Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.429/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_429/2008

Urteil vom 8. Juli 2008
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Frésard,
Gerichtsschreiber Holzer.

Parteien
H.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Ehrenzeller, Engelgasse
214, 9053 Teufen AR,

gegen

Bundesverwaltungsgericht, Postfach, 3000 Bern 14,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen die Zwischenverfügung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.
April 2008.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 5. November 2007 wies die IV-Stelle für Versicherte im
Ausland (IVSTA) ein Rentengesuch des 1957 geborenen H.________ ab. Am gleichen
Tag erliess die IVSTA überdies eine weitere Verfügung, wonach ein Anspruch des
Versicherten auf unentgeltliche Verbeiständung im Verwaltungsverfahren verneint
wurde.

B.
H.________ erhob am 11. Dezember 2007 Beschwerde gegen diese beiden Verfügungen
beim Bundesverwaltungsgericht. Gleichzeitig beantragte er die unentgeltliche
Rechtspflege im Verfahren vor diesem Gericht. Mit Verfügung vom 14. Dezember
2007 forderte das Bundesverwaltungsgericht den Versicherten auf, bis zum 28.
Januar 2008 das Formular "Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege"
wahrheitsgetreu und vollständig ausgefüllt einzureichen und zudem die zur
Beurteilung seiner finanziellen Lage erforderlichen Beweismittel vorzulegen.
Sollte die Frist nicht eingehalten werden, so werde über das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege aufgrund der Akten entschieden. Am 11. Januar 2008
reichte der Versicherte dem Bundesverwaltungsgericht das verlangte Formular
ausgefüllt ein, ohne weitere Beweismittel vorzulegen. Im Begleitbrief erbat der
Rechtsvertreter eine Rückmeldung für den Fall, dass die Unterlagen nicht
genügen würden, um das Gesuch beurteilen zu können. Mit Zwischenverfügung vom
23. April 2008 wies das Bundesverwaltungsgericht das Gesuch des Versicherten um
unentgeltliche Rechtspflege ab, da aufgrund der Akten seine Bedürftigkeit nicht
nachgewiesen sei. Gleichzeitig setzte es ihm unter Androhung des
Nicht-Eintretens auf die Beschwerde eine Frist bis zum 23. Mai 2008, um einen
Kostenvorschuss in der Höhe von Fr. 300.- zu leisten.

C.
Mit Beschwerde beantragt H.________, ihm sei unter Aufhebung der Ziffern 1, 2
und 3 der vorinstanzlichen Zwischenverfügung für das Verfahren vor dem
Bundesverwaltungsgericht die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren;
gleichzeitig beantragt er die unentgeltliche Prozessführung für das Verfahren
vor dem Bundesgericht.

Das Bundesverwaltungsgericht verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:

1.
Der angefochtene Entscheid verneint den Anspruch des Beschwerdeführers auf
unentgeltliche Rechtspflege für das vorinstanzlich hängige Verfahren betreffend
Leistungen der Invalidenversicherung und verpflichtet ihn gleichzeitig zur
Leistung eines Kostenvorschusses. Dabei handelt es sich um einen
Zwischenentscheid nach Art. 93 Abs. 1 BGG, der einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil im Sinne von lit. a dieser Bestimmung bewirken kann
(Urteil 9C_815/2007 vom 20. Februar 2008, E. 1 mit Hinweisen). Auf die
Beschwerde ist einzutreten.

2.
2.1 Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Das Bundesgericht prüft
grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen,
wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die
Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur
insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).

2.2 Der angefochtene Entscheid betrifft nicht Geldleistungen der Militär- oder
der Unfallversicherung. Gemäss dem anwendbaren Art. 132 Abs. 1 BGG prüft das
Bundesgericht nur, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzte,
einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens oder ob der
rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter
Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde.

3.
Die Beschwerdeinstanz, ihr Vorsitzender oder der Instruktionsrichter befreit
gemäss Art. 65 Abs. 1 VwVG nach Einreichung der Beschwerde eine Partei, die
nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der
Verfahrenskosten, sofern ihr Begehren nicht aussichtslos erscheint. Wenn es zur
Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, bestellt die Beschwerdeinstanz, ihr
Vorsitzender oder der Instruktionsrichter der Partei einen Anwalt (Art. 65 Abs.
2 VwVG).

4.
4.1 Der in Serbien wohnhafte Beschwerdeführer machte auf dem Formular "Gesuch
um unentgeltliche Rechtspflege" geltend, bis auf eine monatliche Unterstützung
von 100 Franken über keine anderweitigen Einkünfte zu verfügen. Da der
Gesuchsteller jedoch darauf verzichtet hatte, zusammen mit diesem Formular
Beweismittel zur Beurteilung seiner finanziellen Lage einzureichen, erwog das
Bundesverwaltungsgericht, dass dem Beschwerdeführer der Nachweis seiner
Bedürftigkeit nicht gelungen sei.

4.2 Wie der Beschwerdeführer zutreffend geltend macht, ist diese
Sachverhaltsfeststellung offensichtlich unrichtig im Sinne von Art. 97 Abs. 1
BGG: Aus dem bei den Akten liegenden Gutachten des Dr. med. G.________ vom 14.
Dezember 2006 geht hervor, dass die ganze Familie des Gesuchstellers, ohne über
Einkommen zu verfügen, von Spenden leben muss. Der Psychiater hatte offenbar
keinen Grund, an diesen Angaben zu zweifeln, zieht er doch die Arbeitslosigkeit
des Beschwerdeführers und den hohen sekundären Krankheitsgewinn, von der
Tochter und den Nachbarn in allen möglichen Lebenslagen unterstützt zu werden,
in seine Beurteilung ein. Daraus folgt, dass der Beschwerdeführer
offensichtlich nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, um die Verfahrens-
und Anwaltskosten bestreiten zu können. Aufgrund dieser Sachlage ist es auch
unrealistisch, dass der Gesuchsteller sein Haus in Serbien hypothekarisch
belasten könnte, um sich so die notwendigen Mittel für die Prozessführung zu
beschaffen.

4.3 Da auch die übrigen Voraussetzungen von Art. 65 Abs. 1 und 2 VwVG erfüllt
sind, hat der Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht
Anspruch auf unentgeltliche Prozessführung. Bei diesem Verfahrensausgang
braucht nicht geprüft zu werden, ob die Vorinstanz das Gesuch aufgrund der
Akten wegen Beweislosigkeit abweisen durfte, ohne den Gesuchsteller zunächst
darauf aufmerksam zu machen, dass die eingereichten Unterlagen ihrer Meinung
nach zur Beurteilung des Gesuches nicht ausreichten.

5.
Entsprechend seinem Ausgang sind im Beschwerdeverfahren um die unentgeltliche
Prozessführung für das vorinstanzlichen Verfahren keine Kosten zu erheben (Art.
66 Abs. 4 BGG). Das Bundesverwaltungsgericht hat dem Beschwerdeführer eine
Parteientschädigung zu entrichten (vgl. Urteil 5A_368/2007 vom 18. September
2007, E. 4). Damit wird das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche
Prozessführung für das bundesgerichtliche Verfahren gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Ziffer 1, 2 und 3 der Zwischenverfügung des
Bundesverwaltungsgerichts vom 23. April 2008 werden aufgehoben. Es wird
festgestellt, dass der Beschwerdeführer Anspruch auf unentgeltliche
Prozessführung im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hat. Rechtsanwalt
Daniel Ehrenzeller, Teufen, wird als unentgeltlicher Anwalt des
Beschwerdeführers für das vorinstanzliche Verfahren bestellt.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Das Bundesverwaltungsgericht hat den Beschwerdeführer für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 500.- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der IV-Stelle für Versicherte im Ausland und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 8. Juli 2008
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung Holzer