Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.393/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_393/2008

Urteil vom 24. September 2008
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, nebenamtlicher Bundesrichter Bühler,
Gerichtsschreiber Lanz.

Parteien
S.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Procap, Schweizerischer
Invaliden-Verband, Froburgstrasse 4, 4600 Olten,

gegen

IV-Stelle des Kantons Thurgau, St. Gallerstrasse 13, 8500 Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom
9. April 2008.

Sachverhalt:

A.
Die IV-Stelle des Kantons Thurgau sprach der 1966 geborenen S.________, die
sich im September 2004 zum Leistungsbezug angemeldet hatte, mit Verfügung vom
13. Juli 2007 für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 30. September 2006 eine
befristete ganze Invalidenrente zu.

B.
Mit hiegegen erhobener Beschwerde liess die Versicherte beantragen, es sei ihr
eine unbefristete ganze Invalidenrente zuzusprechen. Das Verwaltungsgericht des
Kantons Thurgau hiess die Beschwerde nach Durchführung eines doppelten
Schriftenwechsels mit Entscheid vom 9. April 2008 teilweise gut, hob die
angefochtene Verfügung mit Bezug auf den ab 1. Oktober 2006 abgelehnten
Rentenanspruch auf und stellte fest, dass der Beschwerdeführerin ab diesem
Zeitpunkt bis 31. Dezember 2006 eine ganze und ab 1. Januar 2007 eine
Viertelsrente zusteht (Dispositiv Ziff. 1). Ausserdem verpflichtete es
S.________, Gerichtskosten von Fr. 350.- (abzüglich des geleisteten
Kostenvorschusses von Fr. 200.-) zu bezahlen (Dispositiv Ziff. 2), und sprach
ihr zu Lasten der IV-Stelle eine Parteientschädigung von Fr. 600.- zu
(Dispositiv Ziff. 3).

C.
S.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Rechtsbegehren, Dispositiv Ziff. 2 des angefochtenen Entscheides vom 9.
April 2008 sei aufzuheben und die Vorinstanz zu verpflichten, ihr die
Verfahrenskosten von Fr. 350.- zurückzuerstatten sowie der IV-Stelle
Verfahrenskosten in angemessener Höhe aufzuerlegen.

Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine
Vernehmlassung. Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau schliesst in seiner
Stellungnahme auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden
könne.

Erwägungen:

1.
Der angefochtene Entscheid betrifft Leistungen der Invalidenversicherung. Die
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann daher gemäss Art. 95
und 96 BGG nur wegen Rechtsverletzung erhoben werden.

2.
Die Beschwerde richtet sich ausschliesslich gegen die Kostenverlegung im
kantonalen Entscheid. Geltend gemacht wird zum einen, die Vorinstanz habe Art.
69 Abs. 1bis IVG verletzt, indem sie der IV-Stelle keine Gerichtskosten
auferlegte. Zum anderen hätten der Beschwerdeführerin mit Blick auf den Ausgang
des kantonalen Verfahrens keine Gerichtskosten überbunden werden dürfen.

3.
Es stellt sich zunächst die Frage der Beschwerdelegitimation. Nebst anderen,
hier nicht interessierenden Kreisen ist gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG zur
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten berechtigt, wer vor der
Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme
erhalten hat (lit. a), durch den angefochtenen Entscheid oder Erlass besonders
berührt ist (lit. b) und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder
Änderung hat (lit. c).

Soweit die Beschwerdeführerin die unterlassene Kostenauferlegung an die
IV-Stelle rügt, fehlt es ihr schon am besonderen Berührtsein durch den
angefochtenen Entscheid im Sinne von Art. 89 Abs. 1 lit. b BGG (vgl. Urteil
9C_22/2008 vom 20. August 2008, E. 6). Mangels Beschwerdelegitimation ist daher
diesbezüglich auf das Rechtsmittel nicht einzutreten

Hingegen sind sowohl die Legitimation zur Beschwerde gegeben als auch die
weiteren Eintretensvoraussetzungen erfüllt, soweit die Auferlegung von Kosten
an die Beschwerdeführerin beanstandet wird. Dies gilt es nachfolgend zu prüfen.

4.
4.1 Die Beschwerdeführerin rügt, das kantonale Gericht hätte von einer
Kostenauflage zu ihren Lasten überhaupt absehen sollen, weil das Dispositiv
(Ziff. 1) des angefochtenen Entscheides "grundsätzlich" dem von ihr gestellten
(erstinstanzlichen) Rechtsbegehren entspreche.

4.2 Die Kostenverteilung erfolgt nach dem Erfolgsprinzip. Dabei handelt es sich
um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz für die Verteilung der Kosten sowohl im
Zivil- als auch im Verwaltungsprozess (Urteil 9C_911/2007 vom 23. Juni 2008, E.
2.4.1 mit Hinweisen). Die gesetzliche Regelung dieses Rechtsgrundsatzes erfolgt
für die erstinstanzlichen sozialversicherungsrechtlichen Beschwerdeverfahren
ausschliesslich im kantonalen Recht. Das Bundesrecht enthält weder in Art. 61
ATSG noch in einer anderen Bestimmung eine gesetzliche Normierung des
Erfolgsprinzips. Für das thurgauische Verwaltungsgerichtsverfahren ist dieses
in § 77 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 23. Februar 1981
statuiert.

4.3 Mit dem kantonalen Recht hat sich das Bundesgericht unter Vorbehalt der in
Art. 95 lit. c-e BGG genannten Ausnahmen (kantonale verfassungsmässige Rechte,
kantonale Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und
Bürgerinnen und Volkswahlen und -abstimmungen, interkantonales Recht)
grundsätzlich nicht zu befassen. Eine Bundesrechtsverletzung im Sinne von Art.
95 lit. a BGG liegt nur vor, wenn die Anwendung kantonalen Rechts, sei es wegen
seiner Ausgestaltung oder aufgrund des Ergebnisses im konkreten Fall, zu einer
Verfassungsverletzung führt. Dabei fällt im Bereich der nach kantonalem Recht
zuzusprechenden und zu bemessenden Parteientschädigung praktisch nur das
Willkürverbot (Art. 9 BV) in Betracht (Urteil 9C_911/2007 vom 23. Juni 2008, E.
2.2.1; BGE 125 V 408 E. 3a S. 408 f. mit Hinweisen; SVR 2006 BVG Nr. 19 S. 75,
B 41/04, E. 9.1.1 [in BGE 132 V 127 nicht publiziert]; Seiler/von Werdt/
Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, N 21 und 22 zu Art. 95).
Gleiches gilt für die nach kantonalem Recht vorzunehmende Verlegung der
Gerichtskosten.

4.4 Die Verwaltung hat eine bis 30. September 2006 befristete ganze
Invalidenrente verfügt. Die Beschwerdeführerin beantragte im vorinstanzlichen
Verfahren die Zusprechung einer unbefristeten ganzen Rente. Das kantonale
Gericht hat ihr eine bis 31. Dezember 2006 befristete ganze Rente und ab 1.
Januar 2007 eine unbefristete Viertelsrente zugesprochen. Es hat bei der
Kostenverlegung erwogen, die Versicherte sei demnach als teilweise unterliegend
zu betrachten und habe Gerichtskosten zu tragen. In der Beschwerde wird in
keiner Weise substantiiert, inwiefern die Vorinstanz dabei in Willkür verfallen
sein soll. Die Beschwerdeführerin ist daher mit ihrer diesbezüglichen Rüge
nicht zu hören.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau,
der Ausgleichskasse Zürcher Arbeitgeber und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 24. September 2008

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung i.V. Hochuli