltend,
die im Sommer 2004 gemeldete Symptomatik bilde eine natürliche Folge des
Unfalls vom 18. März 2000. Sie stehe ausserdem in einem rechtserheblichen
Ursachenzusammenhang zu diesem Ereignis.

3.
Nach der Rechtsprechung können nähere Abklärungen und weitere Beweisvorkehren
zur Frage des natürlichen Kausalzusammenhangs unterbleiben, wenn die Adäquanz
des Kausalzusammenhangs ohnehin zu verneinen ist (SVR 1995 UV Nr. 23 S. 67 E.
3c; Urteil 8C_42/2007 vom 14. April 2008 E. 2).

3.1 Über den Hergang des Unfalls vom 18. März 2000 ist den Akten zu entnehmen,
dass der Versicherte sein Auto hinter einer Kolonne von vier Fahrzeugen zum
Stillstand brachte, wobei er stark abbremsen musste. Der direkt dahinter
fahrende Personenwagen vermochte rechtzeitig anzuhalten, wurde aber vom
nachfolgenden Fahrzeug am Heck erfasst und in das Auto des Beschwerdeführers
geschoben. Im Rahmen der für die Belange der Adäquanzprüfung vorzunehmenden
Einteilung ist dieses Ereignis den mittelschweren Unfällen im Grenzbereich zu
den leichten zuzuordnen (vgl. RKUV 2005 Nr. U 549 S. 237 E. 5.1.2 mit
Hinweisen; SVR 2007 UV Nr. 25 S. 81 E. 7.2, U 479/05). Die Adäquanz des
Kausalzusammenhangs ist dementsprechend zu bejahen, wenn die massgebenden
Kriterien (dazu BGE 134 V 109 E. 10.3 S. 130) in gehäufter oder ausgeprägter
Form vorliegen.
3.2
3.2.1 Das geschilderte Ereignis ist weder als besonders eindrücklich zu
bezeichnen noch war es mit besonders dramatischen Begleitumständen verbunden.
3.2.2 Laut dem Arztzeugnis UVG des Dr. med. P.________ vom 25. April 2000 zog
sich der Beschwerdeführer eine HWS-Distorsion zu. Dabei handelt es sich nicht
um eine Verletzung besonderer Art oder Schwere (vgl. BGE 134 V 109 E. 10.2.2 S.
127 f.; Urteil 8C_726/2007 vom 16. Mai 2008 E. 4.3.2.3). Die für die Erfüllung
des Kriteriums erforderlichen qualifizierenden Merkmale wie eine besondere
Schwere der für HWS-Verletzungen typischen Beschwerden oder besondere Umstände,
die das Beschwerdebild beeinflussen können, sind nicht gegeben.
3.2.3 Das Merkmal der fortgesetzt spezifischen, belastenden ärztlichen
Behandlung (BGE 134 V 109 E. 10.2.3 S. 128) erachtet der Beschwerdeführer ohne
nähere Begründung als erfüllt. Dieser Einschätzung kann jedoch nicht
beigepflichtet werden. Insbesondere ist nicht aktenkundig, dass aufwändige
Massnahmen stattgefunden hätten, welche zumindest vorübergehend mit erheblichen
Eingriffen in den Alltag verbunden gewesen wären, wie dies beispielsweise auf
längere stationäre Aufenthalte zutreffen kann.
3.2.4 Der für das Kriterium der erheblichen Beschwerden entscheidende Aspekt
der Erheblichkeit beurteilt sich nach den glaubhaften Schmerzen und nach der
Beeinträchtigung, welche die verunfallte Person durch die Beschwerden im
Lebensalltag erfährt (BGE 134 V 109 E. 10.2.4 S. 128). Mit Blick auf die
medizinische Aktenlage kann dieses Kriterium als erfüllt gelten. Es liegt
jedoch nicht in einer derartigen Ausprägung vor, dass es für sich allein
genommen die Adäquanz zu begründen vermöchte.
3.2.5 Die Akten enthalten keine Hinweise auf eine ärztliche Fehlbehandlung.
Eine solche wird auch letztinstanzlich nicht geltend gemacht.
3.2.6 Ein schwieriger Heilungsverlauf oder erhebliche Komplikationen können
nach der Rechtsprechung nicht aus dem längeren Fortbestehen von Beschwerden
abgeleitet werden. Es bedarf vielmehr besonderer Gründe, welche die Genesung
beeinträchtigt oder verzögert haben (SVR 2007 UV Nr. 25 S. 81 E. 8.5 mit
Hinweis, U 479/05; Urteil 8C_726/2007 vom 16. Mai 2008 E. 4.3.2.6). Derartige
Umstände sind hier nicht ersichtlich.
3.2.7 Das Kriterium der erheblichen Arbeitsunfähigkeit trotz ausgewiesener
Anstrengungen ist erfüllt, wenn die versicherte Person in erheblichem Ausmass
arbeitsunfähig ist, obwohl sie alles daran setzt, sich durch optimale
Mitwirkung raschmöglichst wieder in den Arbeitsprozess einzugliedern (BGE 134 V
109 E. 10.2.7 S. 129 f.; Urteil 8C_590/2007 vom 6. Oktober 2008 E. 7.7.1). So
verhält es sich hier nicht, war es dem Versicherten doch möglich, seine Arbeit
schon wenige Tage nach dem Unfall vom 18. März 2000 zu 50 %, ab dem 1. Mai 2000
zu 75 % und ab dem 12. Juli 2000 zu 100 % wieder aufzunehmen.

3.3 Zusammenfassend kann nur eines der massgebenden Kriterien als erfüllt
gelten, und dies nicht in besonders ausgeprägter Weise. Die mit der
Rückfallmeldung vom 16. Juli 2004 geltend gemachten Beschwerden stehen demnach
in keinem adäquaten Kausalzusammenhang mit dem Unfallereignis vom 18. März
2000. SUVA und Vorinstanz haben einen Leistungsanspruch des Beschwerdeführers
zu Recht verneint.

4.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 Abs. 1 und Abs. 4 lit. a BGG). Die
Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer als der unterliegenden Partei
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 10. Dezember 2008
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung i.V. Holzer