Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.399/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_399/2008

Urteil vom 19. November 2008
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Widmer, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Lustenberger, Frésard,
Gerichtsschreiberin Polla.

Parteien
S.________, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ueli Kieser, Ulrichstrasse 14, 8032 Zürich,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 8. April 2008.

Sachverhalt:

A.
Die 1965 geborene S.________ war seit 2004 in der X._________ AG angestellt und
damit bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die
Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen versichert. Am 10. Januar 2005 lief
sie in eine Türzarge und schlug sich dabei die Fusskante rechts lateral an. Der
am 19. Januar 2005 aufgrund starker Fussschmerzen aufgesuchte Hausarzt Dr. med.
E.________, Allgemeine Medizin FMH, äusserte den Verdacht auf eine Bursitis bei
traumatisch prominentem Metatarsale V rechts, traumatischer Exostose und einer
Neuralgie nach Trauma (Zeugnis vom 27. April 2005). Am 7. April 2005 wies er
S.________ konsiliarisch Dr. med. T.________, Spezialarzt FMH für orthopädische
Chirurgie, zu. Dieser operierte S.________ am 25. April 2005, nachdem er ein
prominentes Metatarsale V rechts mit Bursa und Neuralgie diagnostiziert hatte
(Bericht vom 12. April 2005). Nach Beurteilung ihrer Chirurgen Dr. med.
M.________ (vom 9. Juni 2005) und Dr. med. P.________, SUVA
Versicherungsmedizin (vom 24. Juni 2005), die eine natürliche Kausalität
zwischen der Bursitis über dem Kleinzehengrundgelenk und dem Unfall vom 10.
Januar 2005 nicht für überwiegend wahrscheinlich hielten, womit lediglich ein
Vorzustand ohne unfallbedingte Verschlimmerung operiert worden sei, verneinte
die SUVA ihre Leistungspflicht mangels natürlicher Unfallkausalität der
vorliegenden Beschwerden (Schreiben vom 29. Juli 2005 und Verfügung vom 21.
November 2005). Daran hielt sie auf Einsprache hin und nach erneuter ärztlicher
Beurteilung des Dr. med. P.________ (vom 22. Januar 2007) mit
Einspracheentscheid vom 24. Januar 2007 fest.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde mit dem Antrag, es seien ihr für die mit dem
Unfall vom 10. Januar 2005 zusammenhängenden gesundheitlichen Einschränkungen,
insbesondere für die Operation vom 25. April 2005 und deren Folgeschäden,
Leistungen der Unfallversicherung zuzusprechen, wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 8. April 2008
ab.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt S.________ ihr
vorinstanzlich gestelltes Rechtsbegehren erneuern.
Die SUVA schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit
verzichtet auf eine Stellungnahme.

Erwägungen:

1.
1.1 Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen über den Anspruch auf Leistungen
der obligatorischen Unfallversicherung im Allgemeinen (Art. 6 Abs. 1 UVG) sowie
die Grundsätze zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers
vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem
eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod; BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181
mit Hinweisen) im Besonderen, zutreffend dargelegt. Gleiches gilt in Bezug auf
die Ausführungen zum Wegfall des ursächlichen Zusammenhangs und damit des
Leistungsanspruchs der versicherten Person bei Erreichen des Status quo sine
vel ante und zu den sich dabei stellenden Beweisfragen (RKUV 1994 Nr. U 206 S.
328, U 180/93; siehe ebenso BGE 117 V 261 E. 3b in fine S. 264; RKUV 2000 Nr. U
363 S. 45, U 355/98). Richtig sind auch die vorinstanzlichen Erwägungen zum
Beweiswert und zur Würdigung medizinischer Berichte und Stellungnahmen (BGE 125
V 351 E. 3a S. 352; 122 V 157 E. 1c S. 160 mit Hinweisen). Darauf wird
verwiesen.

1.2 Selbst wenn eine Gesundheitsschädigung weitestgehend einem massiven
Vorzustand zuzuschreiben ist und einem leichten Unfall demgegenüber nur
untergeordnete Bedeutung zukommt, kann die Haftung des Unfallversicherers nicht
mit dieser Begründung ausgeschlossen werden. Ein versicherter Unfall kann auch
dann einen haftungsbegründenden Kausalfaktor für eine bestimmte
Gesundheitsschädigung darstellen, wenn er für deren Eintritt bloss zeitlich
bestimmend war (BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181). Entscheidend ist, ob ein zuvor
latenter Vorzustand durch die unfallbedingte Aktivierung zum akuten geworden
ist, der Zeitpunkt der (früher oder später vielleicht ohnehin auftretenden)
Verschlechterung des Gesundheitszustandes somit durch das versicherte Trauma
bestimmt wurde (Urteil U 583/06 vom 7. Februar 2008 E. 4.2).

2.
Zu prüfen ist, wie es sich hinsichtlich der Unfallkausalität der geltend
gemachten Unfallfolgen verhält, insbesondere ob die SUVA für den am 25. April
2005 durchgeführten medizinischen Eingriff mit den unstreitigen
Folgebeschwerden in Form einer Algodystrophie II leistungspflichtig ist.

2.1 Die Vorinstanz ist der Auffassung der SUVA gefolgt, wonach die Operation
einzig aufgrund eines konstitutionellen Problems erfolgt und eine natürliche
Kausalität zwischen der Bursitis über dem Kleinzehengrundgelenk und dem Unfall
nicht überwiegend wahrscheinlich sei. Die Vorinstanz kam zum Schluss, es liege
ein behandlungsbedürftiger, krankhafter Vorzustand vor, weshalb keine
Leistungspflicht der SUVA bestehe.

2.2 Der erstbehandelnde Hausarzt Dr. med. E.________ hielt in seinem
Arztzeugnis vom 27. April 2005 fest, die Versicherte leide an extremen
Schmerzen im Fuss mit fraglichen trophischen Störungen,
differentialdiagnostisch sei verdachtsweise von einer Bursitis bei traumatisch
prominentem Metatarsale V auszugehen, weshalb er ihr zur Behandlung der
trophischen Störungen einen Miacalcic-Nasenpray verordnete. Bezüglich des
Verlaufs gab er in einem Schreiben an die Intras Versicherungen am 6. März 2005
an, die Beschwerdeführerin spreche rasch auf das Medikament an. Der aufgrund
stetig wiederkehrender Schmerzen im MTP und Gefühlsstörungen im Bereich des
Dig. 4 und 5 beigezogene Orthopäde Dr. med. T.________ sah die Bursitis als
Schmerzursache, sodass er eine retrokapitale Osteotomie mit Verschiebung des
Köpfchens nach medial durchführte (Operationsbericht vom 26. April 2005). Die
SUVA-Ärzte Dres. med. M.________ und P.________ gingen in separaten
Stellungnahmen dementgegen davon aus, es sei am 25. April 2005 eine
Spreizfussdeformität operativ behandelt worden, welche mit dem Anpralltrauma
vom 10. Januar 2005 nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in einem
natürlichen Kausalzusammenhang stünde. Dr. med. M.________ führte in seiner
ärztlichen Beurteilung vom 9. Juni 2005 aus, ein einmaliger Anprall an einer
Türzarge könne eine rezidivierende Bursitis nicht auslösen; ursächlich für eine
Bursitis in diesem Bereich sei in der Regel eine Spreizfussdeformität. Dr. med.
P.________ gab seinerseits an, die wegen Bursitis bei prominentem
Metatarsaleköpfchen durchgeführte Operation sei aufgrund eines
konstitutionellen Problems (leichter Spreizfuss) erfolgt, was anatomisch mit
dem Bagatellunfall nichts zu tun habe. Die angebliche Luxation der Kleinzehe
sei eine nachträgliche Hypothese des Hausarztes (Beurteilung vom 24. Juni
2005). Ergänzend fügte Dr. med. P.________ am 22. Januar 2007 hinzu, die
Behandlung durch den Hausarzt sei am 25. Januar 2005 abgeschlossen worden,
nachdem die Versicherte auf den Miacalcic-Nasenspray gut angesprochen habe.
Erst am 6. April 2005 sei Dr. med. E.________ wieder aufgesucht worden, wobei
unwahrscheinlich sei, dass zu diesem Zeitpunkt "noch echte Unfallfolgen"
vorgelegen hätten.

2.3 Aus der medizinischen Aktenlage geht hervor, dass sämtliche involvierten
Ärzte - mit Ausnahme der SUVA-Ärzte Dres. med. M.________ und P.________ - von
einer traumatisch bedingten Bursitis über dem Metatarsaleköpfchen V ausgingen.
In aller Deutlichkeit hielt der operierende Dr. med. T.________ am 8. Juli 2005
fest, es sei anzunehmen, dass die kleine Zehe nach dem Schlag gegen die
Türzarge nach aussen geschaut habe. Die Prominenz des Mittelfussköpfchens sei
entstanden, weil das Band zwischen den Mittelfussknochen gedehnt worden und der
Abstand zwischen dem vierten und dem fünften Mittelfussknochen dadurch grösser
geworden sei. Aus diesem Grund habe er das Köpfchen versetzt, damit dieses
nicht mehr Platz beanspruche als früher (Schreiben vom 8. Juli 2005). Entgegen
der Annahme des Dr. med. P.________ hat sich der operierende orthopädische
Chirurg damit klar zur natürlichen Kausalität zwischen Unfallereignis und
notwendiger Operation geäussert, wie auch der Hausarzt von einer traumatischen
Ursache der Beschwerden ausging (Arztzeugnis vom 27. April 2005). Ebenso wenig
äusserte Dr. med. K.________, Facharzt FMH Orthopädische Chirurgie, der die
Beschwerdeführerin am 14. Juli 2007 auf Zuweisung des Hausarztes hin untersucht
hatte, Zweifel an einer traumatisch bedingten Bursitis. Im Bericht vom 14. Juli
2005 hielt er fest, durch die Operation sei zwar die Bursa-Problematik
zurückgegangen, seit dem Operationsdatum habe sich aber eine Schmerzproblematik
im Bereich der Osteotomie eingestellt, weshalb die Versicherte vollständig
arbeitsunfähig sei. Diagnostisch führte er Restbeschwerden bei Status nach
retrokapitaler Osteotomie Metatarsale V rechts bei Status nach traumatischer
Bursitis über Metatarsaleköpfchen auf. Entgegen den Ausführungen des Dr. med.
P.________ kann aus den handschriftlichen Krankenakten des Hausarztes sodann
nicht geschlossen werden, am 25. Januar 2005 sei die eigentliche,
unfallbedingte Behandlung beendet gewesen. Am 25. Januar 2005 trug Dr. med.
E.________ u.a. vor, die Patientin toleriere Miacalcic gut, was er auch
gegenüber dem Krankenversicherer am 6. März 2005 bestätigte. Einen
Fallabschluss dokumentierte er nicht; bei der nächsten Konsultation am 6. April
2005 führte er stetig wiederkehrende Schmerzen im Dig. V auf, welcher oft
anschwelle, auch bestünden Gefühlsstörungen im Bereich des Dig. 4 und 5. Im
Überweisungsschreiben an Dr. med. T.________ vom 7. April 2005 wiederholte er
dies nochmals, indem er angab, es bestünden seit ein paar Wochen stetig
wiederkehrende Schmerzen. Im Bericht des Dr. med. W.________, Neurologie FMH,
vom 27. September 2005, werden die intensiven Schmerzen im rechten Fuss nach
der Kontusion sowie die persistierende Schmerzsymptomatik und immer wieder
auftretende Schmerzen auch nach der Behandlung mit Miacalcic-Nasenspray, der
zwar eine Besserung gebracht habe, beschrieben.

2.4 Vor diesem Hintergrund erscheinen die Einschätzungen der Dres. med.
M.________ und P.________ entgegen der Vorinstanz nicht überzeugend, sodass
ihnen keine hinrechende Beweiskraft zukommt. Soweit SUVA und Vorinstanz unter
Bezugnahme auf diese ärztlichen Beurteilungen eine natürliche Kausalität
zwischen dem Unfallereignis und der Operation verneinten und auf einen
behandlungsbedürftigen, krankhaften Vorzustand schlossen, kann ihnen nicht
gefolgt werden. Vielmehr ist aufgrund der eindeutigen Aussage des operierenden
Arztes Dr. med. T.________, der ohne Zweifel von einer unfallbedingten, zur
Bursitis führenden Prominenz des Mittelfussköpfchens ausging, sowie im Lichte
der Tatsache, dass sämtliche behandelnden Ärzte eine traumatisch bedingte
Bursitis annahmen und nirgends auf einen krankhaften Vorzustand hinwiesen,
rechtsgenüglich erstellt, dass es sich bei den zum medizinischen Eingriff vom
25. April 2005 führenden Beschwerden um natürlich kausale Unfallfolgen handelt.
Selbst wenn ein (latenter) Vorzustand vorgelegen wäre, hätte dies mit Blick auf
das in E. 1.2 Gesagte am Ergebnis nichts geändert. Die medizinischen Unterlagen
lassen den Schluss zu, dass der Zeitpunkt der (früher oder später vielleicht
ohnehin auftretenden) Verschlechterung des Gesundheitszustandes durch das
versicherte Trauma bestimmt wurde. Damit ist die Leistungspflicht der SUVA
hinsichtlich der vorliegenden, unfallkausalen Fussbeschwerden, namentlich der
Operationskosten wie auch der damit zusammenhängenden Komplikationen (E. 2;
vgl. ärztliche Beurteilung des Dr. med. P.________ vom 22. Januar 2007), zu
bejahen.

3.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Als unterliegende Partei hat
die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG; BGE
133 V 642 E. 5). Diese hat dem Beschwerdeführer überdies eine
Parteientschädigung zu entrichten (Art. 68 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts
des Kantons Zürich vom 8. April 2008 und der Einspracheentscheid der
Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) vom 24. Januar 2007 werden
aufgehoben.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2500.- zu entschädigen.

4.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen
Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 19. November 2008
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Die Gerichtsschreiberin:

i.V. Lustenberger Polla